Erstmals ist die Ethik der Bundesverfassungsrichter reglementiert. Außerdem in der Presseschau: BGH untersagt Transsexueller die rechtliche Mutterschaft, das Netzwerkdurchsetzungsgesetz erntet erneut Zensurvorwürfe und Neues im Fall Yücel.
Thema des Tages
Ethik-Kodex für BVerfG: Die Bundesverfassungsrichter haben sich erstmals einen Verhaltenskodex auferlegt. Sie sollen ihr Amt angemessen zurückhaltend und neutral ausüben und dabei persönliche Integrität wahren. Der Kodex umfasst auch konkrete Regelungen: So dürfen Honorare und Geschenke das Ansehen des Bundesverfassungsgerichts nicht beeinträchtigen und keine Zweifel daran schüren, dass die Richter unabhängig, überparteilich und diskret arbeiten. Für die Nebeneinnahmen soll künftig auch eine Transparenzpflicht gelten. Ausgeschiedene Richter müssen ein Jahr warten, bis sie auf ihrem Sachgebiet beraten, Gutachten erstellen und vor Gericht auftreten dürfen. In Rechtssachen, für die sie als Richter zuständig waren, gilt die Karenz dauerhaft. Eine Sanktionierung bei Verstößen sei nicht vorgesehen, berichten die SZ (Wolfgang Janisch) und die FAZ (Marcus Jung).
Rechtspolitik
NetzDG: Nachdem Twitter neben dem Account der AfD-Politikerin Beatrix von Storch nun auch den Account des Satiremagazins Titanic – wegen einer Nachricht in dieser Sache – vorübergehend sperrte, folgte nun weitere Kritik am Netzwerkdurchsetzungsgesetz: Der Spiegel (Hussein Ahmad/Melanie Amann u.a.) erklärt, es sei haltlos, dass die AfD Justizminister Heiko Maas (SPD) Zensur vorwirft. Soziale Medien wie Facebook und Twitter hätten bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes strenge Regeln gegen Hassrede gehabt. FAZ-Einspruch (Hendrik Wieduwilt) gibt die Kritik der stellvertretenden CSU-Vorsitzenden Dorothee Bär wieder: Die Intention, Hass im Internet gesetzlich einzudämmen, sei "richtig und wichtig", das Gesetz allerdings "handwerklich schlecht gemacht". Die FAZ (Michael Hanfeld) berichtet, der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger sehe in der Sperrung des Titanic-Accounts die bereits bei Verabschiedung des NetzDG prophezeite Zensur. Maas halte demgegenüber weiterhin an der Rechtmäßigkeit des Gesetzes fest.
Toralf Staud (zeit.de) begrüßt es, dass die Netzwerkbetreiber durch das NetzDG weiter dazu angehalten werden, Straftaten entgegenzuwirken. Wer die Löschpflicht kritisiere, setze sich letztendlich dafür ein, dass die Netzwerke ihre Moderatoren weniger gut ausbilden und so Geld sparen. Christian Bommarius (BerlZ) moniert, dass auch das NetzDG nichts daran ändern werde, dass AfD-Politiker die Sprache der Zivilgesellschaft nicht verstehen. Schädlich sei es daher, dass "beim Versuch, Hass und Häme zu entsorgen" auch die Kritik daran entsorgt werde.
zeit.de (Eike Kühl) erläutert das Wichtigste zum NetzDG in Frage-Antwort-Form.
Erschleichen von Leistungen: Der Deutsche Richterbund plädiert dafür, das Erschleichen von Leistungen als Straftatbestand zu überprüfen. Dessen Vorsitzender Jens Gnisa fordert von Verkehrsbetrieben, dem Schwarzfahren besser vorzubeugen. Die ohnehin überlastete Justiz und unterbesetzte Gefängnisse, wie die JVA Plötzensee, könnten so entlastet werden, meldet spiegel.de.
"Dass Menschen sich wegen solcher Kinkerlitzchen hinter Gittern wiederfinden, ist eines Rechtsstaats ohnehin unwürdig.", meint Jost Müller-Neuhof (Tsp). Schwarzfahren solle als Ordnungswidrigkeit geahndet oder ganz den Verkehrsbetrieben überlassen werden.
Drittes Geschlecht: Wie soll der Gesetzgeber die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum dritten Geschlecht umsetzen? Nach Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) genüge es in erster Linie das Personenstandsgesetz um das Geschlecht "anderes" zu erweitern. Das Familienministerium hingegen forderte bereits im vergangenen Herbst ein Rahmengesetz für geschlechtliche Vielfalt. Der Spiegel (Melanie Amann) berichtet.
Lohntransparenz: Am morgigen Samstag tritt das Lohntransparenzgesetz in Kraft. Arbeitnehmer haben dann das Recht, zu erfragen, wie viel ihre Kollegen in vergleichbaren Positionen verdienen und nach welchen Kriterien der Arbeitgeber ihres und das vergleichbare Gehalt festlegt. Die FAZ (Dietrich Creutzburg u.a.) schildert gelassene und besorgte Reaktionen betroffener Unternehmen.
Bürgerversicherung: Alexander Neubacher (Der Spiegel) glaubt daran, dass eine Große Koalition die Zweiklassenmedizin überwinden könne und schildert, wie dies gelingen könne. Die CDU bringe den Wettbewerb der Krankenkassen voran; die SPD stehe für eine gerechte Behandlung von privaten und Kassenpatienten.
Altersfeststellung: Die Welt (Philip Kuhn) zeichnet nach, "womit das Chaos bei der Altersfeststellung jugendlicher Flüchtlinge begann" und führt als Beispiel den Fall des in Freiburg wegen Mordes angeklagten Hussein K. an. Die Behörden hatten ihn nicht medizinisch auf sein Alter hin untersucht, obwohl dies seit Oktober 2015 zulässig sei. Baden-Württemberg verzichte, wie auch andere Länder, auf die medizinischen Untersuchungen.
Kennzeichnungspflicht für Polizisten: Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei Oliver Malchow spricht sich im Interview mit der SZ (Ronen Steinke) dagegen aus, Polizisten mit Nummern oder Namen zu kennzeichnen. Die Kennzeichnungspflicht schüre Misstrauen gegenüber den Beamten, ihr Nutzen sei ungewiss.
Justiz
BGH zu Elternschaft Transsexueller: Eine Mann-zu-Frau-Transsexuelle kann für ein Kind, das mit ihrem konservierten Spendersamen gezeugt wurde, nur der rechtliche Vater sein. Der konkrete Fortpflanzungsbeitrag bestimme, ob hier rechtliche Mutter- oder Vaterschaft vorliege. Dies verstoße nicht gegen ihre Grundrechte, betont der Bundesgerichtshof. Die Geburtsurkunde der Kinder solle die biologische Zeugung widerspiegeln. FAZ (Constantin van Lijnden) und taz (Christian Rath) weisen darauf hin, dass der BGH damit seine Rechtsprechung fortführt – im September vergangenen Jahres hatte er im Falle eines Frau-zu-Mann-Transsexuellen ebenso entschieden.
Fall Oury Jalloh: Die taz (Christian Jakob) berichtet ausführlich darüber, dass der ehemalige Präsident des Landgerichts Dessau, Michael B., den Justizwachtmeister Dirk N. mit Disziplinarmaßnahmen dazu gebracht haben soll, seinen Verdacht gegenüber dem Polizisten Udo S. im Fall Oury Jalloh zu revidieren.
Porträt Barbara Havliza: Die SZ (Annette Ramelsberger) spricht mit der neuen niedersächsischen Justizministerin Barbara Havliza (CDU) über ihre vorherige Arbeit als Oberlandesrichterin. Sie erzählt, wie sie die Würde der Angeklagten zu wahren suchte, wie sie persönlich und im Richterinnenalltag mit den Terrorprozessen umgegangen ist, über die nötigen Qualitäten der Richter in Großverfahren, den NSU-Prozess und über die Fehlbarkeit von Richtern.
JVA Plötzensee – Ausbruch: zeit.de (Hannes Heine) begleitete den Berliner Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) bei seinem Rundgang durch die JVA Plötzensee. Der Beitrag zeigt die Defizite des Berliner Strafvollzugs am Beispiel Plötzensee auf und bemängelt die bisherige Arbeit Behrendts: Er bekämpfe die Mangelverwaltung in der Justiz nicht konsequent.
BVerfG zu Numerus clausus: "Jede Menge politischen Sprengstoff" trage die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Numerus clausus. Im Leitartikel wundert sich Heike Schmoll (FAZ) über den bisher ausgebliebenen Aufschrei. Sie hofft, dass die vom BVerfG geforderten standardisierten und strukturierten Auswahlverfahren auf Bundesebene eingeführt werden. Denkbar sei etwa, dass der Bund in seiner Zuständigkeit über die konkurrierende Gesetzgebung ein Bundeszulassungsgesetz erlässt und das Hochschulrahmengesetz anpasst.
Recht in der Welt
Türkei - Deniz Yücel: Die türkische Regierung hat in einer Stellungnahme zur Untersuchungshaft des Journalisten Deniz Yücel die Vorwürfe gegen ihn bekräftigt. Die Beschwerde hatte Yücel bereits im März 2017 eingebracht. Die Frist für eine Antwort seiner Anwälte beträgt nun zwei Wochen – danach werde das türkische Verfassungsgericht darüber entscheiden, ob Yücel freigelassen wird, meldet die Welt (Daniel-Dylan Böhmer).
Israel - Todesstrafe für Terroristen: Der Knesset hat in erster Lesung mit knapper Mehrheit einem Gesetzentwurf zugestimmt, welcher die Todesstrafe für wegen Mordes verurteilte Terroristen vorsieht. Derzeit ist die Todesstrafe in Israel nur in besonderen Fällen erlaubt – etwa bei Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen das jüdische Volk, meldet die SZ.
Sonstiges
beA: Das Bundesjustizministerium fordert von der Bundesrechtsanwaltskammer Auskünfte zu den Sicherheitsrisiken des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs beA und ihre "unverzügliche Behebung", so eine Online-Vorabmeldung der NJW (Joachim Jahn).
Geschwisternachzug: Der Dozent für Migrationsrecht Carsten Hörich erklärt im Interview mit lto.de (Tanja Podolski), die rechtlichen und tatsächlichen Probleme des Familiennachzugs und insbesondere des Geschwisternachzugs bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Der Gesetzgeber könne hier helfen, indem er den Nachzug nicht an Pflichten des Minderjährigen knüpfe.
Kriminalität von Flüchtlingen: focus.de (Laura Gaida) hat mit dem Professor für Polizeiwissenschaften Rafael Behr über die Studie zur Kriminalität von Flüchtlingen gesprochen: Flüchtlinge bräuchten ein geschütztes Umfeld. Dies trage dazu bei, die Gewaltbereitschaft zu senken. Hier wäre der Familiennachzug förderlich, aber auch getrennte Räumlichkeiten statt Massenunterkünften und die Aussicht auf ein Bleiberecht.
Recht am Bitcoin: Der wissenschaftliche Mitarbeiter Johannes Seitz stellt auf lto.de fest, warum Bitcoin-Inhaber rechtlich nicht ausreichend vor Eingriffen geschützt sind. Die technischen Feinheiten der kryptografischen Währung erschwerten es, sie einem Rechtsgut zuzuordnen.
Gehalt von Juristen: focus.de (Antonia Schäfer) evaluiert, was Anwälte und Staatsanwälte im Durchschnitt verdienen.
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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/vb
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Die juristische Presseschau vom 5. Januar 2018: Ethik-Kodex für Verfassungsrichter / Transsexuelle als Vater? / Keine Ebbe bei Kritik an NetzDG . In: Legal Tribune Online, 05.01.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26325/ (abgerufen am: 29.03.2024 )
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