Die juristische Presseschau vom 5. Januar 2018: Ethik-Kodex für Ver­fas­sungs­richter / Transse­xu­elle als Vater? / Keine Ebbe bei Kritik an NetzDG

05.01.2018

Erstmals ist die Ethik der Bundesverfassungsrichter reglementiert. Außerdem in der Presseschau: BGH untersagt Transsexueller die rechtliche Mutterschaft, das Netzwerkdurchsetzungsgesetz erntet erneut Zensurvorwürfe und Neues im Fall Yücel.

Thema des Tages

Ethik-Kodex für BVerfG: Die Bundesverfassungsrichter haben sich erstmals einen Verhaltenskodex auferlegt. Sie sollen ihr Amt angemessen zurückhaltend und neutral ausüben und dabei persönliche Integrität wahren. Der Kodex umfasst auch konkrete Regelungen: So dürfen Honorare und Geschenke das Ansehen des Bundesverfassungsgerichts nicht beeinträchtigen und keine Zweifel daran schüren, dass die Richter unabhängig, überparteilich und diskret arbeiten. Für die Nebeneinnahmen soll künftig auch eine Transparenzpflicht gelten. Ausgeschiedene Richter müssen ein Jahr warten, bis sie auf ihrem Sachgebiet beraten, Gutachten erstellen und vor Gericht auftreten dürfen. In Rechtssachen, für die sie als Richter zuständig waren, gilt die Karenz dauerhaft. Eine Sanktionierung bei Verstößen sei nicht vorgesehen, berichten die SZ (Wolfgang Janisch) und die FAZ (Marcus Jung)

Rechtspolitik

NetzDG: Nachdem Twitter neben dem Account der AfD-Politikerin Beatrix von Storch nun auch den Account des Satiremagazins Titanic – wegen einer Nachricht in dieser Sache – vorübergehend sperrte, folgte nun weitere Kritik am Netzwerkdurchsetzungsgesetz: Der Spiegel (Hussein Ahmad/Melanie Amann u.a.) erklärt, es sei haltlos, dass die AfD Justizminister Heiko Maas (SPD) Zensur vorwirft. Soziale Medien wie Facebook und Twitter hätten bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes strenge Regeln gegen Hassrede gehabt. FAZ-Einspruch (Hendrik Wieduwilt) gibt die Kritik der stellvertretenden CSU-Vorsitzenden Dorothee Bär wieder: Die Intention, Hass im Internet gesetzlich einzudämmen, sei "richtig und wichtig", das Gesetz allerdings "handwerklich schlecht gemacht". Die FAZ (Michael Hanfeld) berichtet, der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger sehe in der Sperrung  des Titanic-Accounts die bereits bei Verabschiedung des NetzDG prophezeite Zensur. Maas halte demgegenüber weiterhin an der Rechtmäßigkeit des Gesetzes fest.

Toralf Staud (zeit.de) begrüßt es, dass die Netzwerkbetreiber durch das NetzDG weiter dazu angehalten werden, Straftaten entgegenzuwirken. Wer die Löschpflicht kritisiere, setze sich letztendlich dafür ein, dass die Netzwerke ihre Moderatoren weniger gut ausbilden und so Geld sparen. Christian Bommarius (BerlZ) moniert, dass auch das NetzDG nichts daran ändern werde, dass AfD-Politiker die Sprache der Zivilgesellschaft nicht verstehen. Schädlich sei es daher, dass "beim Versuch, Hass und Häme zu entsorgen" auch die Kritik daran entsorgt werde.

zeit.de (Eike Kühl) erläutert das Wichtigste zum NetzDG in Frage-Antwort-Form.

Erschleichen von Leistungen: Der Deutsche Richterbund plädiert dafür, das Erschleichen von Leistungen als Straftatbestand zu überprüfen. Dessen Vorsitzender Jens Gnisa fordert von Verkehrsbetrieben, dem Schwarzfahren besser vorzubeugen. Die ohnehin überlastete Justiz und unterbesetzte Gefängnisse, wie die JVA Plötzensee, könnten so entlastet werden, meldet spiegel.de.

"Dass Menschen sich wegen solcher Kinkerlitzchen hinter Gittern wiederfinden, ist eines Rechtsstaats ohnehin unwürdig.", meint Jost Müller-Neuhof (Tsp). Schwarzfahren solle als Ordnungswidrigkeit geahndet oder ganz den Verkehrsbetrieben überlassen werden. 

Drittes Geschlecht: Wie soll der Gesetzgeber die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum dritten Geschlecht umsetzen? Nach Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) genüge es in erster Linie das Personenstandsgesetz um das Geschlecht "anderes" zu erweitern. Das Familienministerium hingegen forderte bereits im vergangenen Herbst ein Rahmengesetz für geschlechtliche Vielfalt. Der Spiegel (Melanie Amann) berichtet.

Lohntransparenz: Am morgigen Samstag tritt das Lohntransparenzgesetz in Kraft. Arbeitnehmer haben dann das Recht, zu erfragen, wie viel ihre Kollegen in vergleichbaren Positionen verdienen und nach welchen Kriterien der Arbeitgeber ihres und das vergleichbare Gehalt festlegt. Die FAZ (Dietrich Creutzburg u.a.) schildert gelassene und besorgte Reaktionen betroffener Unternehmen.

Bürgerversicherung: Alexander Neubacher (Der Spiegel) glaubt daran, dass eine Große Koalition die Zweiklassenmedizin überwinden könne und schildert, wie dies gelingen könne. Die CDU bringe den Wettbewerb der Krankenkassen voran; die SPD stehe für eine gerechte Behandlung von privaten und Kassenpatienten.

Altersfeststellung: Die Welt (Philip Kuhn) zeichnet nach, "womit das Chaos bei der Altersfeststellung jugendlicher Flüchtlinge begann" und führt als Beispiel den Fall des in Freiburg wegen Mordes angeklagten Hussein K. an. Die Behörden hatten ihn nicht medizinisch auf sein Alter hin untersucht, obwohl dies seit Oktober 2015 zulässig sei. Baden-Württemberg verzichte, wie auch andere Länder, auf die medizinischen Untersuchungen.

Kennzeichnungspflicht für Polizisten: Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei Oliver Malchow spricht sich im Interview mit der SZ (Ronen Steinke) dagegen aus, Polizisten mit Nummern oder Namen zu kennzeichnen. Die Kennzeichnungspflicht schüre Misstrauen gegenüber den Beamten, ihr Nutzen sei ungewiss. 

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 5. Januar 2018: Ethik-Kodex für Verfassungsrichter / Transsexuelle als Vater? / Keine Ebbe bei Kritik an NetzDG . In: Legal Tribune Online, 05.01.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26325/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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