Die juristische Presseschau vom 23. bis 27. Dezember 2017: BeA doch nicht sicher? / Beschwer­de­ver­fahren bei Face­book / Pro­zess um Daten­wei­ter­gabe in die USA

27.12.2017

 

Recht in der Welt

ICTY beendet Tätigkeit: Anlässlich des offiziellen Endes des Internationalen Strafgerichtshofes für das ehemalige Jugoslawien würdigt die Samstags-taz (Erich Rathfelder) die Tätigkeit des Gerichtes. Durch die hervorragend dokumentierten Gerichtsprozesse seien Standards gesetzt worden, die auch in anderen Regionen der Welt angewandt werden könnten, so der Autor.

Polen – Artikel-7-EUV-Verfahren: Die Rechtsprofessoren Dimitry Kochenov, Laurent Pech und Kim Lane Scheppele erläutern auf verfassungsblog.de (in englischer Sprache) die Geschichte und Vorgeschichte des in Artikel 7 EUV vorgesehenen Rechtsstaatsverfahrens und befassen sich mit der jetzt erstmaligen Anwendung. Die Autoren meinen, dass die Kommission hier zu spät gehandelt habe, das Verfahren hätte bereits Ende 2016 eingeleitet werden müssen. So wurde die polnische Regierung in die Lage versetzt, die "checks-and-balances-Mechanismen" zu unterlaufen, lange, bevor die Europäische Kommission tätig wurde.

Völkerrechtlicher Status Jerusalems: Der emeritierte Politik- und Rechtsprofessor Norman Paech erläutert im Mittwochs-FAZ-Einspruch die wechselvolle Geschichte Jerusalems aus völkerrechtlicher Sicht. Im Vorstoß des amerikanischen Präsidenten Donald Trump sieht er sogar eine Chance: Die Zuspitzung der Eskalation könnte dazu führen, dass die anderen Staaten sich von "ihrem Opportunismus der stillschweigenden Duldung trennen und ihr Handeln an den Prinzipien der UN-Charta orientieren", nach denen Territorien, die mit Gewalt erobert werden, nicht in die Souveränität des Eroberers eingegliedert werden können, sondern wieder verlassen werden müssen. Rechtsprofessor Russel Miller beantwortet ebenfalls im Mittwochs-FAZ-Einspruch (in englischer Sprache) die Frage, welche Rolle in diesem Konflikt das Recht spielt, beziehungsweise spielen sollte.

USA Supreme Court – USA v. Microsoft Corporation: Beim Obersten Gericht der USA wird derzeit ein Streit um die Weitergabe von in Europa gespeicherten Daten geführt. Die Microsoft Corporation weigert sich, in Dublin liegende Daten an amerikanische Behörden herauszugeben und begründet dies mit dem Fehlen einer entsprechenden Rechtsgrundlage. Katja Gelinsky im Mittwochs-FAZ-Einspruch und Moritz Koch im Hbl berichten über das Verfahren. Laut Hbl will sich der Bund der Deutschen Industrie BDI und der Deutsche Industrie und Handelskammertag DIHK mit einem Amicus-Brief an die Verfassungsrichter in Washington wenden. Die Verbände befürchten, dass – sollten sich die amerikanischen Behörden mit ihrer Rechtsauffassung durchsetzen – weltweit Datenschutzbestimmungen ausgehebelt werden würden. 

Brexit: Im Mittwochs-FAZ-Einspruch fasst Rechtsprofessor Ullrich Jan Schröder die Folgen des Brexit für Großbritannien zusammen. Er widmet sich dabei auch der Frage, ob sich die Briten noch "eines Besseren besinnen" können und wie die Abwicklung eines solchen Szenarios aussehen könnte.

Österreich – Doppelpass für Südtiroler: In ihrem Koalitionsvertrag hat die neue Regierung in Wien vereinbart, dass sie plane "den Angehörigen der Volksgruppen deutscher und ladinischer Muttersprache in Südtirol [...] die Möglichkeit einzuräumen, zusätzlich zur italienischen Staatsbürgerschaft die österreichische Staatsbürgerschaft zu erwerben". Der Föderalismusforscher und Rechtsprofessor Francesco Palermo beleuchtet auf verfassungsblog.de das Vorhaben kritisch und fasst die rechtlichen Bedenken zusammen. So hätte eine solche Regelung nicht nur nationalrechtliche sondern auch völkerrechtliche Implikationen.

USA – Verurteilung wegen Mordversuches "im Wahn": Im Bundesstaat Wisconsin ist eine Schülerin zu 25 Jahren in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik verurteilt worden, weil sie versucht hat, eine Mitschülerin mit 19 Messerstichen zu töten. Bei der Verhaftung soll sie, so die Samstags-FAZ (Christiane Heil), ausgesagt haben, sie sei von der Internetfigur "Slenderman" und einer Internetseite "creepypasta" inspiriert worden. "Slenderman" habe verlangt, sich seinen Respekt durch einen Mord zu verdienen.

Sonstiges

Stresemann-Stiftung für AfD?: In einem Interview mit dem Spiegel (Melanie Amann) bewertet Rechtsprofessor Ansgar Ohly die Frage, inwieweit sich die Erben Gustav Stresemanns gegen die Vereinnahmung des nationalliberalen Politikers durch die AfD wehren können. Die Partei hatte angekündigt, eine Stiftung nach ihm zu benennen. Ohly meint, dass zwar die Chancen zur Geltendmachung eines postmortalen Persönlichkeitsrechtes gering stünden, weil Stresemann bereits 1929 verstorben sei. Wenn sich aber ein Richter finde, für den Stresemann noch schutzberechtigt sei, hätte eine Klage gute Chancen, weil das Gericht zwischen der Meinungsfreiheit der AfD-Stiftungsgründer und Stresemanns postmortalem Persönlichkeitsrecht abwägen würde und sich dabei zeigen dürfte, dass Stresemanns politische Positionen nicht zur AfD passten.

Rückzahlungsansprüche gegen Air Berlin: In einem Interview mit dem Spiegel (Dinah Deckstein) sieht Rechtsanwalt Stefan Hertwig gute Chancen, dass der Bund von den Air-Berlin-Erwerbern die Rückzahlung des Kredites über 150 Millionen Euro erfolgreich einfordern kann. Wenn sich beispielsweise die Lufthansa weigern würde, das Geld zurückzuzahlen, könnte die Europäische Kommission eine Eintreibung einfordern.

#Metoo und das Arbeitsrecht: Im Teil "Beruf und Chance" in der Samstags-FAZ (Ursula Kals/Corinna Budras) werden die besten Strategien erläutert, um sensiblen Situationen im Arbeitsumfeld aus dem Weg zu gehen. Es wird darauf hingewiesen, dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz engere Grenzen im Bereich sexuelle Belästigung schaffe als das Strafrecht. Für einen Gesetzesverstoß müsse es nicht einmal direkt zu sexuellen Handlungen kommen, es reichen auch anzügliche Bemerkungen, Hinterherpfeifen oder der Wink mit dem Zaunpfahl: Porno-Poster oder erotische Kalender an der Wand zum Beispiel.

Das Letzte zum Schluss

Die Schwierigkeiten eines Gänsebratens: Mit der Frage, ob es sich bei einem Gänsebraten um eine "einfache Speise" mit der Folge, dass beim Verzehr derselben in einer Ein-Raum-Gaststätte auch geraucht werden darf, handelt, befasst sich Martin Rath im Feuilleton von lto.de. Es geht auch darum, ob die Gänsebratenfrage als "Probierstein" für Bedeutenderes dienen könne.

Rechtsgeschichte – Disziplinarverfahren wegen Trunkenheit: Welche juristischen Kniffe der Bundesdisziplinarhof anwendete, um in den sechziger Jahren, vor der Anerkennung des Alkoholismus als Krankheit, einen Bundesbahnbeamten mit einem vermuteten Alkoholproblem aus dem Dienst zu entfernen, beschreibt Martin Rath auf lto.de.

Stallwache: Die Geschichte der Stallwache im engeren und im weiteren Sinne beleuchtet Martin Rath im Feuilleton von lto.de (am 24. Dezember!).

 

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lto/pf

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 23. bis 27. Dezember 2017: BeA doch nicht sicher? / Beschwerdeverfahren bei Facebook / Prozess um Datenweitergabe in die USA . In: Legal Tribune Online, 27.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26189/ (abgerufen am: 23.04.2024 )

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