Die juristische Presseschau vom 23. bis 27. Dezember 2017: BeA doch nicht sicher? / Beschwer­de­ver­fahren bei Face­book / Pro­zess um Daten­wei­ter­gabe in die USA

27.12.2017

Beim Anwaltspostfach wurde ein Zertifikat wegen Sicherheitsmängeln zurückgezogen. Außerdem in der Presseschau: Facebook führt ein neues Beschwerdeverfahren ein und Microsoft soll europäische Daten an US-Behörden weitergeben und wehrt sich.

 

Thema des Tages

Probleme beim Anwaltspostfach: Ab dem 1.1.2018 sind nach § 31a Abs. 6 Bundesrechtsanwaltsordnung Anwälte verpflichtet, die für die Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfaches (beA) erforderlichen technischen Einrichtungen vorzuhalten und über das Postfach zugehende Mitteilungen zur Kenntnis zu nehmen. Kurz vor dem Inkrafttreten der Neuregelung sind allerdings technische Probleme beim beA aufgetreten: Wie heise.de (Detlef Borchers) meldet, musste ein notwendiges Zertifikat wegen Sicherheitsmängeln zurückgezogen werden. Die von der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) bereitgestellte Lösung zur Installation eines neuen Zertifikates soll allerdings, so heißt es in Artikeln von Rechtsanwalt Matthias Bergt auf cr-online.de und auf golem.de (Hanno Böck) neue, sogar noch größere Sicherheitslücken verursachen. Auch der Deutsche EDV-Gerichtstag e.V. warnt daher laut Rechtsanwalt Thomas Lapp auf community.beck.de vor dem Befolgen der Anleitung. Wie u.a. lto.de (Pia Lorenz/Christian Dülpers) meldet, hat die BRAK mittlerweile die Anleitung aus dem Netz genommen. Der Zugang zum beA ist seit dem Wochenende wegen "vereinzelter Verbindungsproblemen zur beA-Webanwendung" nicht mehr erreichbar.

Kurz zuvor hatte am Freitag das Bundesverfassungsgericht zumindest den rechtlichen Weg für die Nutzungspflicht des beA freigemacht. Die Karlsruher Richter haben eine entsprechende Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Wie Martin W. Huff auf lto.de berichtet, meinte das Gericht, dass die Verfassungsbeschwerde bereits unzulässig sei, da sie den Begründungsanforderungen nicht genüge.

Der Samstags-FAZ-Einspruch (Constantin van Lijnden) fasst die bisherigen rechtlichen und technischen Schwierigkeiten beim Anwaltspostfach zusammen.

Rechtspolitik

Europäische Zahlungsdiensterichtlinie: Die Samstags-taz (Hannes Koch) stellt die neuen Regelungen der Zahlungsdiensterichtlinie vor, die Mitte Januar in Kraft treten. Die wichtigsten Änderungen betreffen sogenannte Bezahldienste, die dann direkt Zugriff auf Kundenkonten erhalten, dafür aber auch bestimmte Voraussetzungen – insbesondere bestimmte Sicherheitsanforderungen – erfüllen müssen. Der Bundesverband Verbraucherzentrale e.V. fordert Nachbesserungen: So sollen die Zahlungsdienste künftig nur spezielle Schnittstellen zu den Privatkonten nutzen dürfen, nicht die Onlinebanking-Zugänge. Auf diese Weise ließe sich der Zugriff auf sensible Daten steuern und ausschließlich der Einblick gewähren, den der Kontoinhaber wirklich zulassen will.

Europäische Sanktionsmechanismen: Der Spiegel (Peter Müller, Jan Puhl) berichtet von Überlegungen in Brüssel zum künftigen Umgang mit Mitgliedstaaten, die sich nicht an das EU-Regelwerk halten. Hintergrund ist das Artikel-7-EUV-Verfahren, das kürzlich gegen Polen eingeleitet wurde. Aus dem Innen- und Justizausschuss heißt es, dass das gegenwärtige Verfahren sich als ineffektiv erwiesen habe, Bedrohungen des Rechtsstaats in der EU zu begegnen. "Artikel 7 ist zu schwerfällig", wird der Europarechtler Daniel Thym zitiert, "die Sanktion funktioniert nicht, wenn mehrere Länder gegen rechtsstaatliche Prinzipien verstoßen". Deshalb schlug Deutschland kürzlich vor, Regionalbeihilfen künftig nur noch in Ländern auszuzahlen, in denen rechtsstaatliche Grundprinzipien eingehalten werden.

Netzwerkdurchsetzungsgesetz – Neues Beschwerdeverfahren bei Facebook: Die Mittwochs-FAZ (Hendrik Wieduwilt) beschreibt das Beschwerdeverfahren, das Facebook in Umsetzung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes implementiert hat. Der Prozess ist dabei den Meldungen von Urheberrechtsverletzungen nachempfunden. Anbieter sozialer Medienplattformen, die kein effektives Beschwerdesystem aufstellen, drohen nach dem neuen Gesetz Geldbußen bis zu fünf Millionen Euro.

Sicherheitspolitik: Constanze Kurz setzt sich in der Mittwochs-FAZ kritisch mit der bisherigen und der bei einer Neuauflage einer großen Koalition zu erwartenden Politik im Bereich Innen- und Sicherheitspolitik auseinander. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit sei zum Beispiel ein Gesetz verabschiedet worden, das die biometrischen Daten aus Pässen und Ausweisen aller hier lebenden Menschen zum automatisierten Abruf für Polizei und Geheimdienste freigibt. Die Pflicht zur Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten sei trotz des entgegenstehenden Urteils des EuGH nicht aufgehoben worden und der Bundesinnenminister wolle die Biometrieüberwachung am liebsten flächendeckend in Bund und Ländern einsetzen. Die Autorin appelliert, die Diskussion über eine digitale Zukunft nicht nur auf neue Überwachungsprojekte zu beschränken.

Kriminalpolitischer Rückblick: Der emeritierte Rechtsprofessor Arthur Kreuzer wirft auf zeit.de der früheren Regierung einen kriminalpolitischen "Blindflug" vor. In den vergangenen Jahren seien kriminalpolitische Grundsätze sträflich missachtet worden. Die Politik habe stets auf spektakuläre Fälle und öffentliche Empörung reagiert und das Ergebnis sei eine inflationäre Ausweitung des Strafrechts gewesen. Als Beispiele nennt er § 89a StGB (Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat), § 217 StGB (geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung) und die Änderungen im Sexualstrafrecht. Für die nächste Legislaturperiode fordert er unter anderem eine Reform der Tötungsdelikte, die Entkriminalisierung von Massenbagatelldelikten (z.B. Hinterziehen von Beförderungsentgelt) und eine Entlastung des Strafvollzuges bei Ersatzfreiheitsstrafen.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 23. bis 27. Dezember 2017: BeA doch nicht sicher? / Beschwerdeverfahren bei Facebook / Prozess um Datenweitergabe in die USA . In: Legal Tribune Online, 27.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26189/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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