Die juristische Presseschau vom 21. Dezember 2017: Art. 7 EUV gegen Polen / Keine Schei­dung nach der Scharia / Uber ist Ver­kehrs­­dienst­leister

21.12.2017

Justiz

LG Duisburg – Loveparade-Verfahren: Im Loveparade-Prozess vor dem Landgericht Duisburg haben mehrere Verteidiger laut lto.de und spiegel.de die Einstellung des Verfahrens gefordert, weil die Anklage der Staatsanwaltschaft zu ungenau sei. Zuvor hatten Vertreter der Anklage bereits eine Aussetzung verlangt. Zur Begründung hieß es, es müssten unter anderem zuerst 33 Aktenordner zur Loveparade aus dem Innenministerium NRW hinzugezogen werden. Dem Vorwurf, sie würden nur eine Verzögerungstaktik betreiben, widersprachen die Verteidiger. Das Verfahren steht unter einem besonderen Zeitdruck, weil im Frühjahr nächsten Jahres die Verjährung eintreten würde.

EuGH zur Scheidung nach Scharia-Recht: Eine nach islamischem Scharia-Recht durchgeführte einseitig erklärte Scheidung fällt nicht unter den sachlichen Anwendungsbereich der Rom-III-Verordnung und kann damit nach EU-Recht nicht anerkannt werden. Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden, wie u.a. FAZ (Helene Bubrowski), SZ (Wolfgang Janisch/Dunja Ramadan) und lto.de berichten. Die Verordnung erfasse nur Ehescheidungen, die von einem staatlichen Gericht oder einer öffentlichen Behörde ausgesprochen würden, heißt es zur Begründung. Anders als noch der Generalanwalt setzten sich die Richter allerdings nicht mit der Frage auseinander, ob eine solche Privatscheidung die Ehefrau diskriminiert.

Reinhard Müller (FAZ) begrüßt die Entscheidung. Wenn in einem Regelwerk eine Unterdrückung der Frau angelegt sei, könne es hier keinen Platz haben.

EuGH zu Uber: Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass das Unternehmen Uber mit seinem Angebot UberPop den Beförderungsgesetzen der Mitgliedstaaten unterliegt. lto.de, taz (Christian Rath), SZ (Jan Schmidbauer/Jan Willmroth) und FAZ (HendrikWieduwilt/Martin Gropp) stellen das Urteil vor. Bei UberPop werden den Nutzern über eine App gegen Entgelt Privatleute in ihren eigenen Autos als Chauffeure vermittelt. Die Luxemburger Richter sind der Auffassung, dass Uber kein Internetdiensteanbieter ist, sondern eine Verkehrsdienstleistung erbringt und es deshalb Sache der Mitgliedstaaten sei, dafür die Rahmenbedingungen zu definieren. In Deutschland wird UberPop seit einigen Jahren nicht mehr angeboten.

Jan Willmroth (SZ) meint, dass der Gerichtshof den Plattformbetreiber Uber zu Recht in die Verantwortung nehme – für Angebote, die bislang nur funktionieren, indem sie immer mehr schlecht bis gar nicht abgesicherte Solo-Selbständige für sich ausnutzen, müsse es strenge Regeln zu deren Schutz geben.

EuGH zum Arbeitslosengeld für Selbstständige im EU-Ausland: Wie die FAZ (Hendrik Wieduwilt) mitteilt, hat ein Selbstständiger, der ins Ausland geht und dort arbeitslos wird, Anspruch auf Arbeitslosenhilfe im Gaststaat. Das hat der Europäische Gerichtshof im Fall eines rumänischen Stuckateurs entschieden, der in Irland selbstständig tätig war. Die Freizügigkeitsrichtlinie gelte nicht nur für Arbeitnehmer, sondern auch für Selbstständige, so die Richter.

VG Stuttgart zur Luftqualität: Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat laut FAZ (Martin Gropp) am Mittwoch entschieden, dass das Land Baden-Württemberg seinen Luftreinhalteplan für Stuttgart abändern und künftig darin auch Fahrverbote vorsehen muss, wenn bestimmte Grenzwerte überschritten werden.

StA München – Audi-Ermittlungen: Bei den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Audi wegen des Verdachtes der Abgasmanipulation geht es um insgesamt 146.000 verdächtige Dieselautos. Laut einem Bericht der SZ (Klaus Ott) betrifft das neben 80.000 Fahrzeugen für den US-Markt auch 46.000 Autos der Ingolstädter Volkswagen-Tochter in Deutschland. Das gehe aus einer Antwort des Justizministeriums in Bayern auf eine Landtagsanfrage der Grünen hervor.

BVerfG zum Numerus clausus: Im Radioreport Recht auf swr.de (Klaus Hempel/Gigi Deppe u.a.) wird die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, mit der die derzeitige Zulassungspraxis für das Studium der Humanmedizin für teilweise verfassungswidrig erklärt wurde, noch einmal analysiert. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Numerus Clausus werde sicher keine Revolution bei der Vergabe der Studienplätze für Medizin auslösen, aber es werde sich einiges ändern müssen, heißt es in dem Beitrag.

OLG München – NSU-Verfahren: Am 400. Verhandlungstag hat einer der Nebenklagevertreter plädiert. Rechtsanwalt Hardy Langer wandte sich dabei direkt an die Angeklagte Beate Zschäpe und appelliert an sie, "umfassend und wahrheitsgemäß" auszusagen. spiegel.de (Julia Jüttner und Thomas Hauzenberger) gibt einen ausführlichen Prozessbericht.

StA Hamburg – G20-Ermittlungen: Der hamburgische Justizsenator Till Steffen (Grüne) hat die Öffentlichkeitsfahndung im Rahmen der Ermittlungen zu den Unruhen im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel verteidigt. Am Montag hatte die Polizei in Hamburg Videos und Fotos von insgesamt 104 Tatverdächtigen veröffentlicht in der Hoffnung, deren Identität mit Hilfe der Bevölkerung zu klären. FAZ (Matthias Wyssuwa) und SZ zitieren den Senator mit den Worten, dass in diesem Fall Staatsanwaltschaft und Amtsgericht geprüft und bestätigt hätten, dass die Anforderungen erfüllt seien. Wenn Polizei und Staatsanwaltschaft an dieser Stelle der Strafverfolgung nicht handeln würden, müssten die Verfahren eingestellt werden, so Steffen.

LG Dortmund – Anschlag auf BVB-Bus: Am heutigen Donnerstag beginnt vor dem Landgericht Dortmund der Prozess gegen Sergej W., dem vorgeworfen wird, am 11. April dieses Jahres drei Bomben direkt neben dem besetzten Mannschaftsbus des BVB gezündet zu haben. Er soll damit versucht haben, den Aktienkurs des BVB zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Die SZ (Annette Ramelsberger) stellt die unterschiedliche Charakteristik des mutmaßlichen Täters durch Staatsanwaltschaft und Verteidigung gegenüber. Die Verteidigung spreche sogar von einer Vorverurteilungskampagne gegen seinen Mandanten.

EuGH zu Ruhezeiten bei LKW-Fahrern: Der Europäische Gerichtshof hat im Rahmen einer entsprechenden Vorlage aus Belgien entschieden, dass LKW-Fahrer ihre wöchentliche Ruhezeit nicht in ihrem Fahrzeug verbringen dürfen. Es sei das Ziel des Gesetzgebers gewesen, die Arbeitsbedingungen der Fahrer zu verbessern. Dies wäre nicht der Fall, wenn sie die Pause im Fahrzeug machen würden, heißt es in einem entsprechenden Artikel auf spiegel.de.

EuGH zu Verjährungsfristen im Strafrecht: Die sogenannte Taricco-II-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes beleuchtet der wissenschaftliche Mitarbeiter Kilian Wegner auf juwiss.de. Es geht darin um die italienischen Verjährungsvorschriften für den Umsatzsteuerbetrug. In "Taricco I" hätten die Luxemburger Richter festgestellt, dass diese den Ansprüchen des Unionsrechts an eine effiziente Strafverfolgung nicht genügen. Nach "Taricco II" könnten aber bereits begangene Steuerstraftaten noch nach dem alten Recht behandelt werden.

EuGH zu Champagner-Sorbet: Mit der Frage, wie viel Champagner in einem Champagner-Sorbet enthalten sein müsse, hatte sich der Europäische Gerichtshof zu befassen. Rechtsanwältin Ulrike Grübler stellt auf lto.de die entsprechende Entscheidung vor, in der die Richter zu dem Ergebnis kommen, dass ein berechtigtes Interesse an der Verwendung der Bezeichnung "Champagner" bestehe, wenn das Dessert so viel Champagner enthält, dass es hauptsächlich danach schmecke.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 21. Dezember 2017: Art. 7 EUV gegen Polen / Keine Scheidung nach der Scharia / Uber ist Verkehrsdienstleister . In: Legal Tribune Online, 21.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26139/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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