Die juristische Presseschau vom 2. bis 4. Dezember 2017: Ein­zel­haft von Deniz Yücel gelo­ckert / Dis­kus­sion um § 219a StGB / Das Love­pa­rade-Ver­fahren beginnt

04.12.2017

Deniz Yücel ist nicht mehr in Einzelhaft – er kann jetzt zumindest einen Mitgefangenen treffen. Außerdem in der Presseschau: SPD-, Grünen- und Linkenfraktion wollen § 219a abschaffen und am Freitag beginnt das Loveparade-Verfahren.

 

Thema des Tages

Deniz Yücel – Einzelhaft gelockert: Am Sonntag hat der Rechtsanwalt des seit Februar in der Türkei inhaftierten Journalisten Deniz Yücel mitgeteilt, dass die Haftbedingungen seines Mandanten gelockert worden seien. Wie Montags-Welt (Daniel-Dylan Böhmer) berichtet, ist Yücel in eine Zelle verlegt worden, die über einen kleinen Innenhof mit zwei anderen Zellen verbunden ist. In einer davon sitzt der Journalist Oğuz Usluer, der für die türkische Tageszeitung "Habertürk" gearbeitet hat. Bundesjustizminister Heiko Maas begrüßte die Lockerung, wies aber auch darauf hin, dass die Bemühungen für eine Freilassung von Deniz Yücel unvermindert fortgesetzt werden.

In der vergangenen Woche hat die türkische Regierung die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geforderte Stellungnahme abgegeben. Deniz Yücel hatte dort Beschwerde gegen seine Inhaftierung erhoben. U.a. die Samstags-SZ (Wolfgang Janisch), taz.de (Christian Rath) und Samstags-Welt (Daniel-Dylan Böhmer, gekürzte Fassung hier) fassen die Argumente der türkischen Regierung zusammen. Diese ist der Ansicht, dass die Ermittlungen gegen Yücel nichts mit seiner Tätigkeit als Journalist zu tun haben. Vielmehr bestehe der dringende Verdacht, dass Yücel in Einklang mit den Zielen von Terrororganisationen gehandelt und "Propaganda zugunsten der Terrororganisation verbreitet und Handlungen ausgeführt habe, um einen Konflikt zwischen türkischen und kurdischen Gesellschaftsgruppen anzuzetteln".

Gigi Deppe (SWR) meint in ihrem Kommentar, dass die Stellungnahme offenbare, wie wenig die Verantwortlichen von Pressefreiheit verstünden. Sie zeige auch das vordemokratische Verständnis in der Türkei: Einen Regierungschef dürfe man nicht kritisieren, schon gar nicht auf polemische Weise.

Rechtspolitik

Hintertür für digitale Geräte: Bundesinnenminister Thomas de Maizière will, dass private Computer, heimische Fernseher und alle anderen digitalen Geräte bereits von den Herstellern mit einer Hintertür ausgestattet werden, die Geheimdiensten und der Polizei den Zugriff erlaubt. Das gehe aus einer Beschlussvorlage für die in dieser Woche stattfindende Innenministerkonferenz hervor, heißt es auf netzpolitik.de (Markus Reuter). Frank Rieger, Sprecher des Chaos Computer Clubs (CCC), der in dem Artikel zitiert wird, hält die Pläne für einen "Frontalangriff auf die digitale und physische Sicherheit aller Bürger". Der Zwang zu Software-Hintertüren bedeute, dass in Zukunft jedes Alltagsgerät ganz legal aus der Ferne zu einer Geheimdienst-Wanze gemacht werden könne.

Diskussion um § 219a StGB: SPD-, Grünen- und Linkenfraktion im Bundestag wollen laut Samstags-SZ (Ulrike Heidenreich, Ronen Steinke) den § 219a StGB, der die Werbung für einen Schwangerschaftsabbruch unter Strafe stellt, abschaffen. Bundesjustizminister Heiko Maas hat sich der Forderung angeschlossen. Auch auf Landesebene gebe es eine entsprechende Initiative – wie der Spiegel (Ann-Katrin Müller) meldet, bereitet der Berliner Justizsenator Dirk Behrendt einen Bundesratsentwurf vor. Strikt gegen die Abschaffung ist die CSU. Einer Meldung der Montags-FAZ (Reinhardt Müller) zufolge hat sich der bayerische Innenminister Winfried Bausback hier klar positioniert. Eine Aufhebung des Werbeverbots hätte nach Bausbacks Ansicht zur Folge, "dass Schwangerschaftsabbrüche regulierungsfrei beworben werden dürften – und sei es in noch so anstößiger und kommerzialisierender Art und Weise". Das sei mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unvereinbar, heißt es in der FAZ.

Berliner Neutralitätsgesetz: Wie der Tagesspiegel (Ulrich Zawatka-Gerlach) berichtet, haben sich die Berliner Grünen auf ihrer Landesmitgliederversammlung für eine Änderung des Neutralitätsgesetzes ausgesprochen. Muslimischen Lehrerinnen solle es künftig erlaubt sein, in der Schule ein Kopftuch zu tragen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei ein "pauschales Kopftuchverbot nicht mehr zu halten", heißt es in dem am Sonnabend gefassten einstimmigen Beschluss.

Bert Schulz (Montags-taz) kommentiert den Beschluss. Zwar meint auch er, dass die bisherige Regelung rechtlich kaum mehr haltbar sei, fordert aber zunächst eine breite gesellschaftliche Diskussion, in der es um belastbare Regelungen gehen müsse, vor allem aber um die Frage des Vertrauens in Religionen, womit nicht nur der Islam gemeint sei.

Rückkehrrecht in Vollzeittätigkeit: In der Montags-SZ spricht sich der Wirtschaftswissenschaftler Enzo Weber dafür aus, nach einer Absenkung der wöchentlichen Arbeitszeit auch ein Rückkehrrecht in die Vollzeittätigkeit gesetzlich vorzusehen. Das diene nicht nur dem Arbeitnehmer selbst, sondern auch dem Arbeitgeber und der Volkswirtschaft insgesamt.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 2. bis 4. Dezember 2017: Einzelhaft von Deniz Yücel gelockert / Diskussion um § 219a StGB / Das Loveparade-Verfahren beginnt . In: Legal Tribune Online, 04.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25827/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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