Das BVerwG stärkt die journalistischen Auskunftsrechte gegenüber dem BND. Außerdem in der Presseschau: Der GBA hat Anklage gegen den Hamburger Messerstecher erhoben und die taz hat ein Interview mit Deniz Yücel geführt.
Thema des Tages
BVerwG zur Auskunftspflicht gegenüber Journalisten: Wie der Spiegel (Ralf Neukirch) mitteilt, hat das Bundesverwaltungsgericht in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren festgestellt, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) unter bestimmten Umständen offenlegen muss, ob er Informationen an Journalisten weitergegeben hat. Anlass war die Klage eines Berliner Journalisten, der wissen wollte, ob Journalisten über Erkenntnisse zum Putschversuch in der Türkei informiert wurden, bevor sich der Präsident des BND im Spiegel dazu öffentlich geäußert hatte. Die Montags-taz (Christian Rath) erläutert den Fall ausführlich. Danach habe sich der BND erfolglos auf den Quellenschutz der Journalisten berufen. Das BVerwG war der Auffassung, dass sich nur Medien und Journalisten auf die Pressefreiheit berufen könnten. Ob der BND die Journalisten informiert hat, sei „keine geheimhaltungsbedürftige Tatsache“. Der Autor stellt auch andere Verfahren, die der Kläger Jost Müller-Neuhof geführt hat, vor: Unter anderem hat er im vergangenen Jahr ein Verfahren gegen das Kanzleramt angestrengt, weil er wissen wollte, welche Journalisten an vertraulichen Hintergrundrunden mit der Kanzlerin teilnehmen und was ihnen Angela Merkel dabei erzählt. Das Hauptsacheverfahren steht hier ebenfalls noch aus.
Rechtspolitik
Arbeitszeitgesetz: Die so genannten Wirtschaftsweisen haben die Politik aufgefordert, das Arbeitszeitgesetz zu lockern. „Flexiblere Arbeitszeiten sind wichtig für die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen“, sagte Christoph Schmidt, der Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, gegenüber der WamS (Tobias Kaiser, Zusammenfassung hier). Auch die Arbeitgeberverbände haben ihre Forderung nach einer Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes wiederholt. "Die Firmen wollen weg vom starren Acht-Stunden-Tag", wird etwa der Präsident der Deutschen Bundesarbeitgeberverbände Ingo Kramer in dem Text zitiert. Die Gewerkschaften befürchten dagegen, dass die Lockerung zu einer Ausweitung der Arbeitszeiten führt.
Abschaffung der sachgrundlosen Befristung: Der Arbeitnehmerflügel der CDU hat sich für eine Abschaffung der sachgrundlosen Befristung im Arbeitsrecht ausgesprochen. Das meldet die Montags-FAZ. Außerdem soll es künftig einen Rückkehranspruch aus der Teilzeit in die Vollzeit geben.
Justiz
BVerfG zum "dritten Geschlecht": Mit den möglichen Auswirkungen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum "dritten Geschlecht" befassen sich u.a. der Spiegel (Georg Diez/Dietmar Hipp), der Spiegel (Barbara Supp) und die Samstags-SZ (Roland Preuss). Die Samstags-SZ (Barbara Klimke) beleuchtet besonders die Situation im Hochleistungssport, wo die Fragestellung der geschlechtlichen Zuordnung bereits häufiger eine Rolle gespielt hat. Im Interview mit dem Spiegel (Katja Thimm) und in einem Gastbeitrag für die Montags-SZ plädiert der Theologe und Ethikprofessor Peter Dabrock für eine breite Diskussion über die Rollenbilder in unserer Gesellschaft und deren Aufweichung. Die FAS (Friedrike Haupt) blickt zurück auf die geschichtliche Entwicklung – angefangen vom "Zwitterparagraphen" des Allgemeinen Preußischen Landrechts bis zur jetzt vorliegenden Verfassungsgerichtsentscheidung. In der FAS (Lucia Schmidt) erzählt die Mutter eines intersexuellen Kindes über ihren Alltag.
EuGH – Facebook: Am Dienstag wird der Generalstaatsanwalt seine Schlussanträge im Facebook-Verfahren vorstellen. Darauf weist die Montags-FAZ hin. Die Luxemburger Richter müssen darüber entscheiden, ob eine österreichische Sammelklage gegen das in Irland ansässige Unternehmen auch von Österreich aus geführt werden kann oder ob am Sitz von Facebook geklagt werden muss. Das Verfahren hat der Österreicher Maximilian Schrems eingeleitet, der in einer Sammelklage mehr als 20.000 Kläger vereinigt hat.
GBA – Anklage gegen Hamburger Messerstecher: Die Samstags-SZ meldet, dass der Generalbundesanwalt Anklage gegen den mutmaßlichen Messerstecher, der in einem Hamburger Supermarkt einen Menschen getötet und weitere Personen verletzt haben soll, erhoben hat. Der 26jährige Palästinenser muss sich wegen Mordes und sechsfachen versuchten Mordes verantworten. Der Prozess könnte im Januar beginnen, heißt es in dem Bericht. Der Spiegel (Wolf Wiedmann-Schmidt) zeichnet noch einmal die Vorkommnisse des 28. Juli nach und erläutert die Erkenntnisse des GBA.
BVerwG – Elbvertiefung: Die Samstags-taz (Marco Carini) gibt einen Ausblick auf die für kommenden Donnerstag und Freitag geplante mündliche Verhandlung in Sachen Elbvertiefung. Es geht um Klagen der niedersächsischen Städte Cuxhaven und Otterndorf sowie dreier Jagdverbände und zahlreicher Berufsfischer gegen den entsprechenden Planfeststellungsbeschluss. Der Beitrag weist darauf hin, dass durch eine geänderte Besetzung des Spruchkörpers das Gericht möglicherweise zu anderen Ergebnissen kommt als in früheren Entscheidungen zu diesem Thema.
EuGH – Kirchenmitgliedschaft als Einstellungskriterium: Auf lto.de befasst sich Rechtsprofessor Steffen Klumpp mit den Schlussanträgen des Generalanwaltes des Europäischen Gerichtshofes im Fall Egenberger. Es geht im Verfahren um die Frage, in welchem Maße die Religionszugehörigkeit ein Kriterium bei der Einstellung eines Arbeitnehmers in eine kirchliche Einrichtung sein darf. Generalanwalt Tanchev meint, dass die Entscheidung der Kirchen zur Bewerberauswahl nach der Religion gerichtlich voll überprüfbar sei – und nicht lediglich nach den eigenen Vorgaben der Kirchen auf Plausibilität. Folgt der Gerichtshof dieser Auffassung, würde das einen Paradigmenwechsel bedeuten, meint der Autor. Professor Markus Stoffels stellt auf community.beck.de die Schlussanträge ausführlich vor.
BVerfG zu parlamentarischem Fragerecht: Juniorprofessor Arne Pilnok stellt auf verfassungsblog.de noch einmal die wesentliche Argumentation des Bundesverfassungsgerichtes in der in der letzten Woche veröffentlichten Entscheidung zum parlamentarischen Fragerecht dar. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Entscheidung insgesamt eine wichtige Stärkung der parlamentarischen Verwaltungskontrolle bedeute, auch wenn manche der aufgeworfenen dogmatischen Fragen weiterer kritischer Erörterung bedürften.
BAG zu Kündigungsfristen: In "Beruf und Chance" der FAS stellt Rechtsanwältin Anja Mengel eine neue Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes zur Wirksamkeit einer deutlich über die gesetzliche Regelung hinausgehenden Kündigungsfrist vor. Die Erfurter Richter haben festgestellt, dass eine in den AGB verlängerte Kündigungsfrist für den Arbeitnehmer auch dann eine unangemessene Benachteiligung sein kann, wenn die Kündigungsfrist für den Arbeitgeber in gleicher Weise verlängert wird. Das gelte auch, wenn dem Arbeitnehmer eine üppige Gehaltserhöhung zugesagt wurde.
SG Koblenz zur Sittenwidrigkeit eines Eigenheimverkaufs: Das Sozialgericht Koblenz hat laut lto.de einer arbeitslosen Frau den Bezug von Hartz-IV-Leistungen versagt. Die Frau bewohnte ein 150-qm-Eigenheim und galt deshalb nicht als vermögenslos. Sie wollte daher das Haus auf ihren Anwalt transferieren. Das Sozialgericht erkannte den Kauf aber nicht an, weil er nur geschlossen worden sei, um sich zu Lasten der Allgemeinheit zu bereichern.
Illegales Downloadportal abgeschaltet: Wie lto.de meldet, wurde in der vergangenen Woche das illegale Downloadportal "usenetrevolution.info" abgeschaltet. Gleichzeitig wurden in mehreren Bundesländern Razzien durchgeführt und umfangreiches Beweismaterial sichergestellt. Über die deutschsprachige Seite sollen Raubkopien von Kinofilmen, Musik und Computerspielen angeboten worden und dadurch den Inhabern der jeweiligen Urheberrechte ein Schaden von mindestens 2,9 Millionen Euro entstanden sein.
Recht in der Welt
Spanien – hohe Kaution für katalanische Parlamentspräsidentin: Die Samstags-SZ (Sebastian Schoepp) berichtet, dass die katalanische Parlamentspräsidentin Carme Forcadell angesichts einer drohenden U-Haft zurückgerudert ist und vor dem obersten Gericht in Madrid ausgesagt habe, dass die "Sache mit der Unabhängigkeit im Prinzip nur symbolisch" gewesen sei. Die Richter blieben davon jedoch unbeeindruckt und legten eine Kautionssumme von 150.000 Euro fest. Die Höhe ergebe sich aus der Fluchtgefahr und daraus, dass Forcadell bis dato als eine der radikalsten Verfechterinnen des Separatismus galt.
In einem separaten Kommentar zieht Sebastian Schoepp (Samstags-SZ) eine Verbindung zu den früheren ETA-Verfahren. Genau wie seinerzeit würden die spanischen Gerichte kein Pardon kennen, wenn es um Separatismus gehe. Der Autor meint jedoch, dass selbst wenn das harte Vorgehen juristisch angezeigt wäre, es doch für die Einheit Spaniens gefährlich sei. Die harsche Behandlung ihrer gewählten Vertreter sei auch für jene Katalanen schwer erträglich, die Separatismus skeptisch sehen.
Türkei – Interview mit Deniz Yücel: Die Samstags-taz (Doris Akrap) hat dem seit 270 Tagen inhaftierten Welt-Korrespondenten Deniz Yücel über seine Anwälte einige Fragen stellen können. Er spricht über die Einzelhaft, den Einfluss des Staatspräsidenten auf seinen Prozess, seine Anwälte und das Beschwerdeverfahren gegen seine Inhaftierung vor dem Europäischen Gerichtshof und nicht zuletzt über seine Hoffnung auf Gerechtigkeit.
USA – Weinstein-Anwalt Benjamin Brafman: Die FAS (Corinna Budras) stellt den Strafverteidiger Benjamin Brafman vor, der seit kurzem zum Anwaltsteam des Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein gehört. Der New Yorker, der auch schon Dominique Strauss-Kahn verteidigt hat, soll Weinstein gegen eine etwaige Anklage wegen einer Vergewaltigung im Jahre 2010 vertreten.
Griechenland – Urteil gegen früheren Statistiker: Wie die Montags-FAZ (Philip Plickert) berichtet, ist der frühere griechische Statistikamtschef Andreas Georgiou, der Ende 2010 falsche Statistiken seiner Vorgänger korrigiert hatte, wegen übler Nachrede zu einer Schadensersatzzahlung in Höhe von 10.000 Euro verurteilt worden. Ihm wurde vorgeworfen, in einer Pressemitteilung 2014 gefragt zu haben, warum er angeklagt werde für korrekte Statistiken, während gegen jene, die für falsche Daten über die griechischen Haushaltsdefizite bis 2009 verantwortlich sind, nicht ermittelt werde.
Sonstiges
Haben Roboter Rechte? Auf lto.de befassen sich Rechtsanwalt Thomas Klindt und wissenschaftlicher Mitarbeiter Nico Kuhlmann mit einer möglichen künftigen Rechtsfähigkeit einer "Elekronischen Person". Auch wenn ein eigener Rechtsstatus für Roboter noch Zukunftsmusik ist, sei es nicht unvorstellbar, dass beim Fortschreiten der gegenwärtig bereits beeindruckenden Entwicklungen autonome Systeme irgendwann eine eigene Rechtsfähigkeit zugesprochen bekommen, meinen die Autoren.
Gesellschaft für Freiheitsrechte: Anlässlich der Verleihung des pro-reo-Preises des Deutschen Anwaltvereins an die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) interviewt lto.de (Annelie Kaufmann) den Vorsitzenden der GFF, den Berliner Richter Ulf Buermeyer. Der Verein wurde vor zwei Jahren gegründet, um mit strategischen Prozessen gegen die Einschränkung von Grundrechten vorzugehen. Buermeyer stellt in dem Interview die Ziele und die bisherigen Verfahren vor.
Selbstanzeige und Rauswurf bei ZGR und ECFR. Der Bundestagsabgeordnete und Rechtsprofessor Heribert Hirte hat seine Herausgeberstellung bei der Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (ZGR) und der European Company and Financial Law Review (ECFR) verloren. Das meldet njw.de. Hintergrund ist eine Selbstanzeige Hirtes wegen aus dessen Sicht finanzieller Unregelmäßigkeiten. Die übrigen Herausgeber kritisieren Hirtes "Alleingang" als "unkollegial".
Palandt: Anlässlich der bevorstehenden 77. Auflage des BGB-Kommentars "Palandt" hat der Verlag C.H.Beck laut einem Bericht der Montags-SZ (Ronen Steinke) angekündigt, "auf den vorderen Seiten einen Hinweis anzubringen, der in einer Kurzfassung die Vita von Herrn Palandt in ihrer ganzen Problematik wiedergibt". Dieser Hinweis soll auch einen Link enthalten, unter dem ergänzende Informationen auf der Homepage für jedermann zugänglich sind. Umbenannt werden, wie von Kritikern gefordert, soll das Standartwerk allerding nicht.
Rechtsgeschichte – Der Fall Adele Spitzeder: Die Samstags-SZ (Harald Freiberger) erinnert an die Schauspielerin Adele Spitzeder, die vor 145 Jahren verhaftet wurde, weil sie mit einem ausgefuchsten Betrugssystem mehr als 30.000 Münchener um ihr Gespartes brachte. Sie war die Erste, die einen so genannten "Schneeballtrick" anwandte.
Rechtsgeschichte – die Anfänge der Kriminalistik: Martin Rath hat für lto.de das "Handbuch für Untersuchungsrichter. System der Kriminalistik", das Hans Gross im Jahr 1893 veröffentlichte, gelesen und darin "neben solider Darstellung von modernen wissenschaftlichen Methoden" auch allerlei "krude Ausführungen" gefunden.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/pf
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage
Die juristische Presseschau vom 11. bis 13. November 2017: BVerwG stärkt journalistisches Auskunftsrecht / GBA klagt Messerstecher an / taz befragt Deniz Yücel . In: Legal Tribune Online, 13.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25489/ (abgerufen am: 19.04.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag