Die Kommission schlägt die längerfristige Durchführung von Grenzkontrollen in den EU-Staaten vor. Außerdem in der Presseschau: BGH entschied bei Verwertungskündigung für den Mieter. Bernhard Schlink erörtert den Begriff der Leitkultur.
Thema des Tages
Schengener Grenzkodex: Die EU-Kommission hat sich für eine Änderung des Schengener Grenzkodex ausgesprochen, damit Grenzkontrollen in den EU-Staaten längerfristig durchgeführt werden können. Wie die SZ (Thomas Kirchner) und die FAZ (Michael Stabenow) erklären, sollen die Staaten zukünftig Grenzkontrollen für zwölf statt wie bislang für sechs Monate einführen dürfen. Außerdem soll der neue Paragraph § 27a des Grenzkodex ermöglichen, dass diese in Halbjahresschritten bis zu maximal drei Jahren verlängert werden können. Voraussetzung ist, dass "entsprechende außergewöhnliche nationale Maßnahmen wie die Verhängung des Ausnahmezustands im Hoheitsgebiet" getroffen wurden. Eine Bedrohungslage allein reicht hingegen nicht aus. Die Kommission will auch ein Programm zur Aufnahme von weiteren 50.000 anerkannten Flüchtlingen starten und es mit 500 Millionen Euro aus dem EU-Haushalt unterstützen. Ferner soll die Grenzschutzagentur Frontex personell gestärkt werden, um die Mitgliedstaaten bei Rückführungen von Asylbewerbern aktiv unterstüzen zu können. Die Mitgliedstaaten und das EU-Parlament müssen den Kommissionsvorschlägen noch zustimmen.
Rechtspolitik
Strafprozessordnung: Die FAZ (Constantin van Lijnden) und lto.de berichten, dass auf dem 2. Strafkammertag konkrete Vorschläge zur Reform des Strafprozessrechts gemacht wurden. Die teilnehmenden Richter sprachen sich für ein verbindliches Beschwerdeverfahren bei Besetzungsrügen aus, sodass Mängel bei der Besetzung des Gerichts nicht wie bisher erst in der Revisionsinstanz erfolgreich angegriffen werden können. Zudem soll die Anzahl der Nebenklagevertreter auf einen pro Todesopfer reduziert werden. Die Richter regten auch eine Fristverlängerung zur Behandlung von Befangenheitsanträgen auf zwei Wochen an.
EU-Digitalgipfel: Aus Anlass des bevorstehenden EU-Digitalgipfels in Tallinn berichtet das Hbl über die Vorschläge der EU-Kommission und einiger Mitgliedstaaten wie Deutschland, Italien und Spanien, schärfere Reglungen für die Digitalwirtschaft einzuführen. Es wird unter anderem ein Rechtsrahmen gefordert, der der Entstehung von Datenmonopolen und dem Missbrauch von Marktmacht auf den digitalen Märkten wirksam entgegenwirken soll. Zudem müssten Regeln zum Umgang mit "Hate Speech" und gefälschten Markenartikeln erlassen werden.
EU-Reform: Rechtsprofessor Franz Mayer kommentiert auf verfassungsblog.de die Europa-Rede Emmanuel Macrons an der Sorbonne und erläutert die Ausführungen des französischen Präsidenten zu den Schlüsselbegriffen Souveränität, Einheit und Demokratie. Der Autor lobt, dass die Rede eine Vielzahl konkreter Vorschläge zum Beispiel zur Umstrukturierung der EU-Institutionen enthält und betont, dass sie in den Koalitionsverhandlungen in Deutschland eine Rolle spielen werde.
Justiz
BGH zu Verwertungskündigung: Ein Vermieter kann zwar laut § 673 BGB zum Zwecke einer "sinnvollen wirtschaftlichen Verwertung" kündigen, wenn ihm andernfalls "erhebliche Nachteile" für seine Immobilie entstünden, als "erheblichen Nachteil" lässt der Bundesgerichtshof aber noch nicht gelten, wenn das bestehende Mietverhältnis die "Gewinnoptimierung" des Vermieters behindere, berichten die SZ (Wolfgang Janisch) und die BadZ (Christian Rath). Im konkreten Fall hatte eine Kommanditgesellschaft gekündigt, weil sie das Haus abreißen wollte, damit sich ein benachbartes Modehauses erweitern kann. Die Vermietung-KG sei zwar personalidentisch mit der Modehaus-KG, es komme aber nur auf Nachteile der Vermietungs-KG an, die nicht substantiiert vorgetragen worden seien.
BVerfG verhängt Missbrauchsgebühr: Das Bundesverfassungsgericht hat laut lto.de (Tanja Podolski) eine Missbrauchsgebühr in maximaler Höhe, 2.600 Euro, gegen einen Anwalt verhängt, der im Namen eines afghanischen Asylantragstellers eine einstweilige Anordnung beantragt hatte. Der Anwalt hatte den Eindruck erweckt, seinem Mandant drohe die Abschiebung mit der Sammelabschiebung am 12. September, obwohl ihm das vorherige Untertauchen seines Mandanten bekannt war.
BVerfG zu Beleidigung von Richter: Ein Anwalt, der von einem ostdeutschen Amtsgericht wegen Beleidigung eines Richters verurteilt worden war, hatte laut lawblog.de (Udo Vetter) beim Bundesverfassungsgericht Erfolg. Der Anwalt hatte die Verhandlungsführung eines Richters als "Musikantenstadl" bezeichnet.
OLG Köln zu 1 & 1: Der Telekommunikationsanbieter 1 & 1 darf ab sofort nicht mehr den Werbeslogan "Das beste Netz gibt's bei 1&1" verwenden. So lautet der Inhalt einer einstweiligen Verfügung, die das Oberlandesgericht Köln erlassen hat. Vorausgegangen war ein Eilantrag der konkurrierenden Deutschen Telekom, da der Slogan 1 & 1 als Inhaberin eines eigenen, unabhängigen Netzes suggeriere und deshalb irreführend sei. Tatsächlich greift 1 & 1 für die Kundenversorgung jedoch wesentlich auf die Netze anderer Anbieter wie der Telekom zurück. lto.de berichtet.
OVG Berlin-Brandenburg – Wannsee-Flugrouten: Nachdem das Bundesverwaltungsgericht die ursprünglichen Urteile aufgehoben hat, muss das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg erneut über die Wannsee-Fugrouten entscheiden. Wie der Tsp (Jost Müller-Neuhof) berichtet, geht es dabei um das Absturzrisiko über dem auf der Route liegenden Forschungsreaktor des Helmholtz-Zentrums sowie die Gefahr einer Flugzeugkaperung durch Terroristen und eines gezielten Absturzes auf diesen Reaktor.
VGH Mannheim – Open Access: Dürfen Universitäten ihre Professoren zwingen, ihre veröffentlichten Erkenntnisse frei verfügbar zu machen? Der wissenschaftliche Mitarbeiter Hanjo Hamann und die Studentin Fabienne Graf schildern auf lto.de den Verlauf einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim zu dieser Frage. Erörtert wird die Gesetzgebungskompetenz des Landes Baden-Württemberg, seine Universitäten zum Erlass von Satzungen zur Ausübung des sogenannten Zweitveröffentlichungsrechts aus § 38 Abs. 4 UrhG zu ermächtigen.
VG Hamburg – G-20-Gewahrsam: Wie spiegel.de (Ansgar Siemens) meldet, hat eine Gruppe von G-20-Gegnern, die der sozialistischen Jugendorganisation "Die Falken" angehören, Schadensersatzklage gegen die Stadt Hamburg eingereicht. Das Verwaltungsgericht Hamburg hatte jüngst festgestellt, dass sie während des Gipfels zu Unrecht in Gewahrsam genommen wurden. Angekündigt wurden weitere Klagen, weil die Betroffenen im Polizeigewahrsam menschenunwürdig behandelt worden seien.
Recht in der Welt
Thailand – Freiheitsstrafe für Ministerpräsidentin a.D.: Das oberste Gericht Thailands hat die ehemalige Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die Politikerin wurde wegen Verschwendung von Steuergeldern und Korruption schuldig gesprochen. Einer Meldung von spiegel.de zufolge erging das Urteil in Abwesenheit, da sich die ehemalige Ministerpräsidentin bereits ins Ausland abgesetzt hatte.
Türkei – deutsche Gefangene: Rechtsanwalt Johannes Eisenberg spricht sich in der taz dafür aus, dass deutsche Strafverfolgungsbehörden zu den "Geiselnehmern" deutscher Gefangener in der Türkei ermitteln sollten. Die deutschen Gefangenen seien aufgrund des Weltrechtsprinzips auch in der Türkei durch die deutsche Rechtsordnung geschützt. Als Handlungsmöglichkeiten könnten Haftbefehle aufgrund von Fluchtgefahr gegen die Täter verhängt und auf dieser Grundlage "Red Notices" an Interpol gegeben werden.
Völkerrechtmäßigkeit von Sezessionen: zeit.de (Jochen Bittner) befasst sich mit den völkerrechtlichen Regelungen zur Sezession eines Volkes von seinem Mutterstaat. Es gehe immer darum, das Selbstbestimmungsrecht der Völker und den Grundsatz der Staatsstabilität in Ausgleich zu bringen. Die Rechtmäßigkeit der (geplanten) Sezessionen Kosovos, Kataloniens, der Krim und der Kurdenregion im Irak wird anhand dessen untersucht.
Sonstiges
Bernhard Schlink zu Integration: In einem Gastbeitrag für die FAZ stellt sich Bernhard Schlink die Frage, was für eine gelingende Integration entscheidend ist und setzt sich dabei mit dem Begriff der Leitkultur auseinander. Für eine Alltags- als Leitkultur komme es vor allem auf das Handeln von Polizei und Schule an.
Soziale Medien am Arbeitsplatz: EFAR (Silvio Fricke) präsentiert das Ergebnis seiner ersten "Blogparade". Arbeitsrechtsblogger hatten auf Aufforderung Beiträge zum Thema "Soziale Medien am Arbeitsplatz" verfasst.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/man
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 28. September 2017: EU-Kommission will Grenzkontrollen verlängern / BGH zu Verwertungskündigungen / Bernhard Schlink . In: Legal Tribune Online, 28.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24751/ (abgerufen am: 25.04.2024 )
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