Der Bundesrat hat zahlreiche Gesetze und Verordnungen gebilligt. Außerdem in der Presseschau: Das Bundesverwaltungsgericht hält Berliner Richterbesoldung für verfassungswidrig und Torschlusspanik bei beA-Karte ist vermeidbar.
Thema des Tages
Bundesrat: In der letzten Sitzung während der 18. Legislaturperiode des Bundestages hat der Bundesrat noch zahlreiche Gesetze gebilligt. lto.de und Samstags-FAZ (Manfred Schäfers/Hendrik Wieduwilt) geben einen Überblick. So kann nun das Gesetz zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren in Kraft treten, ebenso die Strafverschärfungen für nicht genehmigte Kraftfahrzeugrennen im Straßenverkehr und die Änderung des Telemediengesetzes, nach der künftig die Störerhaftung für Anbieter öffentlicher WLAN-Netzwerke entfällt. Außerdem wurde der Änderung der Straßenverkehrsordnung zugestimmt: Wer künftig für Polizei- und Hilfskräfte keine Rettungsgasse bildet, muss mit einem Bußgeld bis zu 200 Euro rechnen.
Die BadZ (Christian Rath) erläutert, was der Wegfall der Störerhaftung bei offenen WLAN-Netzen genau bedeutet. So können sich beispielsweise Rechteinhaber auch weiterhin gegen illegale Downloads über offene Netzwerke wenden. Sie müssen dabei allerdings zunächst gegen den Betreiber der entsprechenden Tauschbörse oder, wenn das nicht möglich ist, gegen den Host-Provider dieser Tauschbörse vorgehen. Erst als letzte Möglichkeit kommt eine gerichtliche Anordnung in Betracht, mit der der WLAN-Betreiber verpflichtet wird, etwa den Zugang zu illegalen Tauschbörsen zu sperren.
Rechtspolitik
Legislativer Schöffendienst: Als Ausgleich zur diskutierten Verlängerung der Legislaturperiode und der damit verbunden sinkenden Beteiligung des Volkes schlägt Martin Rath auf lto.de vor, nicht allein über die Einführung plebiszitärer Elemente auf Bundesebene zu sprechen – einem langjährigen Anliegen mehrerer im 19. Deutschen Bundestag vertretener Parteien. Als Alternative zur Einführung plebiszitärer Gesetzgebung im Bund regt er an, über ein parlamentarisches Gremium nachzudenken, dessen Mitglieder aus der Gesamtbevölkerung per Los bestimmt werden könnten. Ein solches Gremium würde unter anderem vermeiden, dass sozial schwächer gestellte Bevölkerungsgruppen unterrepräsentiert blieben – ein Phänomen, das nicht nur bei Wahlen, sondern auch bei Volksabstimmungen auftrete.
Justiz
BVerfG – Gewerbesteuer: Das HBl weist auf die heutige mündliche Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht zur Gewerbesteuer hin. Die Brauerei Beck hatte geklagt, weil sie in den unterschiedlichen, jeweils von den Gemeinden festgelegten Hebesätzen einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz sieht.
BVerfG zur psychiatrischen Unterbringung: Die Montags-taz (Jan Zier) erläutert einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, mit dem festgestellt wurde, dass die angeordnete Unterbringung der Beschwerdeführerin ihre Grundrechte verletzt habe. Die Karlsruher Richter bescheinigten ihren Bremer Kollegen, dass die entsprechenden Beschlüsse die "gebotene Begründungstiefe" nicht erreichten und dass sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht "wesentliche Umstände gänzlich außer Betracht gelassen" hätten.
BVerwG zur Beamtenbesoldung: lto.de (Annelie Kaufmann) sowie die Samstags-FAZ in zwei separaten Artikeln (Hendrik Wieduwilt), (Constantin Baron van Lijnden) befassen sich mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Besoldung von Berliner Beamten. Es ging um Landesbeamte der Besoldungsgruppen A9 bis A12 sowie um Richter der Gruppen R1 bis R3. Die Richter des Bundesverwaltungsgerichts erklärten die Besoldung in den Jahren von 2008 bzw. 2009 bis 2015 als für zu niedrig. Hinsichtlich der Berliner Richterschaft befanden die Leipziger Richter, dass die vom Bundesverfassungsgericht geforderte qualitätssichernde Funktion der Besoldung nicht mehr gewährleistet sei. Das Bundesverwaltungsgericht hat die entsprechenden Verfahren jetzt dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt.
VG Berlin zu "Die Partei": Christian Rath (taz.de) kommentiert die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Berlin zu der von der Partei "Die Partei" veranstalteten Aktion "Geld kaufen". Die Berliner Richter hatten in der vergangenen Woche entschieden, dass "Die Partei" der Bundestagsverwaltung weder Zuschüsse zurückzahlen noch Strafzahlungen wegen der Aktion leisten muss. Dass die genutzte Lücke im Parteiengesetz zwischenzeitlich geschlossen worden sei, sei zumindest auch auf "Die Partei" zurückzuführen, meint der Autor. Insgesamt sei das Ganze erfolgreiche Realsatirepolitik gewesen.
OVG NRW zur Mindestgröße eines Polizisten: Rechtsanwältin Sarah Nußbaum erläutert auf lto.de die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen zur Mindestgröße bei der Einstellung in den Polizeidienst des Landes. Geklagt hatte ein Mann, dem mit 1,66 Metern zwei Zentimeter zur geforderten Mindestgröße fehlten. Das Gericht hatte entschieden, dass der Erlass des Innenministeriums, in dem die Mindestgröße für Frauen und Männer festgelegt wurde, rechtswidrig sei.
AG Frankfurt/Main zur Mietpreisbremse: Das Amtsgericht Frankfurt am Main meint, dass die Mietpreisbremse verfassungskonform ist. Damit widersprechen sie dem Landgericht Berlin, das in der vergangenen Woche im Rahmen eines Hinweisbeschlusses die Auffassung vertrat, dass die Mietpreisbremse gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße. Die Norm diene einem legitimen Zweck, nämlich in Gebieten mit besonderer Gefährdungslage die Miethöhe zu dämpfen und der direkten oder indirekten Verdrängung wirtschaftlich weniger leistungsfähiger Bevölkerungsgruppen entgegenzuwirken, wird das AG Frankfurt/M. von lto.de zitiert. Auch die Samstags-FAZ (Helmut Schwan) berichtet ausführlich über die Entscheidung und ihre Begründung.
OLG Celle zur Leihmutterschaft: Die Montags-SZ (Wolfgang Janisch) befasst sich am Beispiel einer jetzt bekanntgewordenen Entscheidung des Oberlandesgerichtes Celle vom Mai diesen Jahres mit der Rechtslage zur Leihmutterschaft in Deutschland. Während der Bundesgerichtshof im Jahr 2014 die Elternschaft eines homosexuellen Paares für ein durch eine Leihmutter ausgetragenes Kind anerkannte, versagte das OLG Braunschweig diese Anerkennung einem heterosexuellen Paar im April 2017. Das OLG Celle nun wiederum meint, dass die Anerkennung der im Ausland rechtmäßig erworbenen Elternschaft zwingend sei. Würde man die Elternschaft nur deshalb nicht anerkennen, um das Leihmutterwesen unattraktiv zu machen, heißt es im Artikel, würde im Gegenzug eine konkrete Familie als "Mittel zum Zweck" missbraucht. Eine solche Instrumentalisierung der konkreten Eltern-Kind-Beziehung – zur Abschreckung anderer Paare, die mit dem Leihmutterwesen liebäugelten – verstoße gegen den Schutz der Menschenwürde im Grundgesetz.
AG Hamburg zu G-20-Ausschreitungen: Jurastudent Sina Aaron Moslehi widmet sich auf lto.de der ersten Entscheidung zu den G-20-Ausschreitungen, in der der Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt wurde. Der Autor kritisiert insbesondere die mündlichen Ausführungen des Richters in der Urteilsverkündung und auch die Strafhöhe.
VG Hamburg zur widerrechtlichen Festsetzung von Anti-G-20-Demonstranten: Wie die Montags-taz (Andreas Wyputta) berichtet, hat das Verwaltungsgericht Hamburg festgestellt, dass die Ingewahrsamnahme von 44 jungen Leuten, darunter Mitglieder der Falken, der Grünen Jugend, der Gewerkschaftsjugend und der alevitischen Jugend, die am 8. Juli auf dem Weg zu der Demonstration "Grenzenlose Solidarität statt G20" waren, widerrechtlich war. Die Polizei hatte den Bus zunächst auf einen Rastplatz, später dann zur Gefangenensammelstelle eskortiert. Dort waren die Insassen mehrere Stunden festgehalten worden.
AG Nienburg zum Blockieren eines LKW: Weil er sich auf einen LKW gesetzt hatte, um diesen an der Weiterfahrt zu hindern, wurde ein Tierrechtsaktivist, der damit gegen die industrielle Massenproduktion von Fleisch protestieren wollte, vom Amtsgericht Nienburg wegen Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten ohne Bewährung verurteilt. Die Montags-taz (Martin Kaul) berichtet, dass der zuständige Richter in der Urteilsbegründung dem Aktivisten vorwirft, "in der Unrechtstradition politischer Straßenkämpfer wie der SA (zu stehen), derer Methoden er sich hier im Kern bedient hat".
Christian Rath (Montags-taz) hält diesen Vorwurf für "völlig absurd". Es habe sich um eine klassische Aktion symbolischen Widerstands gehandelt, die nach den üblichen Regeln bestraft werde. Die politischen Ziele dieser Aktion seien aber nicht als strafverschärfend zu bewerten – und schon gar nicht unter Bezug auf im Kern falsche und darüber hinaus bodenlos diffamierende SA-Vergleiche.
EuGH – Privatscheidung: Die Privatdozentin am Max-Planck-Institut Nadjma Yassari erläutert auf verfassungsblog.de die Regeln der Rom-III-Verordnung und die Schlussanträge des Generalanwalts im Verfahren Sahyouni. Generalanwalt Saugmandsgaard Øe empfiehlt dem EuGH, Privatscheidungen nicht der Rom III-VO zu unterstellen und damit nicht anzuerkennen. Die Autorin hofft dagegen, dass der EuGH dem Generalanwalt nicht folgt.
OLG Celle – Verfahren gegen Abu Walaa: Die Montags-taz (Sabine am Orde) gibt einen Ausblick auf den am Dienstag beginnenden Prozess gegen Abu Walaa, den die Ermittler für den "Repräsentanten des IS in Deutschland" halten. Ihm wird u.a. die Mitgliedschaft bzw. Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung vorgeworfen.
LG Essen – Klage gegen Flugschule des Germanwings-Piloten: Nach Angaben des Spiegel haben mehr als hundert Angehörige beim Landgericht Essen Klage gegen die US-amerikanische Flugschule von Lufthansa eingereicht. Sie werfen der Flugschule vor, Lufthansa nicht mitgeteilt zu haben, dass der Pilot wegen schwerer Depressionen nur mit einer Sondergenehmigung seine Ausbildung habe beenden können und verlangen Schmerzensgeld für den Tod ihrer Familienmitglieder in Höhe von jeweils 55.000 Euro.
Recht in der Welt
Anzeige gegen syrische Geheimdienstler: Laut des Spiegel (Jörg Diehl/Martin Knobbe u.a.) hat ein Militärpolizeifotograf mit dem Pseudonym "Caesar" gemeinsam mit dem Berliner Menschenrechtsanwalt Wolfgang Kaleck dem Generalbundesanwalt knapp 27.000 Bilder von Opfern des Assad-Regimes übergeben. Sie sollen Anzeigen gegen zahlreiche Führungsleute des syrischen Geheimdienstes unterstützen, denen vorsätzliche Tötung, Folter und Zufügung schwerer körperlicher oder seelischer Schäden als Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen werden.
Frankreich – Arbeitsrechtsreform: In einem Gastkommentar setzt sich im HBl der Vorsitzende des Centrums für Europäische Politik Lüder Gerken mit den Reformen im französischen Arbeitsrecht auseinander, die in dieser Woche in Kraft treten. Er stellt die Neuregelungen kurz vor und mahnt zusammenfassend die Umsetzung der geplanten flankierenden Maßnahmen an: die Reform der Berufsausbildung sowie der Arbeitslosen-, Sozial- und Rentenversicherung.
Juristische Ausbildung
Bachelorstudium: Die Samstags-Welt (Richard Diesing) beleuchtet die Berufschancen nach Abschluss eines Jura-Bachelor-Studiums. Zwar suchten Arbeitgeber in Stellenanzeigen bisher oft nur nach Volljuristen, dennoch sei auch die Jobsuche für Bachelor-Absolventen kein großes Problem.
Sonstiges
Besonderes elektronisches Anwaltspostfach: lto.de (Pia Lorenz) erinnert daran, dass die Bundesnotarkammer angekündigt hat, die für die Inbetriebnahme des besonderen elektronischen Anwaltspostfaches erforderliche Chipkarte nur bei einer Bestellung bis Ende September zuverlässig vor dem 1. Januar 2018 liefern zu können. Ab dann sind Rechtsanwälte verpflichtet, Zustellungen und den Zugang von Mitteilungen über das besondere elektronische Anwaltspostfach zur Kenntnis zu nehmen.
Mietpreisbremse: Die WamS (Michael Fabricius) beleuchtet die Diskussion um die Mietpreisbremse und stellt dabei das Portal "www.wenigermiete.de" vor.
Wahlrecht – Überhangmandate: Jurastudent Jerome Schröder befasst sich auf verfassungsblog.de mit der Frage der Überhangmandate und erläutert dabei das Sitzzuteilungsverfahren nach § 6 Bundeswahlgesetz.
Brexit als Geschäftsmodell: Wie der Spiegel (Michaela Schießl) berichtet, haben Anwaltskanzleien den Brexit als neues Geschäftsmodell entdeckt. Es geht um Investitionsschutzklagen, die Firmen, die durch den Brexit Nachteile erleiden, erheben könnten. Mehrere Kanzleien böten ihren Kunden an, das ausgeschiedene Königreich als Basis zu nutzen, um EU-Mitgliedstaaten zu verklagen. Als Grundlage würden bilaterale Abkommen zwischen Großbritannien und EU-Ländern dienen.
Interview mit Rechtsanwalt Hubertus Kolster: Der Gründer der Initiative "Gesichter der Demokratie" Sven Lilienström führt auf der Seite www.faces-of-democracy.org ein Interview mit dem Managing Partner der Anwaltskanzlei CMS Deutschland Dr. Hubertus Kolster über Wahlbeteiligung, kulturelle Vielfalt am Arbeitsplatz und die Wertvorstellungen von Rechtsanwälten.
Das Letzte zum Schluss
Der Schnee in Nachbars Garten: Das Amtsgericht München musste in einem Nachbarschaftsstreit schlichten: Einer warf dem anderen vor, aus Boshaftigkeit beim Schneeschippen immer noch eine Schippe draufzulegen – und zwar auf seinem, des Nachbarn Grundstück. Das AG München sah den Fall laut lto.de gelassen: ein, zwei Schippen Schnee seien noch keine Beeinträchtigung des Grundstückseigentums. Schließlich seien es ja letztlich nur ein paar Liter Wasser.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/pf
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 25. September 2017: Bundesrat billigt Regelungen aus 18. Legislaturperiode / BVerwG zur Richterbesoldung / beA-Karte . In: Legal Tribune Online, 25.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24679/ (abgerufen am: 19.04.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag