Die StA Mühlhausen ermittelt gegen Alexander Gauland wegen seiner Äußerung zu Aydan Özoğuz. Außerdem in der Presseschau: Maas äußert sich zu Mietrechtsreform, Musterfeststellungsklage und NetzDG und der Prozess gegen Marcel H. hat begonnen.
Thema des Tages
StA Mühlhausen *) – Ermittlungen gegen Gauland: Die Staatsanwaltschaft Mühlhausen ermittelt gegen den AfD-Spitzenkandidaten Alexander Gauland wegen des Verdachts der Volksverhetzung. Gauland hatte bei einer Wahlkampfveranstaltung in Bezug auf die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoğuz, geäußert, man soll sie "in Anatolien entsorgen". Daraufhin hatten mehrere Personen Strafanzeige erstattet, unter anderem der ehemalige Bundesrichter Thomas Fischer. zeit.de und spiegel.de (Dietmar Hipp/Christian Teevs) berichten.
Rechtspolitik
Maas zu Mietrecht, Musterfeststellungsklage und Netzwerkdurchsetzungsgesetz: Im Interview mit dem Deutschlandfunk (Gudula Geuther) verteidigt Heiko Maas (SPD), Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz, das von ihm initiierte Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Nicht zufrieden zeigt er sich dagegen damit, dass die zweite Mietrechtsreform und das Gesetz zur Musterfeststellungsklage bisher am Widerstand von CDU/CSU gescheitert sind.
Asylrecht: Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat sich laut Montags-FAZ (Günther Bannas), die sich auf ein Interview in der Rheinischen Post bezieht, für ein einheitliches Asylsystem in der Europäischen Union ausgesprochen. Bisher seien die Aufnahmebedingungen in Deutschland im europäischen Vergleich großzügig und die Leistungen für Flüchtlinge hoch, damit entstünde ein "Sogeffekt" nach Deutschland.
Reinhard Müller (Montags-FAZ) sieht den Vorschlag des Innenministers skeptisch. Insbesondere bei den Verfahren müssten die Standards erhalten bleiben – jeder Fall müsse geprüft werden und Rechtsschutz müsse möglich sein.
Außenwirtschaftsrecht: Die Montags-FAZ (Hendrik Wieduwilt) berichtet über Pläne der EU, künftig die Ausfuhr von Gütern zu erschweren, die zu Menschenrechtsverletzungen genutzt werden können. Als Beispiel wird im Beitrag der sogenannte IMSI-Catcher genannt, mit dem sich Dritte in die digitale Kommunikation einschleichen und SMS fälschen, Telefone orten, verfolgen und abhören und Notrufsysteme blockieren können.
In einem separaten Kommentar weist Hendrik Wieduwilt (Montags-FAZ) darauf hin, dass nach dem geplanten neuen Recht Sachbearbeiter in Deutschland entscheiden müssten, ob hinsichtlich der zu exportierenden Güter eine menschenrechtswidrige Nutzung drohe. Damit würde der Staat erneut die rechtliche Bewertung teilprivatisieren.
Entgelttransparenzgesetz: Der Spiegel (Susanne Amann/Isabell Hülsen u.a.) setzt sich mit den Lücken im neuen Entgelttransparenzgesetz auseinander. So sieht die Neuregelung beispielsweise bei Tariflöhnen nur eingeschränkte Auskunftsrechte der Interessierten vor.
Berliner Zweckentfremdungsverbot: lto.de beleuchtet die Auslegung des Berliner Zweckentfremdungsverbotes, das eine Weitervermietung von Wohnraum nur in bestimmten Grenzen erlaubt. Möglicherweise sei das Gesetz weiter auszulegen als bisher angenommen, heißt es im Artikel. Anlass ist der Fall eines Mandanten der Kanzlei Redeker, Sellner, Dahs, dem die Vermietung seiner sonst selbst genutzten Wohnung für ein halbes Jahr vom zuständigen Bezirksamt erlaubt wurde. Nach Auffassung der Kanzlei sei der Fall verallgemeinerungsfähig und bedeute eine Kehrtwende beim Berliner Zweckentfremdungsverbot.
Digital Economy: Rechtsprofessor Reto M. Hilty widmet sich in der Montags-SZ der Frage, wem Daten gehören – beispielsweise jene, die heute in der Automobilindustrie eine große Rolle spielten. Er sieht den Vorstoß von Verkehrsminister Dobrindt, der solche nicht-personengebundenen Daten Sachen gleichstellen und damit handelbar machen will, skeptisch. Er befürchtet, dass ein deutscher Alleingang die heimische Industrie benachteiligen könne. Wenn überhaupt etwas reguliert werden müsse, verlange ein digitaler Binnenmarkt nach europäischem Recht.
Gnisa-Buch: In der Montags-SZ rezensiert der Journalist Rolf Lamprecht das Buch von Jens Gnisa "Das Ende der Gerechtigkeit. Ein Richter schlägt Alarm" und findet dabei kaum ein positives Wort über die Ausführungen des Richterbund-Vorsitzenden. Argumente oder eine stichhaltige Beweisführung seien seine Sache nicht, er agiere lieber wie ein politischer Draufgänger, meint Lamprecht.
*) Korrigiert in Mühlhausen.
Justiz
BSG zur Erstattung gesetzlicher Rentenbeiträge: Martin W. Huff widmet sich auf lto.de der Entscheidung des Bundessozialgerichts, der zufolge ein "nicht versicherungspflichtiger" selbständiger Rechtsanwalt kein Recht auf Erstattung der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung vor Erreichen der Regelaltersgrenze hat.
BGH zu richterlichem Arbeitstempo: Die Samstags-FAZ (Marlene Grunert) geht noch einmal auf die Entscheidung des BGH im Fall des Richters Thomas Schulte-Kellinghaus ein, der wegen seiner Erledigungsquote im Rahmen der Dienstaufsicht gerügt wurde und sich dagegen wehrte. Am Donnerstag hatten die Karlsruher Richter festgestellt, dass ein Richter zwar grundsätzlich zu einer ordnungsgemäßen, unverzögerten Erledigung der Amtsgeschäfte gemahnt werden dürfe, die richterliche Unabhängigkeit aber beeinträchtigt sei, wenn ihm ein Pensum abverlangt werde, das sich sachgerecht nicht mehr bewältigen lasse.
Marlene Grunert (Samstags-FAZ) meint in ihrem separaten Kommentar, dass der Fall Missstände in der Justiz offengelegt habe. Der gerichtliche Alltag sei längst von haushaltspolitischen Maßgaben und Effizienzbestrebungen geprägt. "Durchschnittszahlen" als Anhaltspunkt für dienstliche Beurteilungen könnten jedoch nur ein Indiz von vielen sein können. Es gehe darum, die Maßstäbe der Effizienz angemessen zu gewichten. Für Jost Müller-Neuhof (Tagesspiegel) dürfen sich die "Antreiber unter den Gerichtspräsidenten" bestärkt fühlen. Sie hätten aber darauf zu achten, dass die Güte der Verfahren nicht unter der vorgegebenen Eile leidet.
LG-Bochum – Mordprozess Marcel H.: Wegen des Mordes an einem neunjährigen Jungen und an einem Bekannten muss sich seit Freitag Marcel H. verantworten. Der Neunzehnjährige hat bereits gegenüber der Polizei gestanden, Anfang März zwei Menschen auf heimtückische, grausame Weise getötet und in der Wohnung seines zweiten Opfers einen Brand gelegt zu haben. Der Fall hatte seinerzeit für besonderes Aufsehen gesorgt, weil Marcel H. Bilder von sich und seinen toten Opfern im Internet veröffentlichte. Unter anderem die FAS (Reiner Burger), die Samstags-SZ (Christian Wernicke) und spiegel.de (Silke Fokken) berichten vom Prozessauftakt.
LG Hamburg – Wölbern-Prozess: Der frühere Generalbevollmächtigte von Wölbern Invest und zwei Rechtsberater des früheren Chefs der Fondsgesellschaft müssen sich vor dem Landgericht Hamburg wegen des Vorwurfs der Beihilfe zur Untreue sowie Untreue im besonders schweren Fall verantworten. Wie die Samstags-FAZ (Marcus Jung) berichtet, sollen sie insgesamt 147 Millionen Euro aus verschiedenen Immobilienfonds der Wölbern-Gruppe abgezweigt und zweckwidrig in ein schwer durchschaubares System aus Privat- und Geschäftskonten weitergeleitet haben.
AG Hamburg zu G-20-Ausschreitungen: Das Amtsgericht Hamburg hat einen 21-jährigen Franzosen zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt. Das berichtet spiegel.de. Dem Angeklagten war vorgeworfen worden, Flaschen auf Polizisten geworfen und gegen seine Festnahme gewaltsam Widerstand geleistet zu haben. Er wurde wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung, des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte sowie des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte schuldig gesprochen.
StA Berlin – Anzeige gegen Merkel: Ein Berliner Rechtsanwalt hat nach Angaben des Spiegel Strafanzeige gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel gestellt. Er wirft der CDU-Politikerin Untreue vor, da ihre Partei für Flüge zu Wahlkampfauftritten nur einen Bruchteil der bei Bundeswehr und Polizei entstandenen Kosten erstatten würde. Laut Artikel zahlt Merkel für sich und ihre Mitarbeiter im Wahlkampf jeweils nur den Preis eines Business-Class-Tickets der Lufthansa von rund 500 Euro pro Strecke, wenn sie die Flugbereitschaft der Bundeswehr nutzt. Die tatsächlichen Kosten für eine Flugstunde lägen jedoch deutlich höher. Die Staatsanwaltschaft Berlin prüfe die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens.
StA Berlin – Anzeigen gegen Facebook-Schmähungen erfolglos: Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) ist, wie die Montags-SZ (Ronen Steinke) berichtet – erneut mit einem Versuch gescheitert, sich gerichtlich gegen Schmähungen bei Facebook zu wehren. Die Politikerin hatte Strafanzeige wegen Beleidigung gegen einen Facebook-Nutzer gestellt. Das Ermittlungsverfahren wurde jetzt eingestellt, weil die "herabwürdigende Äußerung aufgrund der restriktiven Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Schmähkritik im Ergebnis nicht strafbar" sei.
OVG NRW Preisbindung bei Apotheken: lto.de befasst sich mit einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes Nordrhein-Westfalen zur Preisbindung für Apotheken. Zwei Apothekerinnen hatten Gutscheine für Geschenkpapier bzw. Kuschelsocken verteilt, die bei Abgabe eines Rezeptes eingelöst werden konnten. Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe sah darin einen Verstoß gegen die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel und erhielt sowohl vom Verwaltungsgericht als auch vom Oberverwaltungsgericht recht.
Recht in der Welt
Türkei – Verfahren gegen Cumhuriyet: Heute wird in der Türkei der Prozess gegen Mitarbeiter der Zeitung Cumhuriyet fortgesetzt. Wie die Montags-taz (Jürgen Gottschlich) berichtet, findet der weitere Prozess nun nicht mehr im Istanbuler Gerichtsgebäude in Calayan, sondern in einem Gerichtssaal im Hochsicherheitsgefängnis in Silivre statt. Die Organisation Reporter ohne Grenzen kritisiert, dass damit der Zugang der Öffentlichkeit zum Prozess erheblich eingeschränkt werde.
EuGH zu Flüchtlingsquote: Auf verfassungsblog.de beleuchten die Rechtsanwältinnen Anita Rozália Nagy-Nádasdi und Barbara Kőhalmi (in englischer Sprache) noch einmal die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zum Verteilschlüssel für Flüchtlinge und die ungarische Vorgeschichte dazu.
Indien – Scheidungsrecht: Auf verfassungblog.de erläutert der Rechtsstudent Karlson Leung (in englischer Sprache) die Entscheidung des Obersten Gerichts Indiens, mit dem die Sofortscheidung nach islamischen Recht für verfassungswidrig erklärt wurde.
USA – Einreiseverbot: Die Samstags-FAZ (Andreas Ross) meldet, dass US-Präsident Donald Trump den U.S. Supreme Court gegen die Entscheidung eines Bundesberufungsgerichtes anrufen will, das die Einreiseverbote für Flüchtlinge und Bürger aus sechs muslimischen Ländern weiter eingeschränkt hatte. Die Richter entschieden am Donnerstag, dass Flüchtlingen die bereits geplante Einreise nicht verwehrt werden könne, heißt es im Artikel.
USA – VW-Skandal: Laut Samstags-SZ will der von einem US-Gericht verurteilte VW-Ingenieur James L. Rechtsmittel gegen die Entscheidung einlegen. L. war wegen Beteiligung an einer Verschwörung zum Betrug und Verstoß gegen Umweltgesetze zu einer Haftstrafe von drei Jahren und vier Monaten sowie einer Geldstrafe von 200.000 Dollar verurteilt worden. Wie es in dem Beitrag heißt, sind die Rechtsmittel allerdings begrenzt, da L. sich bei einem Deal mit den Strafverfolgern schuldig bekannt hatte.
Spanien – katalanische Unabhängigkeit: Wie die Samstags-taz (Reiner Wandler) berichtet, hat das Verfassungsgericht in Madrid in der Nacht vom Donnerstag auf Freitag auf Antrag der konservativen Regierung von Mariano Rajoy das Referendumsgesetz für ungültig erklärt. Das Gesetz, das die Durchführung eines Referendums für eine Unabhängigkeit Kataloniens regelt, war nur einen Tag zuvor vom katalanischen Parlament verabschiedet worden. Der Generalstaatsanwalt hat angekündigt, Polizei nach Katalonien zu schicken, falls am 1. Oktober dennoch Urnen aufgestellt werden.
Der Madrider Europa- und Verwaltungsrechtsprofessor Daniel Sarmiento weist auf verfassungsblog.de darauf hin, dass ein Referendum nach derzeitigem spanischen Verfassungsrecht nicht vorgesehen ist. Die EU sollte, so Sarmiento, nachdrücklich auf die Einhaltung der Verfassungen der Mitgliedstaaten dringen. Man könne sich kein weiteres Land leisten, in dem der Rechtsstaat in Frage gestellt werde.
Frankreich – letzte Exekution vor 40 Jahren: Die Samstags-FAZ (Michaela Wiegel) erinnert an die Abschaffung der Todesstrafe in Frankreich. 1981 fasste die französische Nationalversammlung den entsprechenden Beschluss, vier Jahre zuvor hatte die letzte Vollstreckung stattgefunden.
Sonstiges
Legal Tech: Der Leiter des Geschäftsbereichs Legal Digital Information bei Wolters Kluwer Ingo Mahl gibt auf lto.de einen Überblick über die wichtigsten Entwicklungen und Anbieter auf dem Legal-Tech-Markt.
Palandt: Die Montags-SZ (Ronen Steinke) berichtet über eine Initiative, die sich für die Umbenennung des "Palandt" einsetzt. Otto Palandt war einer der einflussreichsten Juristen in der Nazizeit. Er war NSDAP-Mitglied, Präsident des Reichsjustizprüfungsamtes sowie ein enger Vertrauter des späteren Volksgerichtshofs-Präsidenten Roland Freisler. Wie es in dem Artikel heißt, habe der Verlag C.H. Beck, in dem der "Palandt" erscheint, bisher nur mit knappen Worten reagiert: Entscheidend sei, dass der Name des Werkes schon früh losgelöst von der Person Palandt ein Eigenleben entwickelte und sich über mehrere Generationen hinweg in Wissenschaft und Praxis etabliert habe.
Sonderbundkrieg: Martin Rath (lto.de) blickt zurück auf den sogenannten Sonderbundkrieg, die letzte militärische Auseinandersetzung auf dem Gebiet der Schweiz und den ersten und letzten Anwendungsfall des Schweizer Militärstrafgesetzbuches von 1838.
Das Letzte zum Schluss
Unglück im Glück: Ein teures Handy zu finden, mag ein Glücksfall sein. Wenn man es dann noch behalten darf, weil sich der Eigentümer nicht meldet, scheint das Glück perfekt. Scheint, denn das Amtsgericht München hat dem Finder eines Apple-Smartphones einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht. Das Gericht hat brutal die Hoffnung zerstört, das gefundene Handy jemals nutzen zu können, denn Apple sei nicht verpflichtet, das Telefon freizuschalten. Im Wesentlichen hatten die Richter – so berichtet es lto.de – datenschutzrechtliche Bedenken. Immerhin bestehe nach einer Freischaltung Zugriff auf sämtliche auf dem Telefon befindlichen Daten des ursprünglichen Eigentümers. Genau dies solle das Sperren des Smartphones doch gerade verhindern, heißt es in der Mitteilung des Gerichts.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/pf
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 9. bis 11. September 2017: Ermittlungen gegen Gauland / Maas-Interview im Deutschlandfunk / Mordprozess gegen Marcel H. . In: Legal Tribune Online, 11.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24423/ (abgerufen am: 24.04.2024 )
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