Die juristische Presseschau vom 16. August 2017: Vor­la­ge­ver­fahren wegen EZB-Anlei­hen­käufen / BGH zu IP-Adressen / USA – Daten­ab­frage

16.08.2017

Das BVerfG befragt den EuGH zur Rechtmäßigkeit von EZB-Anleihenkäufen. Außerdem in der Presseschau: IP-Adressen sind nicht per se personenbezogene Daten und das US-Justizministerium fordert 1,3 Millionen Nutzerdaten einer Website an.

Thema des Tages

BVerfG zu EZB-Anleihenkäufen: Das Bundesverfassungsgericht bezweifelt die Rechtmäßigkeit der Staatsanleihenkäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) und hat deshalb ein entsprechendes Verfahren dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt. Es bestünden Zweifel, ob der Beschluss zum Public Sector Purchase Programme (PSPP) mit dem Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung vereinbar sei, wird die Entscheidung begründet. Die EZB kauft seit 2015 Staatsanleihen und andere Wertpapiere zur Beeinflussung von Inflation und Konjunktur. FAZ (Philip Plickert/Hendrik Wieduwilt), SZ (Markus Zydra), taz (Christian Rath), Welt (Holger Zschäpitz) und zeit de berichten. Den Karlsruher Richtern liegen drei Verfassungsbeschwerden vor, Beschwerdeführer sind u.a. der AfD-Gründer Bernd Lucke und der frühere CSU-Politiker Peter Gauweiler. Unter anderem swr.de (Gigi Deppe) erinnert daran, dass sich das Bundesverfassungsgericht bereits schon einmal mit dem Kauf von Staatsanleihen zu beschäftigen hatte. Damals ging es um das sogenannte OMT-Programm, der EuGH befand dazu, dass die EZB zwar Papiere von kriselnden Staaten aufkaufen dürfe, allerdings nur unter bestimmten Bedingungen.

Joachim Wieland (lto.de) meint, dass wenig dafür spreche, dass der zweite Versuch den EuGH zu einer durchgreifenden Änderung seiner Rechtsprechung bewegen werde. Zu erwarten seien aus Luxemburg lediglich einige mahnende Worte, die das BVerfG dann in seinem Schlussurteil noch einmal verschärfen werde. Auch Klaus Hempel (ard.de) geht nicht davon aus, dass der EuGH die EZB stoppen wird. Es gehe vielmehr darum, dass der EuGH bestimmte Spielregeln vorgebe, wenn die EZB in einer solchen Dimension Anleihen kauft. Für Christian Rath (taz) dreht es sich tatsächlich um verdeckte Staatsfinanzierung und eine verdeckte Förderung von Banken, die gegen die EU-Verträge verstoßen, die aber auch von allen Regierungen so gewollt seien. Reinhard Müller (FAZ) sieht das Verfahren als notwendige Erinnerung der mächtigen Organe der EU an die Grundlagen und Vereinbarungen – die EZB sei unabhängig, aber nicht vom Recht. Und auch Holger Zschäpitz (Welt) meint, dass jetzt der EuGH der EZB die Grenzen ihrer Handlungsfreiheit aufzeigen müsse. Philip Plickert (FAZ) befürchtet, dass auch diesmal die EZB weitermachen werde wie bisher, sie werde die "juristische Klatsche" einfach ignorieren. Heribert Prantl (SZ) hofft auf ein gutes Zusammenspiel zwischen den Gerichten in Karlsruhe und Luxemburg: Das deutsche Verfassungsgericht sei, was die Rechtskontrolle der EU-Organe und der EZB betrifft, fordernd; der Europäische Gerichtshof zurückhaltend, aber bereit, den Karlsruher Forderungen entgegenzukommen.

Im Interview mit dem Hbl (Robert Landgraf) widmet sich Rechtsanwalt Christoph Schalast der Frage, wie sich das Bundesverfassungsgericht und wie die Bundesregierung verhalten würden, wenn der Europäische Gerichtshof die Rechtmäßigkeit der Staatsanleihen-Aufkäufe verneinen sollte.

ard.de (Frank Bräutigam/Benedikt Plesker) beantworten häufig gestellte Fragen zum Verfahren. Die FAZ (Reinhard Müller) porträtiert den Berichterstatter in diesem Verfahren, den Bundesverfassungsrichter Peter Huber.

Rechtspolitik

Finanzbeziehungen Bund-Länder: Wie die SZ meldet, hat der Bundespräsident das Gesetzespaket zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen trotz verfassungsrechtlicher Zweifel unterzeichnet. Bundespräsident Steinmeier kritisierte im Zusammenhang mit der Autobahngesellschaft die Möglichkeit der Rückübertragung der Verwaltungsaufgaben vom Bund auf die Länder, heißt es.

Unterhaltsrecht: Die Änderungen im Unterhaltsvorschussrecht sind in Kraft getreten. Darauf weist die FAZ (Dietrich Creutzburg) hin. Künftig erhalten alleinerziehende Mütter oder Väter, deren ehemaliger Partner keinen Unterhalt für das Kind zahlt, mehr Geld vom Staat. Allerdings würden die Jugendämter etwas Zeit brauchen, jeden einzelnen Fall zu bearbeiten, wird Katarina Barley (SPD), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, zitiert.

Waffenrecht: Die Sächsische Staatsregierung hat die Einrichtung von Waffenverbotszonen ermöglicht und dazu eine neue Verordnung beschlossen. Es gehe um Bereiche, in denen gehäuft Straftaten unter Waffeneinsatz begangen werden, wie Raub, Körperverletzungen, Bedrohungen und Sexualdelikte, heißt es auf zeit.de unter Bezugnahme auf eine Mitteilung der Staatsregierung. Die Polizei habe die Möglichkeit, in solchen Zonen nach Polizeirecht zu kontrollieren und auch Durchsuchungen vorzunehmen. Bei Verstößen drohten Bußgelder bis zu 10.000 Euro.

Kirchenasyl: Die SZ berichtet, dass in einer gemeinsamen Stellungnahme die drei bayerischen Generalstaatsanwaltschaften am Montag erklärt haben, dass sie in Bezug auf das sogenannte Kirchenasyl keine Weisungen der Regierung erhalten haben und dass auch künftig das Legalitätsprinzip und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Richtschnur für die Staatsanwaltschaften seien.

Ehe für alle: Die Rechtswissenschaftlerin Judith Sikora (juwiss.de) befasst sich noch einmal mit dem jüngst beschlossenen Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts. Die Autorin hält eine klarstellende Verfassungsänderung für wünschenswert, es sei allerdings fraglich, ob dafür im Bundestag die erforderliche Zweidrittelmehrheit zustande käme. Solange aber Karlsruhe keine gegenteilige Entscheidung getroffen habe, gelte einstweilen die (einfach-) gesetzgeberische Vorstellung, dass gleichgeschlechtliche Eheschließungen bzw. Eheumwandlungen möglich seien.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 16. August 2017: Vorlageverfahren wegen EZB-Anleihenkäufen / BGH zu IP-Adressen / USA – Datenabfrage . In: Legal Tribune Online, 16.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23965/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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