Der BGH hat eine Verurteilung nach § 89a StGB wegen Ausreise nach Syrien bestätigt. Außerdem in der Presseschau: Lindner fordert Abschaffung des VW-Gesetzes und erstmals kommen US-Psychologen wegen Folter in CIA-Gefängnissen vor Gericht.
Thema des Tages
BGH zur Ausreise in den Jihad: Wie u.a. die FAZ (Alexander Haneke) und lto.de berichten, hat der Bundesgerichtshof die Verurteilung eines Angeklagten wegen des Vorwurfes der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat bestätigt. Er wurde am Flughafen München festgenommen, als er sich nach Syrien begeben wollte, um sich dort im Umgang mit Waffen und Sprengstoffen ausbilden zu lassen und sich dann als Mitglied einer gegen den Staat Syrien gerichteten islamistischen Gruppierung an Kampfhandlungen zu beteiligen. Es ist das erste Verfahren, in dem sich der Bundesgerichtshof mit dem 2015 erweiterten § 89a Strafgesetzbuch (StGB) befasste. Seit der Gesetzesänderung macht sich auch strafbar, wer zum Zweck der Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat oder um sich in der Herstellung von oder im Umgang mit Schusswaffen, Sprengstoffen, Spreng- oder Brandvorrichtungen unterweisen zu lassen, aus der Bundesrepublik Deutschland ausreist, um sich in einen Staat zu begeben, in dem diese Unterweisungen erfolgen.
Reinhard Müller (FAZ) meint, dass es richtig gewesen sei, dass der Bundesgerichtshof die Revision des Angeklagten verworfen habe. Ein solcher Täter gefährde nicht nur das Regime, gegen das er im Ausland zu Felde ziehe, er gefährde durch die Aktivierung seiner extremistischen Ideologie Grundwerte auch dieses Landes.
Rechtspolitik
Rentenversicherungsrecht im Justizvollzug: Seit nunmehr 40 Jahren werde über die Einbeziehung von Strafgefangenen, die Pflichtarbeit leisten, in die Sozialversicherung diskutiert, erinnert Minou Banafsche auf juwiss.de. Sie untersucht die Rechtfertigung, die derzeit herangezogen wird, um eine Einbeziehung zu verweigern. Rechtlich sei es angesichts des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht zu beanstanden, Personen, die in Haft staatlich zugewiesene Tätigkeiten ausüben, nicht dem Schutz der Sozialversicherung zu unterstellen.
"Dieselgipfel": Rechtsprofessor Michael Klöpfer untersucht in der FAZ den Rechtscharakter der beim sogenannten Dieselgipfel in der vergangenen Woche getroffenen Verabredungen zwischen Politik und Autoindustrie. Er kommt zu dem Ergebnis, dass weder das "Ergebnisprotoll" noch die Begleitpapiere der Beteiligten einen Vertrag im Rechtssinne darstellten. Den Protokollbeteiligten habe offensichtlich der Rechtsbindungswille gefehlt und damit scheide eine gerichtliche Durchsetzung aus.
VW-Gesetz: Im Interview mit dem Hbl (Sven Afhüppe/Dana Heide) hat sich der FDP-Vorsitzende Christian Lindner für eine Abschaffung des VW-Gesetzes ausgesprochen. Der Staat solle VW komplett privatisieren, so seine Forderung.
Caspar Behme, Lehrstuhlvertreter an der Universität Osnabrück, befasst sich auf lto.de ebenfalls anlässlich der Diskussion um eine Einflussnahme von VW auf eine Regierungserklärung des niedersächsischen Ministerpräsidenten mit dem VW-Gesetz. Er meint, dass die durch das VW-Gesetz zementierten Einflussmöglichkeiten der Politik auf ein Industrieunternehmen nicht nur rechtspolitisch fragwürdig, sondern auch rechtlich problematisch seien. Die Koppelung von Ministerpräsidentenamt und Aufsichtsratsmandat zwinge den jeweiligen Amtsinhaber in eine dauerhafte Interessenkollision, die sich nun im "Abgas-Skandal" konkret auswirke: Laut seinem Amtseid als Ministerpräsident müsse er seine Kraft "dem Volke und dem Lande" widmen; seine Stellung als Aufsichtsratsmitglied verpflichte ihn auf das Unternehmensinteresse der Volkswagen AG.
Staatstrojaner: Das Hbl (Ina Karabasz) berichtet, dass der Bundesverband IT-Sicherheit Verfassungsbeschwerde gegen die jüngst verabschiedete gesetzliche Neuregelung zum Einsatz eines sogenannten Staatstrojaners erheben will. Man kämpfe wie die Weltmeister darum, alle Systeme so sicher wie möglich zu machen, und wenn der Staat da jetzt Löcher "reinhaue", werde das nicht funktionieren, wird der Vorstandsvorsitzende des Verbandes, Norbert Pohlmann, zitiert. Zwar müsse die Verfassungsbeschwerde noch durch eine Mitgliederversammlung abgesegnet werden, er könne sich jedoch nicht vorstellen, dass die Mehrheit der Mitglieder, zu denen auch Großkonzerne wie Microsoft, Siemens oder SAP gehören, dagegen stimme.
Christof Kerkmann (Hbl) meint in seinem Kommentar, dass es gut sei, wenn sich eine breite Opposition gegen die neuen Überwachungspläne bilde und es auf diese Weise doch noch eine breite Diskussion gebe. Diese Auseinandersetzung sei bei so einem technisch wie juristisch komplexen Thema dringend geboten.
Justiz
BVerfG zum Schriftzug auf Anwaltsrobe: Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde eines Rechtsanwalts nicht zur Entscheidung angenommen, mit der dieser sich gegen das Verbot wandte, im Gerichtssaal eine mit seinem Namen und dem Hinweis auf seine Webseite bestickte Robe zu tragen. Auf den Beschluss weist lto.de hin. Im Instanzenzug hatten bereits der Anwaltsgerichtshof Nordrhein-Westfalen und später auch der Bundesgerichtshof einen entsprechenden belehrenden Hinweis der Rechtsanwaltskammer bestätigt.
StA Hamburg – G-20-Ausschreitungen: Wie u.a. spiegel.de (Anna-Sophie Schneider) und FAZ (Matthias Wyssuwa) berichten, hat die Staatsanwaltschaft Hamburg die erste Anklage gegen einen mutmaßlichen Straftäter im Zusammenhang mit den G-20-Ausschreitungen erhoben. Es handelt sich um einen polnischen Staatsangehörigen, dem Verstöße gegen das Waffen-, Sprengstoff- und das Versammlungsrecht vorgeworfen werden. Der Prozess soll am 29. August beginnen. Insgesamt ermittelt die Hamburger Staatsanwaltschaft wegen der Ausschreitungen beim G-20-Gipfel in mehr als 160 Fällen.
LG Dessau – Mord an chinesischer Studentin: Nachdem das Landgericht Dessau in der vergangenen Woche den Vergewaltiger und Mörder einer chinesischen Studentin zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt hatte, kündigte die Staatsanwaltschaft jetzt an, gegen die Entscheidung Rechtsmittel einlegen zu wollen. Das meldet spiegel.de. Das Urteil entspreche zwar weitgehend den Forderungen der Staatsanwaltschaft, diese sei allerdings von einem gemeinschaftlich begangenen Mord ausgegangen und hatte auch zwei weitere Vergewaltigungen eines anderen Opfers angeklagt, heißt es im Artikel.
LG Krefeld zu Kenntnissen des VW-Vorstandes: Das Landgericht Krefeld ist der Überzeugung, dass der Vorstand von VW von der Manipulation der Dieselfahrzeuge wusste. Wie es in einer Vorabmeldung der NJW (Joachim Jahn) heißt, habe der Autokonzern in den Augen der Zivilkammer damit dem Motorenhersteller Audi geholfen, einen strafbaren Betrug zu begehen.
VG Düsseldorf zur Mindestkörpergröße bei der Polizei: lto.de, zeit.de, spiegel.de, lawblog.de und FAZ (Reiner Burger) stellen das Urteil des Verwaltungsgerichtes Düsseldorf vor, das entschieden hatte, dass die für die nordrhein-westfälische Polizei festgelegte Mindestkörpergröße von 1,68 m für Männer und 1,63 m für Frauen rechtswidrig ist. Die klagende Bewerberin für den gehobenen Polizeivollzugsdienst muss deshalb für das weitere Auswahlverfahren zugelassen werden. Regelungen, die eine Abweichung vom Prinzip der Bestenauslese vorsehen, müssten vom Parlament verabschiedet werden, so die Richter. Ein Verwaltungserlass genüge dafür nicht. Außerdem wurde gerügt, dass Männer und Frauen hinsichtlich der Körpergrößenanforderung unterschiedlich behandelt würden.
BVerfG – Gewerbesteuer: Die FAZ (Hendrik Wieduwilt) weist auf ein beim Bundesverfassungsgericht anhängiges Verfahren zur Gewerbesteuer hin. Es gehe um die Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung von Geschäftsanteilen durch Gesellschafter bei Personengesellschaften. Eine der Kernfragen ist dabei, ob die 2002 eingeführte Regelung wegen einer Bevorzugung natürlicher Personen gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt.
BVerfG – Studien-Numerus-clausus: zeit.de kündigt die mündliche Verhandlung des Bundesverfassungsgerichtes zum Numerus clausus (NC) im Studienfach Medizin an. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, das sich mit der Klage eines Medizinstudenten befasst, bezweifelt, dass die Regelungen zum NC mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Das Verwaltungsgericht beanstandet unter anderem, dass die Abiturnoten bundesweit nicht vergleichbar seien und es deshalb Landesquoten brauche.
LG Mannheim – Verfahren gegen Ex-Oberbürgermeisterin: Die taz (Benno Sieber), FAZ (Hendrik Wieduwilt), SZ (Josef Kelnberger) und das Hbl (Kevin Knitterscheidt) berichten über den Prozessauftakt gegen die frühere Pforzheimer Oberbürgermeisterin, ihren Stellvertreter und zwei Bankangestellte. Ihnen wird vorgeworfen, durch Zinswetten für die Stadt Pforzheim einen Schaden von insgesamt 56 Millionen Euro verursacht zu haben.
LG Kassel – Fall Metzler: Antrag auf Strafaussetzung: Der zu lebenslanger Haft verurteilte Mörder des Bankierssohns Jakob von Metzler will auf Bewährung freikommen, meldet spiegel.de. Im September 2002 hatte der Jurastudent Magnus Gäfgen den Frankfurter Bankierssohn in seine Gewalt gebracht und ihn später getötet. Rund 15 Jahre nach der Tat laufe beim Landgericht Kassel ein Antrag auf Aussetzung der Strafe zur Bewährung.
BFH zur Gemeinnützigkeit einer Freimaurerloge: Die Welt (Michael Gassmann) erläutert, warum Männergesangsvereine, Frauenchöre, Schützenbruderschaften und Burschenvereine nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs befürchteten, ihre Steuerbegünstigungen zu verlieren. Der BFH hatte einer Freimaurerloge die Gemeinnützigkeit abgesprochen, weil sie nur Männer aufnimmt.
Recht in der Welt
USA – Verfahren wegen Folter: Wie spiegel.de berichtet, müssen sich in den USA erstmals zwei Angeklagte wegen der Anwendung von Foltermethoden in Geheimgefängnissen ihres Landes vor Gericht verantworten. Zwei Psychologen, die maßgeblich an der Entwicklung umstrittener Verhörmethoden des US-Auslandsgeheimdienstes CIA beteiligt waren, werde ab September der Prozess gemacht, habe ein Gericht im Bundesstaat Washington entschieden. Initiator der Klage ist die amerikanische Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU).
Russland – Ex-Wirtschaftsminister vor Gericht: Die Welt (Julia Smirnova) und zeit.de berichten über ein Strafverfahren gegen den früheren russischen Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew, das gestern begonnen hat. Ihm wird Erpressung und Korruption vorgeworfen. Im Artikel heißt es, dass Kritiker der russischen Regierung davon ausgehen, dass die Verhaftung von Uljukajew auf Betreiben von Igor Setschin, Chef des Erdölriesen Rosneft, geschah, einem der engsten Vertrauten von Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Die Verhaftung passe zum Kurs der russischen Regierung, in Sachen Korruption demonstrativ gegen ranghohe Staatsdiener vorzugehen. In der FAZ (bet) wird auch auf das parallel laufende Schadensersatzverfahren von Rosneft gegen eine der größten Beteiligungsgesellschaften des Landes hingewiesen, in dem es um umgerechnet drei Milliarden Dollar geht.
Sonstiges
Lagebericht zur Organisierten Kriminalität: Das Bundeskriminalamt hat das diesjährige Bundeslagebild Organisierte Kriminalität veröffentlicht. Wie spiegel.de berichtet, ist danach der durch organisierte Kriminalität verursachte Schaden im vergangenen Jahr deutlich gestiegen, insgesamt sei die Zahl der Ermittlungsverfahren in diesem Bereich aber gesunken.
Dienstrecht – Polizeilicher Kollegenhandschlag: Rechtsanwältin Sarah Nußbaum widmet sich auf lto.de einem Sachverhalt, der jetzt Gegenstand eines Disziplinarverfahrens in Rheinland-Pfalz geworden ist. Ein Polizist hatte sich aus religiösen Gründen geweigert, eine Kollegin per Handschlag zu begrüßen. Die Autorin meint, dass schon die Einleitung eines Disziplinarverfahrens, also die Tatsache, dass die Behörde den Respekt gegenüber Kolleginnen offen einfordert, jedenfalls ein deutliches Signal sei.
"Bring Your Own Device": Rechtsanwältin Nina Marcus erläutert in der FAZ die rechtlichen Aspekte des BYOD, eines neuen Trends, für berufliche Zwecke private Smartphones, Tablets oder Computer zu benutzen. So habe beispielsweise der Arbeitnehmer grundsätzlich einen Anspruch auf Aufwendungsersatz, wenn er sein privates Endgerät als alleiniges Betriebsmittel zur Verfügung stelle.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/pf
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 9. August 2017: BGH zu § 89a StGB / VW-Gesetz / USA – Folter in Geheimgefängnissen . In: Legal Tribune Online, 09.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23865/ (abgerufen am: 23.04.2024 )
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