Die juristische Presseschau vom 22. bis 24. Juli 2017: Jus­tiz­re­form in Polen / BVerfG zu kurz­fris­tigen Abschie­bungen / Pro­zess­be­ginn gegen Cum­hur­iyet

24.07.2017

Justiz

BVerfG zu Überwachung durch BND: Das Bundesverfassungsgericht hat laut Samstags-FAZ eine Verfassungsbeschwerde der Vereinigung "Reporter ohne Grenzen" nicht zur Entscheidung angenommen. Die Organisation hatte dem Bundesnachrichtendienst vorgeworfen, im Rahmen der strategischen Fernmeldeüberwachung den E-Mail-Verkehr mit ausländischen Partnern, Journalisten und anderen Personen ausgespäht zu haben. Die Karlsruher Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass der Verein nicht glaubhaft genug dargelegt habe, dass er selbst von der Überwachung betroffen gewesen sei.

BVerfG zu Abschiebungen: Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Eilentscheidung in der vergangenen Woche festgestellt, dass Abschiebungen mit extrem kurzer Ankündigung nicht den Rechtsschutz der Betroffenen verkürzen dürfen. Die Montags-taz (Christian Rath) beschreibt den zugrundeliegenden Fall eines Nigerianers, der entgegen einer ärztlichen Stellungnahme, die eine Reisefähigkeit verneinte, kurzfristig abgeschoben werden sollte.

BVerwG zur brandenburgischen Arbeitszeitverordnung: Die Rechtsanwälte Silvia Lang und Nadine Kramer besprechen auf lto.de die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, in der festgestellt wurde, dass die brandenburgische Arbeitszeitverordnung Polizei, Feuerwehr, Justizvollzug gegen die EU-Arbeitszeitrichtlinie verstößt. Dabei wird auch die Frage behandelt, welche Auswirkungen Verstöße gegen arbeitszeitrechtliche Vorgaben in der Privatwirtschaft haben.

EuGH – Dublin-III-Verordnung: Im Fall Shiri hat die Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof ihre Schlussanträge gestellt. Es geht dabei um die Rechtsfolgen des Fristablaufes für die Durchführung einer Überstellungsentscheidung in den Mitgliedstaat, in dem zuerst ein Asylantrag gestellt wurde. Tanja Podolski erläutert auf lto.de den Fall und die sich stellenden Rechtsfragen.

BVerfG zum Informationsanspruch beim V-Leute-Einsatz: Auf verfassungsblog.de widmet sich Benjamin Rusteberg, Akademischer Rat an der Universität Freiburg, jetzt auch der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Informationsanspruch von Bundestagsfraktionen über den V-Leute-Einsatz im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat 1980. Er kritisiert dabei, dass der Zweite Senat seine Linie einer zunehmenden Abschottung, nicht nur der Bundesregierung, sondern sämtlicher Sicherheitsbehörden gegenüber einer parlamentarischen Kontrolle nahezu uneingeschränkt fortsetze.

OLG München – NSU-Prozess: Die Samstags-taz (Konrad Litschko) beschreibt André Eminger, der ebenfalls vor dem Oberlandesgericht München angeklagt ist und ein enger Vertrauter des NSU-Trios gewesen sein soll.

OLG Hamm zum Schmerzensgeld wegen Impotenz: Vor dem Oberlandesgericht Hamm ist eine Ehefrau damit gescheitert, Schmerzensgeld wegen einer fehlerhaften ärztlichen Behandlung ihres Ehemannes und einer darauf zurückzuführenden Impotenz einzuklagen. Wie lto.de berichtet, waren die Richter der Auffassung, dass der behauptete "faktische Verlust ihrer Sexualität" keine Verletzung ihres Körpers, ihrer Gesundheit oder ihres Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung darstelle.

BGH – Bausparverträge: Die Montags-SZ (Benedikt Müller) widmet sich noch einmal den beiden Verfahren um die Kündigung von Bausparverträgen, die in der vergangenen Woche durch Vergleiche beendet wurden. Der Autor bedauert diese Entwicklung, denn solange die Rechtslage nicht höchstrichterlich geklärt sei, könnten die Bausparkassen weiteren Kunden mit Bonuszinsen frühzeitig kündigen. Es müsse sich jetzt ein weiterer Kläger finden, der alle Instanzen beschreite, ohne ein etwaiges Vergleichsangebot anzunehmen. Er plädiert daher für die Einführung der Musterfeststellungsklage oder alternativ für eine erleichterte Sprungrevision.

Asylrecht I: Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat die Personalpolitik des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) kritisiert. Das Amt hatte im vergangenen Jahr per Stellenanzeige Volljuristen gesucht, die ausdrücklich keine praktischen Erfahrungen im Asyl- und Ausländerrecht haben sollten. Die Samstags-FAZ (Hendrik Wieduwilt) zitiert dazu den DAV-Präsidenten Ulrich Schellenberg: Die Überlastung der Verwaltungsgerichte sei angesichts der verfehlten Personalpolitik fast eine logische Konsequenz, meint der Rechtsanwalt. Das BAMF habe auf Fachkompetenz verzichtet, sie sogar ausdrücklich abgelehnt.

In seinem separaten Kommentar meint Hendrik Wieduwilt (Samstags-FAZ), dass Rechtsanwälten von staatlicher Seite unberechtigterweise ein Misstrauen entgegengebracht werde.

Asylrecht II: In ihrem Berlin-Teil berichtet die Montags-taz (Marina Mai) vom Mangel an im Asylrecht spezialisierten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten.

Kirchenasyl: Die Montags-SZ (Heribert Prantl) berichtet von der in Bayern wachsenden Häufigkeit strafrechtlicher Verfolgung von Geistlichen und Kirchenvorständen, die Flüchtlingen Kirchenasyl gewähren. Zwar würden die Verfahren in der Regel dann eingestellt, dennoch sprach eine betroffene Pfarrerin von Einschüchterungmaßnahmen.

LG Köln – Hackerangriff: Vor dem Landgericht Köln hat der Prozess gegen einen 29-jährigen Briten wegen eines globalen Cyberangriffes auf Internetrouter begonnen. Allein in Deutschland sei durch den Angriff im vergangenen Jahr ein Schaden in Millionenhöhe entstanden, erläutert die Samstags-FAZ (Marcus Jung/Jonas Jansen). Der Angeklagte habe bereits gestanden, Ende November 2016 in verschiedenen Ländern gezielt Router mit einer Schad-Software infiziert und für eine Botnetz-Attacke verwendet zu haben.

OLG Hamburg zu PKK-Mitgliedschaft: Die Montags-SZ (Ronen Steinke) berichtet über die Verurteilung eines PKK-Mitgliedes zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten. Der Autor weist darauf hin, dass in den vergangenen Jahren bei der Strafzumessung in derartigen Fällen auch eine Rolle gespielt habe, dass die PKK in der Bundesrepublik keine terroristischen Aktivitäten mehr entfaltet. Seitdem die Terrormiliz IS im Nahen Osten um sich greife, gewinne die PKK hierzulande an Reputation, "denn sie wird oft als Verteidigerin von Leib und Leben der in der Region lebenden Kurden wahrgenommen".

LG Offenburg zum Anspruch auf Gegendarstellung: lto.de berichtet über die Entscheidung des Landgerichts Offenburg, mit der dem Bundestrainer Joachim Löw ein Gegendarstellungsanspruch hinsichtlich einer von der Illustrierten "Freizeit Revue" behaupteten Beziehung zu der Schauspielerin Dennenesch Zoudé zugesprochen wurde. Die Richter folgten der Argumentation des Burda-Verlages nicht, dass mit dem Begriff auch eine nicht-sexuelle Beziehung gemeint sein könnte.

LG Dessau – Mord an chinesischer Studentin: Die WamS (Christine Kensche) berichtet über den Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder einer jungen Studentin und dessen Freundin, die das spätere Opfer in die Wohnung gelockt hatte. Das Hauptaugenmerk des Beitrages liegt dabei auf dem Tatbeitrag der Freundin.

LVerfG Mecklenburg-Vorpommern – Gleichstellungsgesetz: Das Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat in der vergangenen Woche darüber verhandelt, ob das Landesgleichstellungsgesetz möglicherweise deshalb gegen die Landesverfassung verstößt, weil es nur Frauen das aktive und passive Wahlrecht zur Gleichstellungsbeauftragten zugesteht. lto.de beschreibt den Fall und die Verhandlung.

UNO-Tribunal in Reutlingen: Wie der Spiegel (Sven Becker) meldet, will das UN-Sondertribunal für den Libanon, das den Bombenanschlag auf den libanesischen Ministerpräsidenten Rafik al-Hariri aufklären soll, im Spätsommer eine wichtige Zeugin im Amtsgericht Reutlingen vernehmen. Die nicht-öffentliche Vernehmung soll unter großen Sicherheitsvorkehrungen stattfinden.

Freifahrt für Verfassungsrichter: Der Spiegel (Klaus Wiegrefe) erinnert daran, dass es einstmals auch Diskussionen darüber gab, ob die Richter des Bundesverfassungsgerichtes kostenlos die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen dürften. Seit 1970 ist gesetzlich klargestellt, dass sie berechtigt sind, alle Verkehrsmittel der Eisenbahnen des Bundes frei zu nutzen.

Nachkriegsrecht: Martin Rath (lto.de) befasst sich mit zwei Nachkriegsgerichtsentscheidungen, in denen jüdische Verfolgte Entschädigungsansprüche geltend machten. Bei dieser Gelegenheit würdigt er auch den hessischen Ministerialdirektor Adolf Arndt und den Stuttgarter Rechtsanwalt Otto Küstner.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 22. bis 24. Juli 2017: Justizreform in Polen / BVerfG zu kurzfristigen Abschiebungen / Prozessbeginn gegen Cumhuriyet . In: Legal Tribune Online, 24.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23567/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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