Möglicherweise muss das Bundeskanzleramt Akten von der Adenauer-Stiftung zurückholen. Außerdem in der Presseschau: Politiker fordern Nachbesserungen am NetzDG und Erdoğan hat Berufung gegen Teilverbot des Böhmermann-Gedichtes eingelegt.
Thema des Tages
BVerfG zu Akteneinsicht "Aktion Geschäftsfreund": in den 1960er Jahren soll die Bundesrepublik mit mehreren Millionen Mark im Geheimen das israelische Atomwaffenprogramm unterstützt haben. Eine Journalistin, die über die sogenannte "Aktion Geschäftsfreund" bereits seit Jahren recherchiert, ist nach einer gestern veröffentlichten Entscheidung mit einer Verfassungsbeschwerde auf Bereitstellung von Akten dazu zunächst gescheitert. Darüber berichtet u.a. lto.de (Tanja Podolski). Wie die taz (Christian Rath) erläutert, liegen die Akten nicht im eigentlich zuständigen Bundesarchiv, sondern sind seinerzeit an die Konrad-Adenauer-Stiftung beziehungsweise das Historische Institut der Deutschen Bank übergeben worden. Statt an das Bundesarchiv hätte sich die Beschwerdeführerin daher mit ihrem Begehren an das Bundeskanzleramt wenden müssen, das möglicherweise verpflichtet ist, solche Akten auch von privaten Dritten wiederzubeschaffen. Der Tsp (Jost Müller-Neuhof) zitiert aus dem Beschluss, wonach durch die Übergabe an private Einrichtungen, etwa Stiftungen, die Politiker-Nachlässe verwalten, die Dokumente nicht ihren amtlichen Charakter verloren hätten. Damit wären sie dem Staat weiterhin rechtlich zugeordnet und unterlägen, auch wenn der unmittelbare Zugriff erschwert sei, staatlicher Verfügung und Verantwortung.
Rechtspolitik
NetzDG: Die taz (Christian Rath) schildert Reaktionen auf den Vorschlag des SPD-Rechtspolitikers Johannes Fechner zur Nachbesserungen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes. Der Plan, einen Anspruch auf Wiederherstellung von zu Unrecht gelöschten Posts zu schaffen, werde von allen Fraktionen unterstützt, teilweise aber auch mit erneuter Kritik am Gesetz verbunden. Nur das Justizministerium schweige.
Heiko Maas im Interview: faces-of-democracy.org hat den Bundesjustizminister zur Demokratie im Spannungsverhältnis von Freiheit und Sicherheit befragt. Auch das neue Netzwerkdurchsetzungsgesetz wird im Gespräch thematisiert.
Normenkontrollrat: Der Nationale Normenkontrollrat hat gestern seinen Jahresbericht vorgelegt. Aufgabe des Rates ist es, Gesetze auf ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen sowie den insbesondere der Wirtschaft entstehenden Mehraufwand zu berechnen. Laut lto.de schreitet dem Bericht zufolge die Begrenzung der Bürokratie voran. Grund dafür ist auch die "One-in-one-out-Regel", nach der bei Einführung einer neuen Regulierungsnorm eine bisherige abgeschafft werden muss. Nachholbedarf gibt es allerdings, wie auch das Hbl (Dana Heide) feststellt, bei der Digitalisierung. Im EU-Vergleich liege Deutschland im Bereich des digitalen Verwaltungsservices nur auf Platz 20 – hinter Spanien, Frankreich und Großbritannien.
"Ehe für alle": Auf jurwiss.de antworten Valérie v. Suhr und Dana-Sophia Valentiner auf einen Beitrag an gleicher Stelle, der die Verfassungsmäßigkeit der für homosexuelle Heiratswillige geöffneten Ehe in Frage stellte. Insbesondere befassen sie sich mit der Frage, wie die Regelungen zur Elternschaft an die geänderte Rechtslage angepasst werden müssten.
Ausschreitungen bei G-20-Gipfel: Der Tsp (Jost Müller-Neuhof) befasst sich mit der Diskussion über die Konsequenzen, die sich aus den Vorkommnissen in Hamburg während des G-20-Gipfeltreffens ergeben. Im Mittelpunkt seines Artikels steht das Vermummungsverbot. Das Land Berlin hatte bereits vor einiger Zeit ein Versammlungsfreiheitsgesetz angekündigt, in diesem Zusammenhang werde, wie ein Sprecher der zuständigen Senatsverwaltung bestätigte, auch das Vermummungsverbot auf den Prüfstand kommen.
Reinhard Müller (FAZ) beklagt, dass der Eindruck entstehe, dass nach solchen Ausschreitungen die allermeisten Täter straffrei ausgehen. Und auch mehr Polizei helfe nichts, wenn die Justiz überlastet sei oder sich so fühle, meint Müller.
Justiz
LG Hamburg – Erdoğan vs. Böhmermann: Im Februar hatte das Landgericht Hamburg ein Gedicht des Satirikers Jan Böhmermann über den türkischen Präsidenten Erdoğan teilweise verboten. Nachdem bereits Böhmermann Rechtsmittel gegen die Entscheidung eingelegt hatte, erhob jetzt auch der türkische Präsident die Anschlussberufung. Im Gespräch mit spiegel.de (Ansgar Siemens) erläutert Erdoğans Rechtsvertreter, warum ihm das Teilverbot nicht ausreiche. lto.de fasst noch einmal die Vorgeschichte zusammen.
BGH zum Fall Schottdorf: Der Bundesgerichtshof hat die Freisprüche des Landgerichts Augsburg zugunsten des Mediziners Bernd Schottdorf und seiner früheren Ehefrau in Verfahren zum Vorwurf des Abrechnungsbetruges bestätigt. Die Staatsanwaltschaft war der Ansicht, die beiden hätten über mehrere Jahre Leistungen widerrechtlich über die gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet und dabei einen Schaden von insgesamt 79 Millionen Euro verursacht. Die FAZ (Marcus Jung) erläutert die Entscheidungsgründe.
LG München I – HRE-Verfahren: Die SZ (Stephan Radomsky) berichtet über den Stand im HRE-Verfahren, in dem zwei ehemaligen Vorstandsmitgliedern vorgeworfen wird, die finanzielle Lage der von ihnen geführten Bank beschönigt zu haben. Vorgestellt wird dabei auch die Vorsitzende Richterin Petra Wittmann.
SG Düsseldorf zu Kosten für Tattoo-Entfernung: Im Fall einer ehemaligen Zwangsprostituierten, der durch ihre Zuhälter Tätowierungen aufgenötigt wurden, hat das Sozialgericht Düsseldorf entschieden, dass die Krankenkasse die Kosten für deren Entfernung übernehmen muss. lto.de und spiegel.de berichten über den Fall.
LG Düsseldorf – "Maulwurf": Im Fall eines mutmaßlichen "Verfassungsschutz-Maulwurfs" islamistischer Façon hat das Gericht lediglich einen Teileröffnungsbeschluss erlassen, wie spiegel.de berichtet. Anders als die Staatsanwaltschaft, die davon ausgeht, dass der Mann Beziehungen zu islamistischen Kreisen aufgenommen habe, um eine schwere staatsgefährdende Gewalttat zu begehen, will das Gericht jetzt lediglich zu versuchtem Geheimnisverrat verhandeln.
OVG Thüringen zu rechtem Rockkonzert: Wie lto.de meldet, hat das Thüringer Oberverwaltungsgericht einer Konzertveranstaltung, die im südthüringischen Themar stattfinden soll, den Schutz des Versammlungsrechts zugesprochen. Die Entscheidungsgründe sollen erst heute veröffentlicht werden. Laut Bericht sollen mehrere Redner aus der Neonazi-Szene auftreten, der Thüringer Verfassungsschutz erwartet zudem mehr als 5.000 Rechtsextreme.
Recht in der Welt
EGMR zu belgischem Verschleierungsverbot: lto.de (Maximilian Amos) befasst sich jetzt auch mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum Verschleierungsverbot in Belgien. Die Straßburger Richter verwiesen in ihrer Entscheidung im Wesentlichen auf die Kompetenz der Einzelstaaten, zu regeln, was für das gesellschaftliche Zusammenleben notwendig sei. Kritik kommt vom Rostocker Professor Felix Ekardt, den der Beitrag zitiert. Er meint, dass der EGMR mit seinem Urteil eine Überschreitung der Handlungsbefugnisse des liberalen Staates hingenommen habe.
Malta – Öffnung der Ehe: Wie zeit.de meldet, hat Malta das Institut der Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften geöffnet. Das Parlament des katholisch geprägten Inselstaats hat mit nur einer Gegenstimme die Reform beschlossen.
Brasilien – Haft für Ex-Präsident: Der frühere Präsident von Brasilien Luiz Inácio Lula da Silva ist wegen Korruption und Geldwäsche zu neun Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden. Das verkündete laut spiegel.de am Mittwoch ein Bundesgericht.
Sonstiges
Anonyme Geburt: Vor drei Jahren ist das Gesetz zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt in Kraft getreten. Katarina Barley (SPD), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, hat gestern ein erstes Resümee gezogen. Wie die FAZ (Johannes Leithäuser) berichtet, haben 345 Frauen von der Möglichkeit der vertraulichen Geburt Gebrauch gemacht. Laut SZ (Constanze Bullion) sind anonyme Geburten zurückgegangen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/pf
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 13. Juli 2017: Auskunftsanspruch gegen Bundeskanzleramt / Nachbesserungen am NetzDG? / Erdoğan legt Rechtsmittel ein . In: Legal Tribune Online, 13.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23444/ (abgerufen am: 28.03.2024 )
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