Die juristische Presseschau vom 29. Juni 2017: Vor­rats­da­ten­spei­che­rung aus­ge­setzt / Aus­wei­tung der Ehe / BVerfG hebt Verbot von G-20-Camp auf

29.06.2017

Justiz

EGMR zum Kindeswohl eines sterbenden Kleinkindes: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat den behandelnden Ärzten erlaubt, bei einem unheilbar kranken Kleinkind die lebenserhaltenden Maßnahmen zu beenden. Das berichtet u.a. swr.de (Gigi Deppe). Die Eltern hatten die Hoffnung noch nicht aufgegeben, sie wollten ihren Sohn zu einer experimentellen Behandlung in die USA bringen. Die Straßburger Richter gaben ihren britischen Kollegen recht, die entschieden hatten, dass das Kind bei einem Transfer in die USA sehr leiden und dass die Therapie dort nichts bringen würde.

Jakob Simmank (zeit.de) sieht das Urteil kritisch, denn es billige, dass Gerichte darüber entschieden, wann ein Leben lebenswert sei.

EuGH – Anwendung Dublin III: Der wissenschaftliche Mitarbeiter der Universität Graz Stefan Salomon (verfassungsblog.de) stellt die Schlussanträge der Generalstaatsanwältin Eleanor Sharpston in den Verfahren A.S und Jafari vor, in denen es um die Anwendung der Dublin-III-Verordnung geht.

BVerfG – Videoüberwachung: Politiker der Piratenpartei haben laut SZ Verfassungsbeschwerde gegen das Videoüberwachungsverbesserungsgesetz erhoben. Das Gesetz, das im März vom Bundestag verabschiedet wurde und Anfang Mai in Kraft trat, erleichtert den Einsatz privater Überwachungskameras im öffentlichen Raum. Die Piraten kritisieren, dass das Gesetz keine Begrenzung der Überwachungsmaßnahmen vorsehe und die Weiterverarbeitung der Daten erlaube.

BVerfG zum G-20-Protest-Camp: Das Bundesverfassungsgericht hat das geplante Protestcamp von G-20-Gegnern in Hamburg zumindest vorsorglich als grundgesetzlich geschützte Versammlung anerkannt, melden SZ (Wolfgang Janisch) und lto.de (Maximilian Amos). Die Karlsruher Richter haben in einem Eilverfahren das generelle Verbot des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts aufgehoben, das dem Camp die Eigenschaft als politische Meinungskundgebung abgesprochen hatte. Die Stadt Hamburg muss jetzt noch einmal neu über die angemeldete Demonstration versammlungsrechtlich entscheiden.

BFH zur Absetzbarkeit von unterschlagenem Kaufpreis: Wer einem betrügerischen Grundstücksmakler Bargeld in der Annahme übergibt, der Makler werde damit den Kaufpreis für ein bebautes Grundstück bezahlen, kann den Verlust bei den Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung abziehen. lto.de stellt die Entscheidung dar.

BGH zur Sicherungsverwahrung I: Im Fall Silvio S., der 2015 vom Landgericht Potsdam wegen des Missbrauchs und der Tötung der beiden Kinder Elias und Mohamed verurteilt wurde, hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass erneut die Gefährlichkeit des Täters und entsprechend die Anordnung einer Sicherungsverwahrung geprüft werden muss. Laut Tsp (Alexander Fröhlich) hatten die Potsdamer Richter den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Sicherungsverwahrung abgelehnt, da ein Gutachter keine gesicherte Gefährlichkeitsprognose erstellen konnte. Der BGH ist dagegen der Auffassung, dass nicht ausreichend bewertete wurde, dass S. beide Taten binnen kurzer Zeit und sehr brutal verübt habe.

BGH zur Sicherungsverwahrung II: Wie die taz (Christian Rath) berichtet, hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass eine Sicherungsverwahrung auch neben einer lebenslangen Freiheitsstrafe angeordnet werden kann. Der Gesetzgeber habe dies durch eine Gesetzesänderung 2002 ausdrücklich ermöglicht, wird der Vorsitzende Richter Ekkehard Appl zitiert.

BGH zum Transplantationsskandal: Der Bundesgerichtshof hat am Mittwoch den Freispruch für den Göttinger Transplantationsmediziner Aiman O. bestätigt, berichten FAZ (Helene Bubrowski), SZ (Christina Berndt/Wolfgang Jansich), taz (Christian Rath) und auf lto.de der Rechtsanwalt Arnd PannenbeckerDem Angeklagten war ursprünglich vorgeworfen worden, Totschlag in elf Fällen begangen zu haben, weil er bei Lebertransplantationen die Organzuteilung manipuliert hatte. Der Karlsruher Richter bestätigten die Entscheidung des Landgerichts Göttingen, wonach der Mediziner nicht mit Tötungsvorsatz gehandelt habe.

LG München I – HRE: Das Hbl (Christian Schnell) berichtet vom Prozess gegen die beiden HRE-Vorstandmitglieder Georg Funke und Markus Hell, denen vorgeworfen wird, 2007 und 2008 die finanzielle Situation der HRE (Immobilienbank Hyo Real Estate) verschleiert und beschönigt zu haben. Das Verfahren werde wohl länger dauern als ursprünglich gedacht, mit hohen Strafen sei jedoch nicht zu rechnen, heißt es.

LG Kassel zu "Probehaft": lto.de berichtet jetzt auch über den Proberichter, der einen Angeklagten für etwa eine Minute in eine Haftzelle eingeschlossen hatte, um ihm zu zeigen, "was ihm blühen könnte", und der jetzt dafür vom Landgericht Kassel zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde.

AG Bad Hersfeld zu WhatsApp: Rechtsanwalt Carsten Ulbricht analysiert auf lto.de die Entscheidung des Amtsgerichts Bad Hersfeld, wonach WhatsApp-Nutzer das Einverständnis zur Datenweitergabe aller ihrer Kontakte im Adressbuch einholen müssen. Er kommt zu dem Schluss, dass anders als teilweise in der Berichterstattung suggeriert, eine "Abmahnwelle" nicht zu erwarten sei.

Christian Rath (taz) wundert sich, weshalb in einem familiengerichtlichen Verfahren, in dem es eigentlich um den elterlichen Umgang ging, Datenschutzprobleme eine so große Rolle spielen konnten

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 29. Juni 2017: Vorratsdatenspeicherung ausgesetzt / Ausweitung der Ehe / BVerfG hebt Verbot von G-20-Camp auf . In: Legal Tribune Online, 29.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23316/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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