Ex-Bundes- und BVerfG-Präsident Roman Herzog tot: "Ein kri­ti­scher Geist, ein Mann der klaren Worte"

von Pia Lorenz

10.01.2017

2/2: Zu viel Europa "durch nichts demokratisch legitimiert"

Im Jahr 1997 erhielt Herzog den Internationalen Karlspreis der Stadt Aachen und wurde im gleichen Jahr - zusammen mit dem tschechischen Präsidenten Václav Havel - als "Europäischer Staatsmann des Jahres 1997" ausgezeichnet. Zu viel Europa kritisierte er jedoch. Zentralisierung gefährdete aus seiner Sicht die parlamentarische Demokratie in Deutschland, argumentierte der am 5. April 1934 in Landshut geborene Sohn eines Archivars, der nach dem Tod seiner ersten Ehefrau seit 2001 mit Alexandra Freifrau von Berlichingen verheiratet war. Auch dem Europäischen Gerichtshof warf Herzog vor, dass er in die ureigenen Kompetenzen der Mitgliedstaaten eingreife und diese aushöhle.

In die Kritik geriet er im Jahr 2011, als er der Zeitung Junge Freiheit ein Interview gab. Gegenüber dem Sprachrohr der Neuen Rechten monierte er, dass Deutschland durch zu viel Abgabe von Kompetenzen das Subsidiaritätsprinzip unterlaufe. Ein entstehender ober bereits entstandener EU-Staat sei "nie so vereinbart" und "auch durch nichts demokratisch legitimiert", hieß es dort. 

Als Gefahr für die parlamentarische Demokratie bewertete Herzog auch die Fünf-Prozent-Hürde, weil er Minderheitsregierungen fürchtete. Die erstmals im Jahr 2008 nach den Erfolgen der Partei Die Linke geforderte Veränderung des deutschen Wahlrechts wiederholte er mit großem Medienecho im Jahr 2012. Zu einem Zeitpunkt, als die Piratenpartei im Kommen war, sprach er sich dafür aus, die Hürde zu erhöhen. Kritik dafür gab es ebenso medienträchtig von einem anderen früheren Verfassungsgerichts-Präsidenten: Eine Erhöhung der Sperrklausel komme "aus verfassungsrechtlichen Gründen" nicht in Betracht, "auch könnte man darin eine gezielte Aktion gegen erfolgreiche neue Parteien sehen", sagte Hans-Jürgen Papier darauf der Welt.

Bekannte und andere Hinterlassenschaften

Im Standardwerk zum Grundgesetz Maunz/Dürig/Herzog/Scholz fungierte Herzog bis heute als Mitautor und -herausgeber, auch das Evangelische Staatslexikon gab er seit 1966 mit heraus. Am 30. Oktober 2006 hat er den Namensvorsitz des ersten deutschen Inns (Gruppe) der internationalen juristischen Honor Society Phi Delta Phi an der Bucerius Law School übernommen.

Herzog hinterlässt nicht nur ein politisches und rechtliches Erbe. Er zeichnet auch verantwortlich für ein Bonmot, das die CSU gern auf Edmund Stoiber zurückführt und verwendet, wenn sie den wirtschaftlichen Erfolg Bayerns hervorheben will. Tatsächlich aber geht der Slogan "Laptop und Lederhosen" zurück auf Roman Herzog.

Als deutsches Staatsoberhaupt hielt er bei der Eröffnung der Neuen Messe München am 12. Februar 1998 eine Rede. Darin widmete der gebürtiges Landshuter auch dem modernen Bayern eine Passage. Innerhalb weniger Jahrzehnte habe das Land den Sprung vom ökonomischen Schlusslicht ganz nach
vorne geschafft: "Hier sind Lederhose und Laptop eine Symbiose eingegangen."

Mit Materialien von dpa

Zitiervorschlag

Pia Lorenz, Ex-Bundes- und BVerfG-Präsident Roman Herzog tot: "Ein kritischer Geist, ein Mann der klaren Worte" . In: Legal Tribune Online, 10.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21712/ (abgerufen am: 23.04.2024 )

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