Ex-Bundes- und BVerfG-Präsident Roman Herzog tot: "Ein kri­ti­scher Geist, ein Mann der klaren Worte"

von Pia Lorenz

10.01.2017

Seine "Ruck-Rede" bleibt in  Erinnerung, Roman Herzog forderte die Bürger. Der Ex-Präsident des BVerfG und Mitherausgeber des Maunz/Dürig legte den Grundstein der EU-Grundrechte-Charta, kritisierte aber auch, die EU werde zu mächtig.

Der frühere Bundespräsident Prof. Dr. Dr. h.c. mult Roman Herzog ist tot. Er starb im Alter von 82 Jahren, bestätigte das Bundespräsidialamt am Dienstag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Herzog stand von 1994 bis 1999 an der Spitze der Bundesrepublik, zuvor war der Jurist und CDU-Politiker ab 1983 Richter und Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), ab 1987 dessen Präsident. Er stand dem 1. Senat vor, der vor allem für Grundrechtsfragen zuständig ist.

Herzog, der schon 1970 der CDU beigetreten war, fuhr in Karlsruhe eher eine liberale Linie. Er war beteiligt am Brokdorf-Beschluss zum Grundrecht der Versammlungsfreiheit, der Entscheidung zum Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung, der Entscheidung zum steuerfreien Existenzminimum und zwei Entscheidungen zur deutschen Wiedervereinigung im Jahr 1991. In seine Amtszeit fiel auch das Maastricht-Urteil, mit dem der 2. Senat des BVerfG die Mitwirkung Deutschlands an der Gründung der Europäischen Union billigte. 

Europa war eines der wichtigen Themen für den ehemaligen Professor an der Freien Universität Berlin und der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, der bereits mit 30 Jahren bei Prof. Dr. Theodor Maunz mit einer Arbeit über "Die Wesensmerkmale der Staatsorganisation in rechtlicher und entwicklungsgeschichtlicher Sicht" habilitiert hatte. Schon in seiner Dissertation aus dem Jahr 1958 beschäftigte sich der Verfassungsrechtler unter anderem mit der Europäischen Menschenrechtskonvention, im Jahr 1999 wurde er zum Vorsitzenden des Europäischen Konvents gewählt, das den Entwurf der EU-Grundrechte-Charta erarbeitete, die vom Europäischen Parlament und dem Rat gebilligt und im Dezember 2000 proklamiert wurde. Zentralisierungstendenzen der Union stand er jedoch kritisch gegenüber.

Für Reformen, gegen das Vergessen 

Politiker aller Couleur würdigten Herzog am Dienstag. Bundespräsident Joachim Gauck bezeichneten seinen Amtsvorgänger als "freiheitsliebenden kritischen Geist und als Mann der klaren Worte", der viel zur Verständigung zwischen Bürgern und Politik beigetragen habe. "Er genoss Vertrauen, weil er eine klare und menschliche Art zu denken hatte und weil er aus tiefster Überzeugung sich für dieses Land und Europa einsetzte - und auch, weil er seinen Mitmenschen mit Takt und Umsicht begegnete.

Als Bundespräsident hatte der Staatsrechtslehrer unermüdlich vor Reformmüdigkeit in Deutschland gewarnt. Er machte es sich zur Aufgabe, gegen Blockaden in Politik und Gesellschaft anzugehen. Besonders in Erinnerung blieb seine Rede von 1997 mit dem zentralen Appell: "Durch Deutschland muss ein Ruck gehen." Laut dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel hat Herzog für einen Dialog zwischen den Religionen geworben, sich mit deutlichen Worten für Integration und gegen jede Form von Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus eingesetzt und frühzeitig auf die Probleme der globalisierten Welt hingewiesen.

Herzog, der als Kind den Zweiten Weltkrieg miterlebte, wurde vom Zentralrat der Juden in Deutschland im Jahr 1998 mit dem Leo-Baeck-Preis geehrt. Er trug auch zur Einführung einer Gedenkstunde zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus bei. 1996 proklamierte er den Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus als Gedenktag in Deutschland: "Die Erinnerung darf nicht enden; sie muss auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen. Es ist deshalb wichtig, nun eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt. Sie soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken."

In seine Amtszeit als Präsident des BVerfG fielen der Zusammenbruch der Deutschen Demokratischen Republik im Jahr 1989 und die Wiedervereinigung im Jahr 1990. In diesen teilweise turbulenten Zeiten füllte er, so das BVerfG in einer Mitteilung vom Dienstag, "das nicht immer einfache Amt des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts mit großer innerer Souveränität herausragend aus. Seine Verdienste um das Bundesverfassungsgericht wirken bis heute nach und er genießt - nicht zuletzt aufgrund seiner humorvollen und gelassenen Art - bis heute höchstes Ansehen innerhalb und außerhalb des Gerichts".

Zitiervorschlag

Pia Lorenz, Ex-Bundes- und BVerfG-Präsident Roman Herzog tot: . In: Legal Tribune Online, 10.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21712 (abgerufen am: 13.10.2024 )

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