Druckversion
Donnerstag, 12.06.2025, 23:36 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/nachrichten/n/wissenschaftlicher-dienst-bundestag-seenotrettung-grauzone-kein-bussgeld-kapitaene
Fenster schließen
Artikel drucken
40741

Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages: See­not­ret­tung vor Libyens Küste: Recht­liche Grau­zone

10.03.2020

Rettungsboot

leo lüsing-hauert - stock.adobe.com

Abgeschreckt vom Bürgerkriegs-Chaos in Libyen versuchen inzwischen auch mehr Afrikaner, über die Türkei in die EU zu gelangen. Wer als Kapitän vor Libyens Küste Schiffbrüchige aufnimmt, steht vor einer schwierigen Entscheidung.

Anzeige

Gegen Kapitäne deutscher Schiffe sollte nach Einschätzung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages kein Bußgeld verhängt werden, wenn sie schiffbrüchige Migranten entgegen der Anweisung der libyschen Küstenwache nicht nach Libyen zurückbringen. Wer sich aufgrund menschenrechtlicher Bedenken weigere, Gerettete aus dem Mittelmeer nach Libyen zurückzubringen, dürfe dafür nicht belangt werden.

In seiner Ausarbeitung führt der Dienst allerdings auch aus, dass Kapitäne, die aus Seenot gerettete Menschen nach Libyen bringen, damit nicht automatisch gegen das völkerrechtliche Verbot der Zurückweisung in einen Verfolgerstaat verstoßen - da dieses Verbot bisher nur für staatliche Akteure gelte. Allerdings empfiehlt die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (IMO), Gerettete nicht an einen Ort zu bringen, "wo ihnen Verfolgung und andere Gefahren drohen". Die Vereinten Nationen hatten im vergangenen Jahr die "grässlichen Lebensbedingungen" beklagt, denen Migranten in einigen Gewahrsamseinrichtungen in Libyen ausgesetzt seien. In einer dieser geschlossenen Unterkünfte seien beispielsweise 22 Menschen an Tuberkulose gestorben, da sie nicht ärztlich behandelt worden seien.

Der Abgeordnete Andrej Hunko (Linke) forderte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf, sich dafür einsetzen, dass Einsätze in der libyschen Seenotrettungszone künftig wieder aus Italien koordiniert werden. Dies sei ohne weiteres möglich, wenn die libysche Regierung hierzu ihr Einverständnis gebe. "Dies ist umso dringlicher, da die libysche Küstenwache wegen des Bürgerkriegs nur noch in Ausnahmen einsatzfähig ist", mahnte Hunko.

1.327 Tote oder Vermisste im vergangenen Jahr

Aktuell bewegten sich Kapitäne von privaten Schiffen unter deutscher Flagge im Seegebiet nördlich von Libyen bei der Seenotrettung von Geflüchteten in einer Art Grauzone, stellte der Wissenschaftliche Dienst fest. Sie müssten einerseits gemäß der Verordnung über die Sicherung der Seefahrt den Anweisungen der jeweils zuständigen Seenotrettungsleitstelle Folge leisten.

Andererseits sei fraglich, inwieweit die Verpflichtung, Gerettete in einen sicheren Hafen zu bringen, wo auch Nahrung und medizinische Versorgung gewährleistet sind, bei einer erzwungenen Rückkehr der Migranten nach Libyen als erfüllt angesehen werden könne. Bei einer Rücküberführung in Staaten wie Tunesien oder Marokko, wo auch Schmugglerboote starten, sei die Lage weniger eindeutig als im Falle Libyens.

Nach UN-Angaben fanden im vergangenen Jahr 1.327 Menschen den Tod bei der Flucht über das Mittelmeer oder sind vermisst. Die wichtigsten Routen der Schlepperboote führen von der Türkei auf die griechischen Inseln, von Libyen Richtung Italien oder Malta sowie von Tunesien nach Italien und von Marokko nach Spanien. In einzelnen Fällen ist es auch schon vorgekommen, dass aus Seenot gerettete Migranten die Besatzung des aufnehmenden Schiffes daran gehindert haben, sie nach Libyen zurückzubringen.

dpa/acr/LTO-Redaktion

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages: . In: Legal Tribune Online, 10.03.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40741 (abgerufen am: 12.06.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Europa- und Völkerrecht
    • Europa
    • Flüchtlinge
    • Krieg
    • Migration
    • Seerecht
Stefan von Raumer beim Deutschen Anwaltstag in Berlin 11.06.2025
DAV

DAV-Präsident zu Deutschlands Position bei Zurückweisungen:

"Das ist der Beginn von Anar­chie"

Andere Staaten halten sich bei Zurückweisungen nicht an das EU-Recht, deshalb muss Deutschland das auch nicht tun – so hatte die Bundesregierung argumentiert. Dies sendet eine fatale Botschaft, findet DAV-Präsident Stefan von Raumer.

Artikel lesen
Aufmarsch der Nationalgarde 10.06.2025
USA

Proteste in Los Angeles:

Was hat es mit der Natio­nal­garde auf sich?

In Kalifornien wird gegen die harte Migrationspolitik der US-Regierung heftig protestiert. Trump hat die dortige Nationalgarde eingesetzt – ohne Zustimmung des Gouverneurs. Auch reguläre Soldaten wurden entsandt. Darf der US-Präsident das?

Artikel lesen
Ex-NVerfG-Präsident Andreas Voßkuhle bei einer Pressekonferenz am 12. März 2025 07.06.2025
Dublin

Ex-BVerfG-Präsident auf dem DAT:

Voßk­uhle for­dert Ände­rung des Dublin-Sys­tems

Das gegenwärtige Verfahren sei nicht optimal, kritisierte Ex-BVerfG-Präsident Andreas Voßkuhle. Er zeigte sich im LTO-Gespräch auf dem Deutschen Anwaltstag optimistisch, dass grundlegende EU-Reformen zur Migrationspolitik gelingen können. 

Artikel lesen
Ein Redner diskutiert die aktuellen Herausforderungen für die Anwaltschaft und Justiz beim Deutschen Anwaltstag 2025. 07.06.2025
Podcast

LTO-Rechtslage-Sonderfolge zum Deutschen Anwaltstag:

Es beginnt mit dem Angriff auf Anwalt­schaft und Justiz

Welche Folgen hat der Beschluss zu Grenz-Zurückweisungen? Wie soll Justiz und Anwaltschaft auf Angriffe reagieren? US-Großkanzlei-Anwältin erzählt über ihren Ausstieg wegen des Systems Trump. All dies in Folge 34 des Rechtslage-Podcasts. 

Artikel lesen
Grenzkontrolle an der deutsch-polnischen Grenze 06.06.2025
Asyl

"Vorläufig", "politisch motiviert", "unzuständig":

Die Mythen über die Zurück­wei­sungs­be­schlüsse des VG Berlin

Fake News und Halbwahrheiten sind der Nährboden für Hetze. Das bekommen die Richter des VG Berlin zu spüren, die Zurückweisungen von Asylsuchenden für rechtswidrig erklärt hatten. Anlass genug, die Fakten noch einmal geradezurücken.

Artikel lesen
Alexander Dobrindt, Lars Klingbeil, Friedrich Merz 04.06.2025
Abschiebung

Kabinett will Abschiebungen erleichtern:

Sichere Her­kunfts­länder per Ver­ord­nung?

Das Kabinett hat einen Gesetzentwurf beschlossen, um sichere Herkunftsländer künftig ohne Zustimmung des Bundesrates festlegen zu können. Ob das Manöver zulässig ist, bezweifelt ein verfassungsrechtliches Gutachten.

Artikel lesen
ads lto paragraph
lto karriere logo
ads career people

Wir haben die Top-Jobs für Jurist:innen

Jetzt registrieren
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von RechtDialog Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Rechts­an­wäl­te (m/w/d) als An­ge­s­tell­te oder in frei­er Mit­ar­beit

RechtDialog Rechtsanwaltsgesellschaft mbH , 100% Re­mo­te

Logo von BLD Bach Langheid Dallmayr Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB
Rechts­an­walt (w/m/d) für Fi­nan­cial Li­nes

BLD Bach Langheid Dallmayr Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB , Köln

Logo von Oppenhoff
Re­fe­ren­da­re (m/w/d) al­le Fach­be­rei­che

Oppenhoff , Köln

Logo von Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg
Staats­an­wäl­tin (Rich­te­rin auf Pro­be) / Staats­an­walt (Rich­ter auf Pro­be)...

Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg , Frank­furt (Oder)

Logo von Deutscher Gewerkschaftsbund - DGB Bundesvorstand
Re­fe­rats­lei­ter*in (d/w/m) Ab­tei­lung Recht und Viel­falt

Deutscher Gewerkschaftsbund - DGB Bundesvorstand , Ber­lin

Logo von Personalamt der Freien und Hansestadt Hamburg
Voll­ju­rist:in­nen (m/w/d) - Trainee­pro­gramm für an­ge­hen­de...

Personalamt der Freien und Hansestadt Hamburg , Ham­burg

Logo von Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg
Staats­an­wäl­tin (Rich­te­rin auf Pro­be) / Staats­an­walt (Rich­ter auf Pro­be)...

Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg , Cott­bus

Logo von ARQIS
Prak­ti­kan­ten (m/​w/​d) AR­QIS Sum­mer School 2025

ARQIS , Düs­sel­dorf

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
Logo von White & Case
White & Case - Private Equity Workshop

26.06.2025, Frankfurt am Main

Logo von Rödl & Partner
Rödl Financial Modeling School: M&A Modeling

12.06.2025, Köln

Logo von Osborne Clarke GmbH & Co. KG
Sundowner@OsborneClarke - Besuche uns in Hamburg!

12.06.2025, Hamburg

Logo von Hagen Law School in der iuria GmbH
Fortbildung Sportrecht im Selbststudium/ online

13.06.2025

Betriebsverfassungsrechtliches Kolloquium II

16.06.2025, Bonn

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH