Normenkontrollantrag der Opposition gegen die Wahlrechtsreform: "Lücken­haft, unvoll­ständig und mit sys­te­ma­ti­schen Brüchen"

01.02.2021

Die Wahlrechtsreform sei unter anderem zu unbestimmt und erreiche keine Verkleinerung des Bundestags - eines der wichtigsten Ziele der Neuerung. Die Opposition im Bundestag zieht deshalb nach Karlsruhe.

FDP, Grüne und Linke wollen die Wahlrechtsreform der großen Koalition mithilfe des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu Fall bringen. Die drei Oppositionsparteien reichten am Montag in Karlsruhe ihren Antrag auf eine abstrakte Normenkontrolle sowie auf einstweilige Verfügung ein. Damit wollen sie die umstrittenen neuen Regelungen vor der Bundestagswahl am 26. September außer Vollzug setzen lassen, wie dieProzessbevollmächtigte, Prof. Dr. Sophie Schönberger, am Montag in Berlin erläuterte.

Die Reform sieht vor, dass es bei der Wahl im Herbst bei der Zahl von 299 Wahlkreisen bleibt. Überhangmandate einer Partei sollen teilweise mit ihren Listenmandaten verrechnet werden. Beim Überschreiten der Regelgröße des Bundestages von 598 Sitzen sollen bis zu drei Überhangmandate nicht durch Ausgleichsmandate kompensiert werden. Ziel ist es, den auf 709 Abgeordnete angewachsenen Bundestag wieder zu verkleinern. Dass dies mit der Reform gelingt, wird genau wie die Verfassungsmäßigkeit des Vorhabens von vielen Fachleuten bezweifelt.

Rechenoperationen unklar

Das mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD Anfang Oktober beschlossene Gesetz verstoße gegen den Grundsatz der Normenklarheit, kritisierten die Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestagsfraktionenvon Grünen und FDP, Britta Haßelmann und Marco Buschmann, sowie der rechtspolitische Sprecher der Linken-Fraktion, Friedrich Straetmanns.

In der Antragsschrift, die der LTO vorliegt, heißt es, die gesetzliche Ausgestaltung des Wahlrechts müsse so hinreichend bestimmt und klar erfolgen, dass für die Bevölkerung erkennbar ist, in welcher Weise sich ihre Stimmabgabe auf die Zusammensetzung des von ihr gewählten Parlaments auswirkt. Das Wahlrecht müsse so verständlich sein, dass der Wahlakt von den Wählerinnen und Wählern als legitimer demokratischer Akt wahrgenommen werde.

Der Normtext des neuen Wahlrechts sei, so heißt es in dem Antrag weiter, stattdessen an zahlreichen Stellen lückenhaft, unvollständig und weise systematische Brüche auf. Das führe dazu, dass wesentliche Fragen vom Bundeswahlleiter im Wege der Auslegung geklärt werden müssten und nicht vom Gesetzgeber selbst beantwortet worden seien. So werde vom Gesetzgeber keine Rechenoperation bei der Berechnung der Überhandmandate vorgegeben. Der Normanwender sei deshalb darauf angewiesen, selbst Rechenwege festzulegen.

Das neue Wahlrecht verletze außerdem auch das Prinzip der Chancengleichheit der Parteien, weil es die Union begünstige. Mit der Regelung zu den drei Überhangmandaten habe sich die Union "einen allein politisch motivierten Vorteil gesichert", kritisierte die Grünen-Politikerin Haßelmann. "Eine derartige Willkür darf aus unserer Sicht nicht geduldet werden."

Letztlich werde mit der Reform die angestrebte Verkleinerung des Bundestags schlicht nicht erreicht.

pdi/LTO-Redaktion

Mit Material der dpa

Zitiervorschlag

Normenkontrollantrag der Opposition gegen die Wahlrechtsreform: . In: Legal Tribune Online, 01.02.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44150 (abgerufen am: 14.12.2024 )

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