"Die PARTEI lässt die Wahl wiederholen", schreibt Martin Sonneborn auf Twitter. Das ist ernst gemeint: Mit Hilfe von Bürgerinnen und Bürgern sollen die Unregelmäßigkeiten bei der Wahl in Berlin vor die Verfassungsgerichte gebracht werden.
Es habe "erstaunlich viele strukturelle Unregelmäßigkeiten" gegeben, erklärt Martin Sonneborn, Vorsitzender der Satire-Partei "Die Partei" die geplante Wahlprüfungsbeschwerde gegenüber LTO: "Fehlende und vertauschte Wahlzettel, dreistündige Wartezeiten, abgewiesene Wähler, Stimmabgaben neunzig Minuten nach Veröffentlichung erster Prognosen, ungültige Stimmabgaben wegen falscher Stimmzettel, Wahllokale, in denen 'die Partei'-Mitglieder sich selbst gewählt haben - und in denen 'die Partei' nach der Auszählung mit null Stimmen ausgewiesen wurde."
Auf einer Online-Plattform soll sich Betroffene melden können
Dabei ist man sich bei der Partei durchaus im Klaren, dass eine Wahlwiederholung ausgesprochen hohe Hürden hat - dazu kommt es nur, wenn die Fehler tatsächlich Mandatsrelevanz haben sollten. Zunächst will man deshalb Vorfälle sammeln, auf die die Wahlprüfungsbeschwerde dann gestützt wird. Dazu soll eine Online-Plattform eingerichtet werden, über die sich Bürgerinnen und Bürger melden und - in Form einer eidesstattlichen Erklärung - angeben können, inwiefern sie Wahlfehler erlebt haben. Vertreten wird die Partei von dem Kölner Rechtsanwalt für öffentliches Wirtschaftrecht und renommiertem Parteienrechtler Dr. Sebastian Roßner.
Tatsächlich ist das ganze Ausmaß des Wahlchaos ist wahrscheinlich noch gar nicht abzusehen. Denn aus Berlin häufen sich die Nachrichten über Unregelmäßigkeiten: Schon am Wahltag wurde bekannt, dass die Schlangen vor einigen Wahllokalen außergewöhnlich lang waren. Es fehlten Wahlzettel, es staute sich vor den Wahlkabinen - immerhin waren auch gleich eine ganze Reihe von Wahlentscheidungen zu treffen, nämlich für die Bundestagswahl, die Wahl zum Abgeordnetenhaus, die Bezirksverordnetenvertretungen und den Volksentscheid "Deutsche Wohnen enteignen". Gleichzeitig fand der Berliner Marathon statt, der es erschwerte, Wahllokale in der Innenstadt überhaupt zu erreichen.
Inzwischen wurden weitere Pannen bekannt. Eine Recherche des rbb ergab, dass es in mindestens 99 Wahlbezirken auffallend viele ungültige Stimmen gab. Im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf hat lediglich geschätzte Zahlen gemeldet - das sei in bestimmten Fällen zulässig, erklärte der Bezirkswahlleiter ebenfalls gegenüber rbb. Unklar ist auch noch wie es dazu kommen konnte, dass in einigen Wahlbezirken eine Wahlbeteiligung von 150 Prozent gemeldet wurde. Die Landeswahlleiterin kündigte mittlerweile ihren Rücktritt an.
Sonneborn: "Muss man Satire-Partei sein, um das Prozedere ernst zu nehmen?"
Bis die Berliner Vorfälle vor Gericht landen, kann es allerdings noch dauern. Die Wahlprüfungsbeschwerde muss zunächst innerhalb von zwei Monaten nach der Wahl beim Wahlprüfungsausschuss des Bundestags eingelegt werden. Erst wenn dieser Ausschuss ein Votum abgegeben hat, kann das Verfahren vor das Bundesverfassungsgericht gehen. Die Wahlen zum Abgeordnetenhaus können dagegen direkt vor dem Landesverfassungsgericht angegriffen werden.
Die Verfassungsrichterinnen und -richter könnten eine Wahlwiederholung - begrenzt auf einzelne Wahlbezirke oder auf Berlin - anordnen, wenn sie zu der Auffassung kommen, dass die Fehler zu einer verfälschten Zusammensetzung des Bundestags bzw. des Abgeordnetenhauses geführt haben. Sie könnten aber auch lediglich Fehler feststellen - was zumindest zu anderen Abläufen bei den nächsten Wahlen führen dürfte.
"Muss man eigentlich eine 'Satire-Partei' sein, um Prozedere und Prozeduren eines demokratischen Wahlvorgangs ernster zu nehmen als die, deren eigene Legitimation dieser Vorgang begründet?", so Sonneborn und fügt hinzu, dann doch "Satire-Partei"-Vorsitzender, hinzu: "Ich fürchte, wir werden das so lange durchexerzieren müssen, bis die Berliner Verwaltung gelernt hat. Den Marathon lassen wir auch wiederholen."
Wahlchaos in Berlin: . In: Legal Tribune Online, 30.09.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46172 (abgerufen am: 16.10.2024 )
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