Der BGH hat einen sehr deutschen Nachbarschaftsstreit entschieden: Ja, Bambus kann eine "Hecke" im Rechtssinne sein. Nein, es gibt keine Höhenbegrenzung für Hecken in Hessen. Und ja, Hecken werden vom Grundstück, auf dem sie wachsen, gemessen.
Wer an Deutschland denkt, denkt früher oder später auch an präzise Regelungen, teils endlose Paragrafen und einen gewissen Drang, alles ordnen zu müssen. Etwas Wahres ist ja auch dran, denn hierzulande ist auch reguliert, wie hoch eine Hecke sein darf. So hat es ein Fall vor den Bundesgerichtshof (BGH) geschafft, in dem es um die Frage ging, ob es eine gesetzliche Höhenbegrenzung für Hecken gibt. Antwort aus Karlsruhe: Nein, gibt es nicht (Urt. v. 28.03.2025, Az. V ZR 185/23).
Der Ausgangspunkt dieses Nachbarschaftsstreits liegt in Hessen, wo ein Mann und eine Frau benachbarte Grundstücke besitzen. Seit den 1960er-Jahren ziert eine Aufschüttung entlang der gemeinsamen Grenze das Grundstück der Frau, die von einer 28 Meter langen und einen Meter hohen Mauer aus Betonprofilen gestützt wird.
Erst ging alles gut, 2018 eskalierte der Streit: Die Frau pflanzte auf der Aufschüttung Bambus und verbaute dabei eine sogenannte Rhizomsperre, um das Wachstum der Wurzeln in Richtung des Nachbargrundstücks zu verhindern. So blieb der Bambus innerhalb ihrer Grundstücksgrenzen, doch er schoss über die Jahre ordentlich in die Höhe – fast sieben Meter hoch.
Der Nachbar, der sich durch den immer höher wachsenden Bambus beeinträchtigt sieht, zog vor Gericht, weil die Frau ihren Bambus nicht beschnitt. Er forderte, dass der Bambus auf eine Wuchshöhe von maximal drei Metern zurückgeschnitten wird, wobei er darauf bestand, dass die Heckenhöhe vom Bodenniveau seines Grundstücks aus gemessen werde. Das Landgericht (LG) Frankfurt am Main gab ihm zunächst recht und ordnete den Rückschnitt an.
OLG: Bambusbepflanzung eine ordentliche "Hecke"
Die Frau legte Berufung ein und das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main gab wiederum ihr Recht. Es stufte die Bambuspflanzung als "Hecke" im Sinne des hessischen Nachbarrechtsgesetzes (NachbG HE) ein und entschied, dass diese trotz ihrer beachtlichen Höhe keine Beeinträchtigung für den Nachbarn darstelle.
Das OLG betonte, dass der Bambus durch die Rhizomsperre in einem Abstand von 0,75 Metern zur Grundstücksgrenze gepflanzt worden sei. Das entspreche genau den Anforderungen, die § 39 Abs. 1 Nr. 1 NachbG HE vorschreibt. Den Rückschnittanspruch des Nachbarn aus § 1004 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis (§ 39 NachbG HE) lehnte das Berufungsgericht daher ab.
Warum es so entscheidend ist, dass die Bambusbepflanzung als "Hecke" gilt, wird beim Blick ins hessische Nachbarrecht klar: Die Hecke genießt dort im Vergleich zu anderen Gewächsen rechtliche Privilegien. Bäume und stark wachsende Sträucher müssen zum Beispiel größere Abstände zum Nachbargrundstück einhalten als Hecken. Eine Hecke zu sein, ist damit nicht nur besonders, sondern auch von Vorteil.
Was als "Hecke" zählt, hänge maßgeblich vom äußeren Erscheinungsbild ab, so die Vorsitzende Richterin, Bettina Brückner. Die Anpflanzung müsse einen geschlossenen Eindruck als Einheit vermitteln. Da das bei der Bambusbepflanzung hier der Fall sei, sei der Bambus hier als "Hecke" zu werten.
Der BGH hatte daher als nächsten Schritt zu entscheiden, ob eine Hecke grundsätzlich eine bestimmte Maximalhöhe haben kann – und ob sie ihre "Heckenidentität" verliert, sobald sie diese überschreitet. So hatte es nämlich der Anwalt des klagenden Nachbarn mit Verweis auf die bisherige Rechtsprechung gesehen: Hecken dürften demnach nicht höher als drei Meter sein.
Dieser Auffassung erteilte der BGH jedoch – wie bereits das OLG zuvor – eine klare Absage. Aus dem Begriff "Hecke" lasse sich keine allgemeine, gesetzlich festgelegte Höhenbegrenzung ableiten, entschied der Senat.
Höhenlimit? Das ist Sache des Gesetzgebers
Der BGH ließ dabei auch nicht gelten, dass die allgemeine Sprachverwendung eine Hecke vor allem durch ihre Abgrenzungs- und Schutzfunktion definiere und dafür eine gewisse Höhe ausreiche. Zudem sei es nicht nachvollziehbar, dass eine Hecke, die über eine bestimmte Höhe hinauswächst, keine mehr sein solle – nur um durch einen Rückschnitt wieder zu einer zu werden.
Zuletzt verwies der BGH auf den (Landes-)Gesetzgeber. Wenn der keine konkrete Grenze für die Heckenhöhe festlegt, sei es nicht Aufgabe der Gerichte, eine solche zu bestimmen, betonte Brückner. Einige Bundesländer haben bereits entsprechende Höhenbegrenzungen in ihr Nachbarrecht aufgenommen. Dass dies in Hessen – ähnlich wie im Saarland und Nordrhein-Westfalen – nicht der Fall ist, müssten die Gerichte respektieren.
OLG muss noch einmal neu entscheiden
Für die streitenden Nachbarn aus Hessen ist die Sache damit aber noch nicht vom Tisch. Zwar hat der BGH der Frankfurter Vorinstanz in puncto fehlender Höhenbegrenzung den Rücken gestärkt, das Urteil jedoch trotzdem kassiert und zurück nach Frankfurt verwiesen. Denn der BGH-Senat hatte so seine Zweifel, ob der Bambus wirklich den vorgeschriebenen Mindestabstand von 75 Zentimetern für Hecken über zwei Meter Höhe einhält. Das OLG darf also noch einmal das Maßband anlegen – deutsche Präzisionsarbeit eben.
Sollte sich dabei herausstellen, dass der Bambus doch ein paar Zentimeter zu nah am Grundstück des Nachbarn steht, hätte der wiederum Anspruch auf Rückschnitt – allerdings erst nach amtlicher Vermessung.
Für diesen Fall hat der BGH auch gleich klargestellt, dass die Heckenhöhe dann vom Grundstück der Nachbarin aus zu messen sei. Der klagende Nachbar hatte gehofft, das tiefere Niveau seines eigenen Grundstücks als Messbasis durchzusetzen, doch der BGH winkte ab: Gemessen wird dort, wo der Bambus aus der Erde tritt – und nicht dort, wo es für den klagenden Nachbarn am vorteilhaftesten wäre.
xp/LTO-Redaktion
Mit Material von dpa
BGH zum Nachbarrecht: . In: Legal Tribune Online, 28.03.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56896 (abgerufen am: 22.05.2025 )
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