BGH verneint Schaden bei der Pferdezucht: Stute mit fal­schem Hengst­samen befruchtet

05.11.2025

Pferdezucht ist ein Millionengeschäft. Doch vertauscht ein Tierarzt bei der Befruchtung den Samen zwei prachtvoller Zuchthengste, muss der Stutenhalterin nicht automatisch ein Schaden daraus entstehen, bestätigte der BGH die Vorinstanz.

Dem lebenden Organismus – sei es der Mensch oder auch das Pferd – haftet eine "Eigengesetzlichkeit und weitgehende Undurchschaubarkeit" an. Deshalb führt das Vertauschen von Samen bei der Pferdezucht nicht zu einem Schadensersatzanspruch wegen entgangenen Gewinns gemäß § 252 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden (Urt. v. 14.10.2025, Az. VI ZR 14/25).

Die in diesem Fall klagende Frau versuchte mehrmals, ihre Stute besamen zu lassen. Dafür sollte gezielt der Samen des ausgewählten Hengstes B. – ein sogenannter Springpferdevererber – genutzt werden, was einem Tierarzt jedoch zweimal misslang. Deshalb sollte nun ein anderer Tierarzt sein Glück probieren.

Der zweite Tierarzt war erfolgreich. Blöd: Dabei kam es aus Sicht der Frau zum Fehler. Der Tierarzt hatte nämlich auch den Samen des Dressurhengstes S. bei sich vorrätig. Ihm gelang zwar die Befruchtung der Stute, allerdings mit dem S.-Samen und nicht wie gewünscht mit dem B.-Samen. Die Stute der klagenden Frau gebar daraufhin ein Hengstfohlen, welches nachweislich von S. abstammt. Offensichtlich hatte der Tierarzt die Samen vertauscht.

Die klagende Frau beauftragte für gut 1.000 Euro ein Sachverständigengutachten, wonach das von S. abstammende Fohlen im Vergleich zu einem hypothetischen von B. abstammenden Fohlen einen Minderwert von 2.500 Euro hat. Zudem musste die Frau dem Gestüt W., zu dem S. gehörte, noch eine Decktaxe in Höhe von 1.200 Euro zahlen, um das Fohlen beim Zuchtverband anmelden zu können. Alle diese Kosten wollte die klagende Frau von dem Tierarzt, dem die Befruchtung gelang, ersetzt haben.

Pflichtverletzung ja, Schaden nein

Die Vorinstanzen – das sind das Amtsgericht Tostedt und das Landgericht Stade – sprachen der Frau jedoch nur Erstattung der Kosten für die Decktaxe zu. Einen Anspruch auf Geld für die Wertdifferenz zwischen geborenem S.-Fohlen und dem hypothetischen B.-Fohlen verneinten die Vorinstanzen aber, ebenso wie auf Erstattung der Sachverständigenkosten. Zu Recht, wie der VI. Zivilsenat des BGH nun entschied.

Zwar habe der Tierarzt seine Pflicht zur gewissenhaften Vornahme der Besamung verletzt, indem er den falschen Samen nutzte. Jedoch hätten die Vorinstanzen rechtlich vertretbar verneint, dass der Frau aus dieser Pflichtverletzung ein Schaden in Höhe der geforderten Wertdifferenz gemäß §§ 249 Abs. 1, 252 BGB entstanden ist, so der BGH.

Die Schadensermittlung ist gemäß § 287 Zivilprozessordnung (ZPO) Sache des Tatgerichts, hier also des Landgerichts als Berufungsinstanz. Der BGH kann die LG-Entscheidung deshalb nur auf Rechtsfehler überprüfen, zum Beispiel ob ein erhebliches Vorbringen der Parteien unberücksichtigt blieb, Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt wurden, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder der Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt wurden. 

Bei der nach § 287 Abs. 1 ZPO vorzunehmenden Schätzung zur Bestimmung der Schadenshöhe müssten tragfähige Anknüpfungspunkte zugrunde gelegt werden, die dem konkreten Einzelfall Rechnung tragen, legt der BGH den Prüfungsmaßstab fest. Auch bedürfe es für die Prognose des entgangenen Gewinns im Sinne des § 252 S. 2 BGB konkreter Anknüpfungstatsachen. Daran ändere auch nichts die sich aus § 252 BGB und § 287 ZPO ergebende Beweiserleichterung, "wonach der Geschädigte nur die Umstände darzulegen und in den Grenzen des § 287 ZPO zu beweisen braucht, aus denen sich nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder den besonderen Umständen des Falls die Wahrscheinlichkeit des Gewinneintritts ergibt". Es seien insoweit keine allzu strengen Anforderungen zu stellen, betont der Senat.

Fehlende Zuchterfahrung wird zum Verhängnis

Insoweit habe das Landgericht vertretbar entschieden, lautet das Ergebnis des BGH. Dieses hatte nämlich argumentiert, das Produkt der Fortpflanzung zweier Lebewesen unterliege derart vielen nicht vorhersehbaren Unsicherheiten, dass sich letztlich nicht prognostizieren lasse, welche Entwicklung ein Fohlen der Stute genommen hätte, wenn die Besamung – wie eigentlich vereinbart – durch B. erfolgt wäre. Zwar gebe es gerade in der Pferdezucht gewisse Erfahrungssätze zu unterschiedlich optimistischen Hoffnungen und Erwartungen hinsichtlich der Qualität des ungeborenen Tieres – gleichwohl bleibe die Beurteilung spekulativ.

Das Landgericht nahm dabei die Eigenschaften aller drei Pferde genau unter die Lupe. B. und S. seien im Spring- bzw. Dressursport jeweils sehr erfolgreich und deshalb begehrte Zuchthengste. Die Stute der klagenden Frau sei jedenfalls bisher keine Zuchtstute gewesen, sodass keine allgemeinen Erfahrungswerte über die Qualität von ihr hervorgebrachter Fohlen existierten. Genau das ging im Ergebnis zulasten der Frau: Wegen der fehlenden Zuchterfahrung mit der Stute könne ein "gewöhnlicher Verlauf der Dinge" gerade nicht prognostiziert werden, so das LG. Der BGH sah in dieser Würdigung keine Rechtsfehler.

Der VI. Zivilsenat ergänzte sogar noch einige Argumente. Erstens verwies er auf die zwei gescheiterten Besamungsversuche aus der Vergangenheit mit dem B.-Samen. Daher sei "sehr fraglich", wie eine (womöglich schon wieder nicht erfolgreiche) Besamung verlaufen wäre. Zweitens habe das eingeholte Privatgutachten eine Wertdifferenz allein auf abstrakter Grundlage berechnet. Dabei sei die Einholung "nicht erforderlich und zweckmäßig" gewesen, so der BGH. Deshalb könnten die Kosten hierfür auch nicht ersetzt verlangt werden, so der BGH.

jb/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BGH verneint Schaden bei der Pferdezucht: . In: Legal Tribune Online, 05.11.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/58543 (abgerufen am: 14.11.2025 )

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