Wer wegen baulicher Mängel an seinem Haus die Vergütung mindert, kann sich später immer noch dafür entscheiden, selbst zu reparieren, und dafür Kostenvorschuss verlangen. Die erklärte Minderung versperrt diesen Wechsel nicht, so der BGH.
Gibt es Mängel an einem Werk, hat der Besteller einen ganzen Katalog an rechtlichen Möglichkeiten, um Defizite bei der Fertigung auszugleichen. Dabei dürfen sich Besteller teilweise sogar noch nachträglich umentscheiden, welches Mängelrecht er ausübt. So hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun festgehalten: Eine erklärte Minderung der Vergütung für ein mangelhaftes Werk schließt den Anspruch auf Vorschuss der Kosten zur selbstständigen Mängelbeseitigung nicht aus (Urt. v. 22.08.2024, Az. VII ZR 68/22).
Dem Urteil liegt ein schon über zehn Jahre zurückliegender Hausbau zugrunde. 2012 hatte die klagende Baufirma für das beklagte Ehepaar ein Einfamilienhaus auf dessen Grundstück errichtet. Allerdings war beim Bau einiges schiefgelaufen und insbesondere der Schallschutz nur mangelhaft umgesetzt worden. Als die Firma in ihrer Schlussrechnung einen Restbetrag von über 100.000 Euro forderte und später einklagte, erklärten die Eheleute die Minderung der Vergütung nach § 634 Nr. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und verlangten im Wege der Widerklage die Rückzahlung eines bereits bezahlten Betrags.
Das Landgericht wies die Widerklage der Grundstückseigentümer jedoch ab. Die geltend gemachten Schallschutzmängel hätten keinen Einfluss auf den Verkehrswert des Grundstückes. Einen Minderwert habe es somit gar nicht gegeben. Dieser Auffassung war auch das Berufungsgericht, weswegen die Eheleute nunmehr statt der Vergütungsminderung einen Kostenvorschuss für die eigenhändige Beseitigung der Schallschutzmängel verlangten. Damit kamen sie vor dem BGH nun durch.
Keine unumkehrbare Bindungswirkung der Minderung
In ihrer Revision vertrat die Baufirma die Auffassung, die Minderungserklärung entfalte "unumkehrbare Bindungswirkung" und stünde somit einem Kostenvorschussanspruch entgegen. Davon ließ sich der BGH jedoch nicht überzeugen: Den Grundstückseigentümern stehe ein Kostenvorschussanspruch zu, obwohl sie wegen der Mängel zuvor die Minderung erklärt hatten.
Zum einen existiere keine gesetzliche Regelung, wonach die Geltendmachung eines Kostenvorschussanspruchs ausgeschlossen sei, wenn der Besteller die Minderung des Werklohns erklärt hat, so die Karlsruher Richter. Vielmehr sei dem Gesetzeswortlaut der §§ 634, 637, 638 BGB nach davon auszugehen, dass die Rechte nebeneinander bestehen können.
Zum anderen sprächen systematische Erwägungen dafür, dass die Geltendmachung eines Mängelrechts andere Mängelrechte nicht ausschließt. Nur in einem Fall sei das gesetzlich anders geregelt: Wer Schadensersatz statt der Leistung fordert – also zum Ausdruck bringt, sich vom Vertrag lösen zu wollen – verliere gemäß § 281 Abs. 4 BGB ausdrücklich seinen Anspruch auf Nacherfüllung.
Recht auf Selbstvornahme bleibt bestehen
Diese Rechtsfolge erstrecke sich aber nicht auf die Befugnis zur Selbstvornahme und damit auch nicht auf den Anspruch auf Kostenvorschuss nach §§ 634 Nr. 2, 637 BGB, so der BGH. Zur Begründung zog der VII. Senat seine Rechtsprechung zum Verhältnis des sogenannten kleinen Schadensersatzes zum Kostenvorschussanspruch heran. Demnach kann jemand einen Mangel immer noch selbst beseitigen, auch wenn er sich für den "kleinen Schadensersatz" entscheidet – das mangelhafte Werk also behält und stattdessen Geldersatz fordert –, und die Aufwendungen entsprechend als Schaden vom Unternehmer erstattet verlangen.
Dasselbe gelte für die Erklärung der Minderung, so der BGH nun. "Wählt also der Besteller zunächst das Mängelrecht der Minderung, steht es ihm ebenfalls grundsätzlich frei, zu einem späteren Zeitpunkt den Mangel zu beseitigen und zur Finanzierung der Aufwendungen einen Kostenvorschussanspruch geltend zu machen." Die Rechtsnatur der Minderung stehe dem nicht entgegen.
Denn mit Erklärung der Minderung bringt der Besteller laut BGH einerseits zum Ausdruck, keine Beseitigung des Mangels durch den Unternehmer zu wollen und andererseits, das Werk trotz des Mangels behalten zu wollen. Somit seien zwar sowohl der Nacherfüllungsanspruch (§ 634 Nr. 1 BGB) als auch ein Rücktritt vom Vertrag (§ 634 Nr. 3 Fall 1 BGB) grundsätzlich ausgeschlossen. Auch großen Schadensersatz – also die Rückgängigmachung des Vertrages – könne der Besteller dann nicht mehr verlangen (§§ 634 Nr. 4, 281 BGB). Der Weg zum kleinen Schadensersatz sei dagegen nicht versperrt, so der BGH.
Doppelt vertragswidrig handelnde Unternehmer nicht schutzwürdig
Zur Begründung führte er an: Genau wie die Minderung ziele auch der kleine Schadensersatz darauf ab, das verletzte Leistungsinteresse des Bestellers, der ein mangelhaftes Werk behält, auszugleichen. "Diese Mängelrechte schließen sich nicht aus, sondern ergänzen sich", hielt der BGH fest.
Der Unternehmer sei auch nicht davor zu schützen, nach einer einmal erklärten Minderung der Vergütung nicht mehr auf die Kosten der selbst vorgenommenen Mängelbeseitigung in Anspruch genommen zu werden. Vielmehr habe er in doppelter Weise vertragswidrig gehandelt, wenn er zum einen ein mangelhaftes Werk herstellte und zum anderen seiner Pflicht zur Nacherfüllung nicht nachkam.
Die Minderungserklärung nehme dem Besteller mithin nicht das Recht, "sein Leistungsinteresse durch Selbstvornahme mit Kostenerstattung im Wege des Schadensersatzes statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) oder gemäß § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 1 BGB in vollem Umfang durchzusetzen" – und dazu zählte eben auch der Vorschuss.
Anders als vom Berufungsgericht angenommen, kommt es laut dem BGH auch nicht darauf an, ob der Wert des Werks überhaupt gemindert sei oder – wie in diesem Fall – nicht. Ein nachträglicher Wechsel von der Minderung zur Selbstvornahme sei unabhängig davon möglich.
lmb/LTO-Redaktion
Minderung schließt Selbstvornahme nicht aus: . In: Legal Tribune Online, 02.10.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55528 (abgerufen am: 13.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag