BGH zum kollusiven Zusammenwirken bei Mietverträgen: Günstig Mieten nicht gleich illegal

07.04.2025

177 Quadratmeter in Berlin für 600 Euro im Monat – so ein Mietvertrag kann nicht wirksam sein oder? Doch, meint der BGH. Zumindest genügen die günstigen Bedingungen allein noch nicht, um Sittenwidrigkeit anzunehmen. 

Der Umstand allein, dass der Geschäftsführer einer GmbH eine sehr geräumige Wohnung in Berlin für eine auffällig geringe Miete vermietet, rechtfertigt noch nicht die Annahme, dass dieser treuwidrig handelte und der Vertragspartner das hätte wissen müssen. Um von der Unwirksamkeit des Vertrages auszugehen, braucht es vielmehr hinreichende Anhaltspunkte, die auf ein bewusstes Mitwirken oder wenigstens Kenntnis des Mieters schließen lassen, hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden (Urt. v. 26, März 2025, Az.: VII ZR 152/23).

In dem zugrundeliegenden Fall geht es um ein Paar, das seit 2017 gemeinsam mit seinen Kindern in einer 177 Quadratmeter großen Fünfzimmerwohnung in Berlin lebt. Im Mietvertrag vereinbarten die Frau als alleinige Mieterin und die GmbH, die Eigentümerin der Wohnung ist, eine Kaltmiete von 600 Euro monatlich. Die Bruttomiete sollte sich auf 1.010 Euro belaufen. Außerdem sollte die Miete erst ab September 2018 gezahlt werden. Bis dahin sollte die Mieterin die Wohnung fachgerecht renovieren lassen, zumindest solange es sich nicht um Maßnahmen handelte, die vom Vermieter durchzuführen sind.

Knappe vier Jahre später forderte die GmbH die Räumung und Herausgabe der Wohnung von der Familie. Zur Begründung führte sie an, der Mietvertrag sei durch kollusives Verhalten zustande gekommen und zudem wegen der niedrigen Miete sittenwidrig. Der frühere Geschäftsführer der GmbH, der den Vertrag als Vertreter unterzeichnet hatte, war zwischenzeitlich abgelöst worden. Der Vorwurf: Schädigung der Vermögensinteressen der GmbH.

BGH: LG differenziert nicht hinreichend zwischen Sittenwidrigkeit und Treu und Glauben 

Weil die Familie nicht ausziehen wollte, reichte die GmbH schließlich Klage ein. Während das Amtsgericht Charlottenburg die Klage noch abgewiesen hat, gab das Landgericht (LG) Berlin ihr weitestgehend statt. Der Mietvertrag sei nach § 138 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam, da der frühere Geschäftsführer mit dem Lebensgefährten der Mieterin zum Nachteil der GmbH zusammengewirkt habe. Denn die Vereinbarung einer Kaltmiete von 600 Euro sei – auch unter Berücksichtigung zu leistenden Renovierungsarbeiten – ein Verstoß gegen die guten Sitten. Außerdem sei dem Lebensgefährten der Mieterin bekannt oder jedenfalls grobfahrlässig unbekannt gewesen, dass der damalige Geschäftsführer nicht zum Abschluss eines solchen Vertrages befugt gewesen sei. Er habe gewusst, dass die GmbH die Wohnung verkaufen und nicht vermieten wollte. Aufgrund der sehr günstigen Bedingungen des Mietvertrages sei ihm auch klar gewesen, dass die GmbH alle möglichen Schritte zur Kündigung des Vertrages einleiten würde. Dieser Wissensstand sei seiner Lebensgefährtin als Vertragspartnerin nach § 166 BGB zuzurechnen.

Das Urteil des Berufungsgerichts wurde nun aber auf die Revision des Paares hin vom BGH aufgehoben. Die Begründung des LG Berlins stütze einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe aus §§ 546 Abs. 1 und 2, 985 BGB nicht. Denn anders als vom LG angenommen, genüge Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis vom Missbrauch der Vertretungsmacht nicht, um von einem kollusiven Zusammenwirken auszugehen. 

Der BGH erklärt: Wirkt ein Vertreter mit dem anderen Vertragsteil bewusst und zum Nachteil des Vertretenen zusammen, ist ein Rechtsgeschäft nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Selbst wenn eine solche Kollusion nicht vorliegt, kann sich der Vertretene nach § 242 BGB auf die Unwirksamkeit des Vertrages berufen, wenn der Vertragspartner den Missbrauch der Vertretungsmacht erkannt hat oder hätte erkennen müssen.

Dass die Frau – die den Mietvertrag als alleinige Vertragspartnerin unterschrieben hat – aber derart mit dem damaligen Geschäftsführer zusammenwirken wollte, habe das LG schon nicht hinreichend festgestellt. Es sei nicht ersichtlich, dass die Frau überhaupt Kenntnis hinsichtlich der Begleitumstände des Vertragsschlusses oder etwaiger Absprachen zwischen dem Geschäftsführer und ihrem Lebensgefährten hatte. 

Auch in Bezug auf den Lebensgefährten, dessen Handeln und Wissen das LG in erster Linie berücksichtigt habe, genügen die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht, so der BGH. Vielmehr deute der Umstand, dass das LG die Kenntnis beziehungsweise die grobfahrlässige Unkenntnis des Mannes für die Bejahung von § 138 BGB ausreichen lies, darauf hin, dass das Gericht die Fälle der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) nicht exakt von denen der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) unterschieden habe. 

Recht verstehen und Mitreden. Die zentralen Rechtsdebatten des Landes im LTO-Podcast “Die Rechtslage”. Reinhören und Abonnieren. Überall, wo es Podcasts gibt.

Urteil des LG Berlin lässt viele Fragen offen

Darüber hinaus ist nach Ansicht der Karlsruher Richter auch nicht hinreichend festgestellt, dass die Mieterin das treuwidrige Handeln des damaligen Geschäftsführers der GmbH hätte erkennen müssen. Zwar habe der Geschäftsführer bei Abschluss des Mietvertrages tatsächlich entgegen dem Willen der GmbH gehandelt und insofern seine Vertretungsmacht überschritten. Schließlich sollten die Wohnungen verkauft und nicht vermietet werden. Davon konnte aber nach bisherigen Feststellungen nur der Lebensgefährte der Mieterin wissen, der selbst nicht Vertragspartner ist. Für eine wie vom LG vorgenommene Zurechnung über § 166 BGB fehlen indes abermals entsprechende Feststellungen.

Eindeutig sei immerhin, dass der Mann bei der Vertragsunterzeichnung nicht als Stellvertreter für seine Lebensgefährtin aufgetreten ist. Davon, dass die Zurechnung aufgrund anderer Umstände möglich ist, etwa weil die Frau ihren Lebensgefährten mit der Erledigung bestimmter Aufgaben in Bezug auf die Anmietung der Wohnung betraut hat oder zumindest wusste und billigte, dass er entsprechend tätig geworden ist, könne aber nicht ausgegangen werden. Denn auch dazu habe das LG keine Feststellungen getroffen. Allein der Umstand, dass die beiden als Paar mit den gemeinsamen Kindern in der streitgegenständlichen Wohnung leben, genüge jedenfalls nicht. "Die willentliche und bewusste Einschaltung des Dritten als Wissensvertreter darf nicht schlicht vermutet werden", so der BGH.

Letztlich könne auf Basis des vom LG Berlin festgestellten Sachverhalts auch nicht angenommen werden, dass sich der Frau allein aufgrund der sehr günstigen Mietbedingungen hätte aufdrängen müssen, dass der Geschäftsführer zum Abschluss eines solchen Vertrages eigentlich nicht befugt war. Allein die Höhe der Kaltmiete "von immerhin (noch)" 600 Euro im Monat sowie die Mietbefreiung für das erste Jahr gegen Renovierung der Wohnung war dafür nicht ausreichend, meint der BGH.

Weil insofern noch allerlei Feststellungen zu treffen sind, muss das LG Berlin nun erneut über die Sache verhandeln und letztlich zu einer neuen Entscheidung kommen.

lmb/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BGH zum kollusiven Zusammenwirken bei Mietverträgen: . In: Legal Tribune Online, 07.04.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56948 (abgerufen am: 28.04.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen