Zwar hat sie das Neutralitätsgebot nicht gewahrt, aber das war nicht willkürlich oder unsachlich: Laut VGH Rheinland-Pfalz durfte Ex-Ministerpräsidentin Malu Dreyer zu einer Demonstration "gegen Rechts" aufrufen und sich AfD-kritisch äußern.
Die ehemalige rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer durfte zu einer Demonstration "gegen Rechts" aufrufen und einen AfD-kritischen Instagram-Beitrag absetzen. Die AfD ist mit ihrer Klage gegen die SPD-Politikerin und die rheinland-pfälzische Landesregierung gescheitert. Die beklagten Aussagen Dreyers haben dem Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gedient und seien rechtmäßig, entschied der Verfassungsgerichtshof (VGH) Rheinland-Pfalz (Urt. v. 02.04.2025, Az. VGH O 11/24).
Dreyer hatte letztes Jahr über das Internetportal der Landesregierung zu einer Demonstration unter dem Motto "Zeichen gegen Rechts – kein Platz für Nazis" aufgerufen. Zudem hatte sie auf ihrem Instagram-Account in Bezug auf kurz zuvor bekannt gewordenen Abschiebepläne erklärt: "Der Begriff 'Remigration' verschleiert, was die AfD und andere rechtsextreme Verfassungsfeinde vorhaben: Sie planen die Vertreibung und Deportation von Millionen Menschen aus rassistischen Motiven. So verschieben sie die Grenze weiter nach rechts und radikalisieren den gesellschaftlichen Diskurs."
Die Landes- und Bundespartei der AfD hatten Dreyer und der Landesregierung eine Verletzung des Neutralitätsgebots vorgeworfen. Diese Pflicht gebietet Staatsorganen nicht zugunsten oder zulasten einer politischen Partei – sofern sie nicht verboten wurde – auf den Parteienwettbewerb einzuwirken. In einer Mitteilung der AfD hieß es damals: "Mit ihrer infamen Hetze gegen unsere AfD als Ministerpräsidentin über das Portal der Staatskanzlei hat Malu Dreyer den Boden der Demokratie und des Grundgesetzes verlassen."
Neutralitätsgebot nicht gewahrt
Der VGH entschied nun, dass die Äußerungen zwar tatsächlich in das Recht auf Chancengleichheit der Partei aus Art. 21 Abs. 1 S. 1 Grundgesetz und Art. 17 Abs. 1 der rheinland-pfälzischen Verfassung eingegriffen und das Neutralitätsgebot nicht gewahrt hätten. Allerdings seien sie zum Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gerechtfertigt.
Das Land Rheinland-Pfalz verstehe sich als wehrhafte Demokratie und dergestalt sei die Verfassung gerade nicht neutral gegenüber ihren Gegnern. Die Verfassungsorgane seien verpflichtet, für die Grundsätze und Werte der Verfassung einzutreten und vor allem auch dazu befugt, sich mit verfassungsfeindlichen Parteien zu befassen.
In diesem Sinne dürfe die Regierung auch an der öffentlichen Auseinandersetzung darüber teilnehmen, ob Ziele und Verhalten einer politischen Partei oder deren Mitglieder als verfassungsfeindlich einzuordnen sind, so der VerfGH. Erst wenn die staatlichen Einschätzungen und Bewertungen willkürlich oder unsachlich würden, seien solche Äußerungen unzulässig.
Richter: "Keine Blankoermächtigung"
Der Richter betonte aber: "Dies ist keine Blankoermächtigung zur Bekämpfung des politischen Gegners unter dem Deckmantel der Verteidigung der Verfassung." Es brauche eine hinreichende Grundlage. Die sei in diesem Fall gegeben.
Die Aussagen von Dreyer waren nach Ansicht des VGH weder willkürlich noch unsachlich. Im Gegenteil: Die darin enthaltenen Wertungen ließen sich auf – unter Beifall der AfD – gehaltene Reden von Mitgliedern der AfD im Deutschen Bundestag und die Feststellungen in den Verfassungsschutzberichten des Landes Rheinland-Pfalz aus den Jahren 2022 und 2023 stützen. Außerdem habe Dreyer die amtlichen Aussagen "erkennbar zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung veröffentlicht". Diffamierende oder diskriminierende Wertungen seien nicht enthalten.
Die ehemalige Ministerpräsidentin begrüßte die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs, wie sie mitteilte. "Mein Anliegen war und ist stets der Kampf für unsere Demokratie und gegen Verfassungsfeinde." Der Verfassungsgerichtshof habe zur Verteidigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung nun neue Leitlinien entwickelt, an denen man sich zukünftig orientieren könne.
Anpassung im Teaser am 03.04.2025: Zuvor stand dort, dass das Neutralitätsgebot "verletzt" worden sei.
lmb/LTO-Redaktion
mit Material der dpa
AfD scheitert mit Klage vorm VGH: . In: Legal Tribune Online, 02.04.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56927 (abgerufen am: 22.05.2025 )
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