Falsche Stimmzettel, zuviel Werbung, eine vielleicht überflüssige Sperrklausel – viele Gründe, weshalb die Landtagswahl hätte zunichte gemacht werden können. Die Richter am VGH Saarland stellten zahlreiche Verstöße fest, aber im Ergebnis fehlte ihnen die Relevanz. Auswirkungen für Mandate seien nicht messbar gewesen, die Wahl also trotzdem gültig.
Der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes (VerfGH) hat die Wahlprüfungsbeschwerden mehrerer Wähler und der SPD-Landtagsfraktion zurückgewiesen. Zwar habe es Verstöße gegen Wahlrechtsgrundsätze gegeben, die Wähler seien aber nicht messbar zugunsten einer Partei beeinflusst worden. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel sei mit dem Wahlrecht vereinbar, die Landtagswahl wurde für gültig erklärt (Urt. v. 29.09.2011, Az. Lv 4/11 – Lv 6/11).
Anlass für die Wahlprüfung war der Vorwurf an die CDU-Landesregierung, keine zulässige Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Die Regierung habe für die Partei Werbung im Wahlkampf gemacht. Der VerfGH bestätigte diesen Vorwurf. Die CDU habe mit der Broschüre "Saarland – aber sicher", einer Anzeigenserie zum Thema "Der Ministerpräsident informiert", und einem Begleitschreiben zur Gehaltsabrechnung an alle Beschäftigten des Landes insoweit werbend in den Wahlkampf eingegriffen.
Auch die Stimmzettel seien nicht gesetzeskonform gewesen – ein Orientierungspfeil hätte in das Feld der CDU geragt. Die Reihenfolge der Parteien auf dem Stimmzettel sei nicht mit dem Gebot der Wahlrechtsgleichheit und dem Grundsatz der Gleichbehandlung der politischen Parteien vereinbar gewesen. Denn nicht im Landtag vertretene Parteien wurden alphabetisch hinter den im Landtag vertretenen sortiert.
Verstöße ohne Wirkung
Jedoch hätte die Anhörung von Sachverständigen ergeben, dass die genannten Verstöße nicht konkret die Wählerentscheidung hätten beeinflussen können. Die Wähler würden vielmehr auf Programme und Ziele achten als auf die Werbung der Parteien. Mandatsrelevanz hätten die Verstöße daher nicht, die Wahl sei trotzdem gültig.
Zu keinem anderen Ergebnis führe die Überprüfung der Fünf-Prozent-Sperrklausel. Diese sei zur Sicherung stabiler Mehrheiten eingeführt worden und noch mit der Verfassung vereinbar. Der VerfGH stellte aber infrage, ob die Sorge um Parteienzersplitterung und Funktionsfähigkeit des Parlaments heute noch aktuell und zwingend ist. Der Eingriff in die Wahlrechtsgleichheit und Chancengleichheit sei weitreichend, der Gesetzgeber solle die Erforderlichkeit aktuell prüfen.
ssc/LTO-Redaktion
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VerfGH des Saarlandes: . In: Legal Tribune Online, 30.09.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4439 (abgerufen am: 04.12.2024 )
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