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BayVGH hält pauschales Verbot für unrechtmäßig: "From the river to the sea" grund­sätz­lich erlaubt

27.06.2024

Eine Pro-Palästina-Demonstration

Auf Pro-Palästina-Demonstationen erfreut sich der Ausspruch großer Beliebtheit. Deutschlands Gerichte entscheiden bisher sehr unterschiedlich. Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Michael Kuenne

Die Frage, ob die Äußerung der Parole "From the river to the sea" erlaubt ist, wird von Behörden und Gerichten sehr unterschiedlich beantwortet. Nun gibt es eine wichtige Entscheidung des BayVGH zu einem Pauschalverbot auf einer Demonstration.

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Seit der Eskalation des Nahostkonflikts durch den Terrorangriff der Hamas auf Isreal am 7. Oktober 2023, bei dem etwa 1.200 Menschen getötet und 240 Geiseln genommen wurden, ist auch hierzulande eine enorme Polarisierung zu beobachten. Israels militärische Reaktion auf den Terrorangriff wird teilweise für unverhältnismäßig gehalten, zuletzt ordnete der Internationale Gerichtshof mit Verweis auf die humanitäre Lage in Gaza einen Stopp der Offensive in Rafah an.

Dabei ist die Parole "From the river to the sea, palestine will be free" unter propalästinensischen Aktivisten besonders beliebt. Ob sie auch geäußert werden darf, ist juristisch allerdings hochumstritten. Während die Exekutive diese Parole regelmäßig für strafbar hält und zu unterbinden sucht, tendiert die Judikative bislang wohl überwiegend dazu, die Äußerung zu gestatten. Nun hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) entschieden, dass die Äußerung der Parole im Grundsatz erlaubt ist (Beschl. v. 26.06.2024, Az. 10 CS 24.1062).

Im Zweifel für die Meinungsfreiheit

In dem Fall, den der VGH zu entscheiden hatte, wollten propalästinensische Aktivisten eine Versammlung abhalten. Das hatte die Versammlungsbehörde auch erlaubt – allerdings mit dem Hinweis, dass die Parolen "From the river to the sea, palestine will be free!" sowie "From the river to the sea, we want justice and equality!" zu unterlassen seien. Gegen diesen Hinweis wendeten sich die Aktivisten und hatten in zweiter Instanz Erfolg.

Das höchste bayerische Verwaltungsgericht stellte fest, dass bei einer mehrdeutigen Meinungsäußerung grundsätzlich die Deutung unterstellt werden müsse, die für den Äußernden im Verfahren am günstigsten ist, also ggf. rechtlich erlaubt ist. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Meinungsfreiheit, auf die der VGH ausdrücklich verweist (BVerfG, Beschl. v. 28.3.2017, Az. 1 BvR 1384/16).

Der 10. Senat betonte, dass eine Strafbarkeit nach §§ 86a, 86 Strafgesetzbuch (StGB; Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen) von den Umständen des Einzelfalls abhänge, insbesondere von einem erkennbaren Bezug der Parole zur Hamas. Demnach halten die Münchner Richter eine Strafbarkeit der Äußerung der Parole nicht generell für ausgeschlossen.

Dem Argument der Versammlungsbehörde, dass die Parole eindeutig der Hamas zuzuordnen sei, folgte der 10. Senat aber nicht. Das war in diesem Fall der Knackpunkt: Konkrete Anhaltspunkte für einen solchen Bezug habe die Behörde in ihrer notwendigen Gefahrenprognose für das Verbot nicht dargelegt. Solche müsse sie aber vorlegen, wenn sie die Parole von vornherein pauschal auf einer Demonstration untersagen möchte, so der VGH.

Die Behörde hatte mit der "lebensnahen Betrachtung" argumentiert, nach der die Parole mit konkretem Bezug zur Hamas verwendet werde. Dem hielt der VGH aber entgegen, dass der Staat "darlegungs- und beweisbelastet für das Vorliegen einer unmittelbaren, konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung" sei. Insofern war den Richtern die Gefahrenprognose nicht konkret genug.

Mit der aktuellen Entscheidung gehe jedoch keine "Legalisierungswirkung" der Parole einher, betonte das Gericht ausdrücklich. Es schrieb in seinen Beschluss: "Die Antragstellerin und die Teilnehmenden der Versammlung haben selbst dafür Sorge zu tragen, sich in nicht strafbarer Weise zu verhalten. Den Strafverfolgungsbehörden bleibt es unbenommen, im Einzelfall strafrechtlich relevantes Verhalten als solches zu verfolgen".

Hin und Her in der Rechtsprechung

Die Frage der rechtlichen Zulässigkeit der Parole wird von Gerichten höchst unterschiedlich beurteilt. Während der Hessische VGH – wie nun der Bayerische VGH – die Parole im Grundsatz für zulässig hält (Beschl. v. 22.03.2024, Az. 8 B 560/24 – LTO berichtete), entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Bremen, dass die Parole verboten werden darf (Beschl. v. 30.04.2024, Az. 1 B 163/24 – LTO berichtete).

Das Landgericht (LG) Mannheim verneinte Ende Mai wiederum eine Strafbarkeit (Urt. v. 29.05.2024, Az. 5 Qs 42/23 – LTO berichtete ausführlich), wohingegen der VGH Baden-Württemberg kurz darauf die Rechtswidrigkeit der Parole bejahte (Beschl. v. 21.06.2024, Az. 14 S 956/24 – LTO berichtete).

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BayVGH hält pauschales Verbot für unrechtmäßig: . In: Legal Tribune Online, 27.06.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54875 (abgerufen am: 21.05.2025 )

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