Wegen unrichtiger Rechtsbehelfsbelehrungen bei Asylbescheiden haben Asylbewerber nun ein Jahr Zeit, Klage gegen ihre ablehnenden Bescheide einzulegen. Vielleicht entzerrt das die angespannte Lage bei den Verwaltungsgerichten ein wenig.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat ablehnenden Asylbescheiden unrichtige Rechtsbehelfsbelehrungen beigefügt. Die Widerspruchsfrist ist damit auf ein Jahr verlängert. Das hat der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg entschieden, wie am Dienstag bekannt wurde (Urt. v. 18.04.2017, Az. Az. 9 S 333/17). Nach LTO-Information liegt damit die erste zweitinstanzliche Entscheidung über die Wirksamkeit der vom BAMF verwendeten Rechtsbehelfsbelehrung vor.
Dort heißt es u.a., dass die Klage "in deutscher Sprache abgefasst sein" müsse. Diese Formulierung sei geeignet, beim Betroffenen einen falschen Eindruck von den Erfordernissen an eine Klageeinreichung zu erwecken. Er könne annehmen, er müsse die Klage schriftlich einreichen und selbst für die Schriftform sorgen, so der VGH.
Rechtsverfolgung erschwert, Belehrung unwirksam
Tatsächlich könne die Klage jedoch auch zur Niederschrift des Urkundsbeamten in der Geschäftsstelle eingereicht werden, § 81 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Diese Regelung solle dem Kläger den Rechtsschutz erleichtern, wenn er den Weg zum Gericht vorziehe, etwa weil er der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Die vom BAMF gewählte Formulierung erschwere daher dem Asylbewerber die Rechtsverfolgung in einer vom Gesetz nicht gewollten Weise.
Wegen dieser damit i.S.v. § 58 Abs. 2 VwGO unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung erklären die Mannheimer Verwaltungsrichter eine Klage für zulässig, obwohl der Asylbewerber sie nicht innerhalb der nach dem Asylgesetz maßgeblichen Frist von einer Woche erhoben hat. Denn diese Frist würde nur im Fall einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung in Gang gesetzt und verlängere sich nun stattdessen nach § 58 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz VwGO auf ein Jahr, entschied der 9. Senat.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hatte in früheren Urteilen (Urt. v. 13.12.1978, Az. 6 C 77/78; Urt. v. 31.03.2002, Az. 4 C 2/01) entschieden, dass es ausreichend sei, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung geeignet sei, einen Irrtum hervorzurufen. "Das Urteil ist nur konsequent, weil es die Rechtsprechung des BVerwG fortführt“, sagt der auf Asylrecht spezialisierte Rechtsanwalt Malek Shaladi. Aus seiner Sicht spricht zudem viel dafür, dass der Volksmund den Begriff "Abfassen" gleichsetze mit Schreiben.
Viele unterschiedliche Entscheidungen der VG
Das BAMF verwendet die beanstandete Formulierung stets, entsprechend viele Verfahren gab es bereits bundesweit. Und wie so oft im Asylrecht, etwa bei der Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft, haben die Verwaltungsgerichte und sogar ihre verschiedenen Kammern die Rechtsbehelfsbelehrungen unterschiedlich bewertet: Das VG Berlin (Urt. v. 24.01.2017, 21 K 346.16 A), das VG Düsseldorf (Beschl. v. 01.03.2017 Az. 19 L 257/17.A) sowie das VG Gelsenkirchen (Beschl. v. 15.11.2016, Az. 14a L 2496/16.A) hatten die Rechtsbehelfsbelehrung des BAMF nicht als unrichtig beurteilt.
Hingegen haben u.a. eine andere Kammer des VG Düsseldorf (Gerichtsbescheid v. 20.03.2017, Az. 5 K 3863/17.A), eine andere Kammer des VG Gelsenkirchen (Urt. v. 10.02.2017, Az. 3a K 4163/16.A), das VG Hannover (Beschl. v. 15.09.2016, Az. 3 B 4870/16) sowie wiederum eine dritte Kammer des VG Düsseldorf (Gerichtsbescheid v. 28.06.2016, Az. 22 K 4119/15.A) ebenso entschieden wie der VGH und die Frist aufgrund der Unrichtigkeit auf ein Jahr verlängert.
In der Sache hatte der Asylbewerber vor dem VGH Mannheim mit seiner Klage keinen Erfolg. Die Verwaltungsrichter konnten keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Anerkennung als Asylberechtigter, auf die Gewährung subsidiären Schutzes bzw. auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots erkennen und wiesen die Berufung gegen das Urteil des VG deshalb im Ergebnis zurück, die Revision ließ der VGH nicht zu. Gegen die Nichtzulassung kann binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils Beschwerde zum BVerwG in Leipzig eingelegt werden.
Tanja Podolski, VGH: BAMF verschickt falsche Rechtsbehelfsbelehrungen: . In: Legal Tribune Online, 25.04.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22744 (abgerufen am: 03.10.2024 )
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