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VGH Baden-Württemberg zur autofreien Innenstadt: Anwoh­ner­parken darf deut­lich teurer werden

28.06.2022

Ein Schild mit der Aufschrift "Bewohner mit Parkausweis frei" kennzeichnet eine Zone mit Anwohnerparkberechtigungen in der Innenstadt.

Die Stadt Freiburg hat ihre Gebührensatzung geändert. Laut VGH zielt das in zulässiger Weise darauf ab, den innerstädtischen Verkehr und damit den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren Foto: picture alliance/dpa | Philipp von Ditfurth

360 statt 30 Euro – in Freiburg müssen Autofahrer für ihren Anwohnerparkausweis deutlich mehr bezahlen als bislang. Der VGH hat die Gebührenerhöhung nun aber bestätigt und dafür einen Vergleich mit Stellplätzen in Parkhäusern gezogen.

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Kommunen in Baden-Württemberg dürfen ihre Anwohnerparkgebühren im Vergleich zu den Kosten privater Stellplätze nach oben hin anpassen. Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) des Landes wies den Eilantrag eines Freiburger FDP-Stadtrates gegen eine vielfache Gebührenerhöhung zurück. Die Mannheimer Richter betonten in ihrer am Dienstag veröffentlichten Entscheidung, nicht der Unterschied der verlangten Gebühren vor und nach der Satzungsänderung sei relevant. Ausschlaggebend sei das Verhältnis von Leistung und Gebühren (Beschl. v. 24.06.2022, Az. 2 S 809/22).

Anlass des Rechtsstreits war eine Satzungsänderung der Stadt Freiburg Ende vergangenen Jahres. Danach sollen Anwohner künftig 360 Euro anstelle von zuvor 30 Euro jährlich für einen Parkausweis im Stadtgebiet bezahlen. Der FDP-Politiker sprach sogar von einer Erhöhung um das 16-Fache.

Ein Stellplatz im Parkhaus ist teurer

Einen Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip – die gebührenrechtliche Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – vermochte der Senat aber nicht erkennen. Es komme nämlich nicht darauf an, ob und wie eine Gebühr im Vergleich zur Vorgängerregelung erhöht worden sei. Maßgeblich sei vielmehr, dass die Gebühr nicht in einem Missverhältnis zu dem mit ihr abgegoltenen Vorteil stehe, heißt es in dem Beschluss.

Deshalb verglichen die Richter die Mietkosten eines Stellplatzes im Parkhaus von bis zu 2.280 Euro jährlich mit den Freiburger Gebühren. Angesichts der Höhe dieser Summen spreche jedenfalls viel dafür, dass ein Missverhältnis zwischen Gebühr und öffentlicher Leistung auch unter Berücksichtigung der besonderen Vorzüge eines Parkplatzes im Parkhaus ausgeschlossen werden könne.

Das staatliche Klimaschutzziel als Lenkungszweck

Die Gebührenanpassung ist aus Sicht der Deutschen Umwelthilfe vorbildlich: Flächen zum Spielen, Flanieren und Verweilen würden immer knapper. Trotzdem dürften Anwohner "in den meisten Städten mit ihren riesigen SUV und Pick-ups für nur acht Cent pro Tag den öffentlichen Raum zustellen". Um das zu verhindern, sollten die Ausweise mindestens 360 Euro pro Jahr kosten, forderte die Umwelthilfe.

Der antragstellende FDP-Politiker parkt sein Auto nach Angaben des Gerichts regelmäßig auf öffentlichen Verkehrsflächen im Bewohnerparkgebiet. Er wirft der Stadt demnach vor, mit der neuen Gebührenbemessung in rechtswidriger Weise umwelt- und sozialpolitische Ziele zu verfolgen. Die Erhöhung der Gebühr um das Vielfache sei geeignet, die Benutzung eines Kraftfahrzeugs kostspieliger und damit im Vergleich zum öffentlichen Nahverkehr unattraktiv zu machen.

Die obersten Verwaltungsrichter im Südwesten betonten hingegen, die Gebührenregelung ziele in zulässiger Weise darauf ab, den innerstädtischen Verkehr und damit den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren. Dieser Lenkungszweck sei mit Blick auf das staatliche Klimaschutzziel des Art. 20a Grundgesetz (GG) nicht zu beanstanden. Überdies werde mit der Bewohnerparkgebühr der besondere Vorteil ausgeglichen, der den Bewohnern durch die Befreiung von den obligatorischen allgemeinen Parkgebühren und von Parkzeitbegrenzungen entstehe. 

Das Sozialstaatsprinzip erlaubt Härtefallregelungen

Der Antragsteller konnte sich auch nicht mit seiner Auffassung durchsetzen, die Stadt verfolge mit Härtefallregelungen in der Gebührenbemessung in rechtswidriger Weise sozialpolitische Ziele. Die Satzung sieht nämlich Ermäßigungen und Befreiungen für Schwerbehinderte und Personen, die Sozialleistungen beziehen, vor.

Der VGH wies dieses Argument zurück und bezog sich auf das im Grundgesetz verankerte Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 1 GG. Reduzierte oder gar nicht erhobene Gebühren milderten die Belastung finanziell weniger leistungsfähiger Menschen ab. Schwerbehinderte seien besonders auf eine Parkmöglichkeit in der Nähe ihrer Wohnung angewiesen.

Mit den Ermäßigungen und Befreiungen würden auch nicht bestimmte Gruppen im Straßenverkehr in rechtswidriger Weise privilegiert, da nicht der Nutzungsumfang des öffentlichen Verkehrsraums, sondern allein die Gebührenpflicht geregelt werde. Der Beschluss des VGH ist unanfechtbar.

mgö/LTO-Redaktion

Mit Materialien der dpa

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VGH Baden-Württemberg zur autofreien Innenstadt: . In: Legal Tribune Online, 28.06.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48874 (abgerufen am: 16.05.2025 )

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