Während das VG Wiesbaden die Unbestimmtheit der Beschränkung des Bewegungsradius' auf 15 km bemängelt, lassen die Gießener Kollegen die Beschränkung wegen des Infektionsgeschehens durchgehen.
Die Allgemeinverfügung des Kreises Limburg-Weilburg, die auch die 15-Kilometer-Regelung zur Eindämmung der Corona-Pandemie enthält, ist teilweise rechtswidrig. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Wiesbaden in einem Eilverfahren entschieden. Die enthaltenen Angaben zur 15-Kilometer-Regel seien nicht hinreichend bestimmt, teilte das Gericht am Dienstag mit. Der Inhalt müsste aber für die Betroffenen "so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein", dass sie ihr Verhalten danach ausrichten könnten (Beschl. v. 15.1.2021, Az. 7 L 31/21.WI). Ein gegen die 15-km-Regelung im Landkreis Gießen gerichteter Eilantrag wurde hingegen vom dort zuständigen Verwaltungsgericht (VG) Gießen abgelehnt (Beschl. v. 14.1.2021, Az. 4 L 42/21.GI).
Die 15-Kilometer-Regelung betrifft Corona-Hotspots mit mehr als 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern in den vergangenen sieben Tagen und bezieht sich auf Freizeitaktivitäten und Tagesausflüge. Sowohl im Landkreis Limburg-Weilburg als auch im Landkreis Gießen heißt es daher in den jeweiligen Allgemeinverfügungen vom 11. Januar 2021, dass der Bewegungsradius für tagestouristische Ausflüge auf den Umkreis von 15 Kilometern des Wohnortes (politische Gemeinde) beschränkt wird.
Das VG Wiesbaden befand, dass bereits der Begriff "politische Gemeinde" bedenklich sei, da dieser "für einen Großteil der Bevölkerung aus sich heraus nicht verständlich sein dürfte". Bei Gemeinden mit mehreren, aber weiter voneinander entfernten Ortsteilen beispielsweise sei für die Bewohner nicht klar ersichtlich, ob die Grenzen des jeweiligen Ortsteils oder der Gesamtgemeinde gemeint seien. Das Eilverfahren hatte nach Angaben einer Gerichtssprecherin eine Privatperson angestrengt. Der ergangene Beschluss beziehe sich zunächst einmal nur auf das konkrete Verfahren, erläuterte sie.
"Tagestouristische Ausflüge" unklar, nächtliche Ausgangsbeschränkungen rechtmäßig
Als unklar bezeichnete das Gericht auch, wie eigentlich die 15 Kilometer ab dem Wohnort zu messen sind. Der Landkreis Limburg-Weilburg als Antragsgegner habe argumentiert, dass ab dem Punkt der Stadt- und Gemeindegrenze zu messen sei, der dem anvisierten Ziel am nächsten liege. Doch die Richter des VG befanden, dass diese Argumentation dem Wortlaut der Allgemeinverfügung nicht zu entnehmen ist. Es sei auch denkbar, dass ab dem Mittelpunkt der jeweiligen Gemeinde zu messen sei. Erklärungen oder Auslegungshinweise dazu habe der Landkreis nicht veröffentlicht. Zudem hätten die Richter sich gefragt, ob die 15-km-Grenze sich auf den Landkreis beschränkt oder auch darüber hinaus fortgesetzt wird.
Das VG kritisierte auch, dass der Begriff "tagestouristischer Ausflug" in der Allgemeinverfügung nicht näher erklärt werde. Hier hat der Landkreis laut dem Gericht argumentiert, dass darunter alle Unternehmungen zu verstehen seien, die der Freizeitgestaltung ohne Übernachtung dienen. Diese Auslegung sei jedoch nicht zwingend. Das begründen die Richter vor allem damit, dass der Begriff in den Allgemeinverfügungen anderer hessischer Gemeinden anders verwendet werde. In einem Landkreis beispielsweise falle der Wintersport nicht unter den Begriff des tagestouristischen Ausflugs, der Landkreis Fulda hingegen nehme Wanderungen in der Rhön aus dem Begriff aus.
Das Gericht hat laut Pressmitteilung zudem generelle Zweifel, "ob die Beschränkung des Bewegungsradius für tagestouristische Ausflüge ernsthaft zur Senkung der Infektionsfälle im Landkreis Limburg-Weilburg beitragen könne". Stattdessen dürfte die Maßnahme dazu führen, dass sich viele Menschen dann drinnen mit anderen Personen treffen. Für rechtmäßig hielten die Richter dagegen die nächtliche Ausgangsbeschränkung im Kreis, die die Verfügung ebenfalls regelt. Schließlich bezwecke diese eine Kontaktbeschränkung für den privaten und öffentlichen Raum. Das sei "'ein Schritt in die richtige Richtung'".
VG Gießen: Öffentliches Interesse überwiegt Aufschubinteresse
Aus der Pressemitteilung des VG Gießen hingegen ergeben sich keine richterlichen Bedenken in Bezug auf die Bestimmtheit der 15-km-Regelung. Die Richter dort hätten zwar Zweifel an der Geeignetheit der Maßnahme, heißt es. Jedoch überwiege aufgrund von Reisen in Gebiete mit hohen Inzidenzwerten und der Virusmutationen das öffentliche Interesse am Vollzug der Maßnahme das Aufschubinteresse des Antragstellers. In dessen Handlungsfreiheit werde zwar eingegriffen, dieser überschaubare Eingriff in den Bereich der Freizeitgestaltung sei zum Schutz von Leib und Leben aber hinnehmbar. Im Kreis Gießen gilt die 15-Kilometer-Regelung allerdings inzwischen nicht mehr - sie trat am Montag außer Kraft wegen der gesunkenen Inzidenz.
Beide Entscheidungen sind noch nicht rechtskräftig, Beschwerden vor dem Verwaltungsgerichtshof in Kassel sind zulässig.
pdi/LTO-Redaktion
Mit Material der dpa
VGs Wiesbaden und Gießen: . In: Legal Tribune Online, 19.01.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44030 (abgerufen am: 06.10.2024 )
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