Die Stadt Stuttgart hielt nicht nur ein Bordell, sondern auch die dazugehörige Gaststätte für erlaubnispflichtig nach dem Prostituiertenschutzgesetz. Der Betroffene zog vor das Verwaltungsgericht – mit Erfolg.
Eine Gaststätte, in der Table-Dance und „Anbahnung zu Prostitution“ stattfinden, bedarf keiner Erlaubnis nach dem Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG), auch wenn direkt darüber ein zugehöriges Bordell liegt. Das hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts (VG) Stuttgart entschieden (Urteil v. 12. Oktober 2023, Az. 4 K 4593/21).
Geklagt hatte der Betreiber einer Gaststätte und eines Bordells. Beide Etablissements befinden sich in demselben Gebäude, allerdings auf unterschiedlichen Stockwerken. Gaststätte und Bordell verfügen über separate Eingänge und sind mit einer Tür verbunden.
Für den Betrieb der Gaststätte hatte die Stadt Stuttgart dem Kläger in den Jahren 2014 und 2015 mehrere Erlaubnisse erteilt: Einerseits zum Betrieb einer Schankwirtschaft mit der Betriebsform einer Anbahnungsgaststätte, die der Kontaktaufnahme von Prostituierten und potentiellen Freiern. Andererseits hatte die Stadt dem Kläger auf Antrag Personendarbietungen nach § 33a Gewerbeordnung (GewO) erlaubt, versehen mit einer Auflage, die Sex und das Anfassen der auftretenden Personen in der Gaststätte verbietet. Nach § 33a GewO sind gewerbsmäßige "Schaustellungen" von Personen erlaubt, soweit sie nicht sittenwidrig sind. Manche kritisieren die Norm als Einfallstor für moralisch-sittliche Wertungen durch die Richterschaft.
Mitte 2017 trat dann das ProstSchG in Kraft. Betreiber mussten für Prostitutionsgewerbe, die schon vor 2017 betrieben worden waren, bis Ende 2017 eine Erlaubnis nach dem neuen Gesetz beantragen. Das tat der Kläger nur für das Bordell. Gleichzeitig beantragte er die Bescheinigung, dass es sich bei der Gaststätte nicht um ein solches Prostitutionsgewerbe handelt, weil dieses lediglich der Anbahnung zwischen Prostituierten und Kunden diene.
Die Auffassung teilte die Stadt Stuttgart nicht und teilte dem Kläger zuletzt in 2021 mit, dass nicht nur das darüberliegende Bordell, sondern auch die Gaststätte ein erlaubnispflichtiges Prostitutionsgewerbe nach dem ProstSchG sei. Dagegen erhob der Betreiber Klage vor dem Verwaltungsgericht – mit Erfolg.
Ist die Gaststätte ein Prostitutionsgewerbe?
Entscheidend war dafür die Frage, ob der Kläger auch mit der Gaststätte ein Prostitutionsgewerbe nach § 12 ProstSchG betreibt. Laut Gericht betreibt ein solches Gewerbe insbesondere, wer "gewerbsmäßig Leistungen im Zusammenhang mit der Erbringung sexueller Dienstleistungen durch mindestens eine andere Person anbietet oder Räumlichkeiten hierfür bereitstellt, indem er eine Prostitutionsstätte oder eine Prostitutionsvermittlung betreibt".
Laut VG reichen Gespräche über die Anbahnung sexueller Kontakte dafür ebenso wenig aus wie der Betrieb einer Table-Dance-Bar. Eine sexuelle Handlung liege nämlich nur bei einem sexuellen Verhalten vor, das sich "objektiv, also gemessen an seinem äußeren Erscheinungsbild, typischerweise als geschlechtliche Stimulation darstellt, und zwar unabhängig davon, ob es dabei zu körperlichen Berührungen oder zur Ausübung des Geschlechtsverkehrs kommt".
Anbahnung nicht Teil des Geschäftsmodells
Um eine Prostitutionsvermittlung handele es sich bei der Gaststätte insbesondere nicht, da die Anbahnungsgespräche nicht Teil des Geschäftsmodells des Klägers seien. Auch der räumlich-organisatorische Zusammenhang von Gaststätte und Bordell führe nicht zu einer Erlaubnispflicht nach dem ProstSchG, da der Kläger beide Etablissements unabhängig voneinander betreibe. Das VG betonte dabei die Schutzzwecke des ProstSchG, insbesondere der Schutz der Prostituierten und die Zuverlässigkeit der Betreiber. Der Betrieb der Gaststätte und der räumliche Zusammenhang zum Bordell berühre diese Zwecke nicht.
Das VG stellte allerdings klar, dass in der Gaststätte Tanzdarbietungen mit Berührungen der Tänzerinnen verboten seien. Die Stadt hatte behauptet, dass es zu solchen trotz der Auflage gekommen sei.
Das Gericht hat die Berufung an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zugelassen. Der Frage, ob Anbahnungssituationen und Table-Dance-Aufführungen unter den Begriff der sexuellen Handlung fielen, komme grundsätzliche Bedeutung zu. Die Berufung ist innerhalb eines Monats einzulegen.
lst/LTO-Redaktion
VG Stuttgart zu Erlaubnispflicht nach dem ProstSchG: . In: Legal Tribune Online, 07.11.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53098 (abgerufen am: 07.12.2024 )
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