VG Osnabrück zu Bulgarin in Deutschland: Wer arbeitet, kann auch BAfÖG kriegen

14.12.2015

Eine Bulgarin, die in Deutschland studiert und parallel arbeitet, gilt als EU-Arbeitnehmerin und kann BAföG wie Deutsche bekommen. Die Vorgaben eines ministeriellen Erlasses zum Umfang der Tätigkeit wendeten die Verwaltungsrichter nicht an.

Das Verwaltungsgericht (VG) Osnabrück hat der Klage einer bulgarischen Staatsangehörigen auf Ausbildungsförderungsleistungen stattgegeben. Die Studentin habe teils aufgrund europarechtlicher Vorschriften, teils aus dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG), einen Anspruch darauf (Urt. v. 10.12.2015, 4 A 253/14), meinten die ostwestfälischen Richter.

Die Frau reiste Ende 2013 in die Bundesrepublik und nahm Anfang Oktober 2014 ein Studium an der Universität Osnabrück auf, für das sie im September 2014 Leistungen nach dem BAföG beantragte. Diesen Antrag lehnte das zuständige Amt für Ausbildungsförderung der Universität ab, weil die für einen EU-Bürger erforderlichen persönlichen Voraussetzungen für BAföG-Leistungen nicht vorlagen. Streitpunkt waren die Umstände ihrer Erwerbstätigkeit, die sie vor dem und parallel zum Studium ausübte.

Die Studentin war bereits vor Studienbeginn, seit Juli 2014, als Fitnesstrainerin bei einem Fitnessstudio angestellt. In ihrem  Arbeitsvertrag waren eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von ca. 11 Stunden sowie eine Vergütung von 8 Euro pro Stunde vereinbart. Außerdem wurden ihr ein Urlaubsanspruch sowie eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall garantiert. Ende Februar 2015 beendete sie dieses Arbeitsverhältnis jedoch und machte sich mit ihrem eigenen Tanzstudio selbstständig.

Wer ist EU-Arbeitnehmer?

Vor Gericht ging es vor allem um die Frage, ob die Frau aufgrund ihres Arbeitsvertrags als EU-Arbeitnehmerin anzusehen ist, weil sich hieraus Ansprüche ableiten. Die Verwaltungsrichter bejahten dies. Damit folgte das Gericht nicht den Vorgaben eines ministeriellen Erlasses aus dem Jahr 2015. Hiernach wäre nur jemand als EU-Arbeitnehmer anzusehen, der im Zeitpunkt der erstmaligen BAföG-Antragstellung im Monatsdurchschnitt mindestens 12 Stunden pro Woche arbeitet und dessen Tätigkeit bereits mindestens 10 Wochen seit BAföG-Antragstellung besteht.

Für den Bewilligungszeitraum vor dem 1. Januar 2015 ergebe sich der Anspruch der klagenden Studentin aus der unmittelbaren Anwendung der so genannten EU-Freizügigkeitsrichtlinie, die die Bundesrepublik rechtzeitig umzusetzen versäumt. Deren maßgebliche Bestimmung sieht vor, dass einem Unionsbürger, der eine Ausbildung absolviere und daneben ein Arbeitsverhältnis bekleide oder selbständig tätig sei, eine Ausbildungsförderung wie einem deutschen Staatsangehörigen zu gewähren sei.

Für den Zeitraum ab 2015 könne die Studentin ihren Anspruch auf das BAföG in seiner aktuellen Fassung stützen, wonach Unionsbürger dann anspruchsberechtigt seien, wenn sie, wie die Klägerin, als Arbeitnehmer oder Selbständige tätig seien. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Kammer hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

ahe/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

VG Osnabrück zu Bulgarin in Deutschland: Wer arbeitet, kann auch BAfÖG kriegen . In: Legal Tribune Online, 14.12.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17854/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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