Aus einem ehemaligen Privatbordell im ostwestfälischen Bünde darf eine Betreuungsstelle für Kinder werden. Eine Tagesmutter und ehemalige Bordellbetreiberin gewann damit ihren Prozess gegen die Stadt.
Noch im Internet auffindbare Werbung für ein früheres Bordell an der gleichen Adresse reicht nicht aus, um die Genehmigung einer Kinderbetreuungsstätte zu versagen. So entschied es das Verwaltungsgericht (VG) Minden (Urt. v. 08.01.2016, Az. 6 K 2411/15).
Eine Tagesmutter und ehemalige Bordellbetreiberin hatte geklagt, nachdem die Stadt ihr die Erlaubnis für den Betrieb einer Kindertagespflege im vergangenen Frühjahr verweigert hatte. Die Räume, die früher als Ort für das Prostitutionsgewerbe gedient haben, seien nicht geeignet und könnten das Kindeswohl gefährden. Die Stadt hatte die Sorge geäußert, die im Internet noch auffindbare Werbung für das Freudenhaus könne weiterhin Freier anlocken.
Tatsächlich: Wer im Internet nach der Adresse der geplanten Kinderbetreuung sucht, stößt neben vielen inzwischen ins Leere führenden Links auch auf Spuren der früheren Nutzung: Eine Prostituierte mit dem Namen Heidi preist auf einschlägigen Seiten in dem Haus "heiße Sachen" und ein üppiges Dekolleté an. Diskret gehe es in dem Freudenhaus zu, immer heimisch und das seit 25 Jahren, heißt es anderswo.
Doch diese Zeiten seien vorbei, betonte vor Gericht der Anwalt der nicht anwesenden Klägerin. Im Herbst 2014 war das rote Gewerbe abgemeldet worden, die einstige Bordellbetreiberin wagte den Neuanfang. Sie machte einen Kurs als Tagesmutter, betreute zunächst Kinder in deren Elternhäusern. Dann wollte sie auch den Neuanfang für ihr Haus, stellte einen Antrag, begann mit Renovierungsarbeiten.
Sorgen sind "lebensfern und unbegründet"
Im Mai dann die Ernüchterung: Auch aus Misstrauen, unter dem Dach könne der Prostitutionsbetrieb weitergehen, lehnte die Stadt ab. Es gehe dabei nicht um die persönliche Eignung der Klägerin als Tagesmutter: "Ihre Qualifikation ist unstrittig", bestätigte die Vertreterin der Stadt vor Gericht. Allein die Örtlichkeit verursacht Ängste der Verwaltung: Als Kindertagesstätte gekennzeichnet, könnte das über Bünde hinaus bekannte Bordell gar Pädophile anlocken, so die Befürchtung.
Diese wiesen die Richter nun als lebensfern und unbegründet zurück: Es gebe weder Anhaltspunkte dafür, dass der Bordellbetrieb seit dem Jahr 2014 fortgesetzt worden sei, noch stelle die frühere Nutzung für Kinder eine Gefahr dar. Trotz der verruchten Internet-Werbung führten die dort ausgewiesenen Telefonnummern schon lange ins Leere. "Dass dort ein Freier auftaucht, halten wir für ausgeschlossen." In dem Gewerbe sei eine vorherige telefonische Kontaktaufnahme üblich. Und ein Schild und Spielgeräte im Garten könnten zusätzlich klar machen: "Hier werden Kinder betreut, keine Männer mehr", sagte der Richter.
Deshalb stellte das VG Minden klar: Die Kinder können kommen. Die Sorge, die frühere Nutzung könne den Kleinen schaden, bezeichnete Richter Jürgen Diekmann als nicht nachvollziehbar. "Das sind Erwachsenengedanken. Dem Kind, das dort spielt, ist es doch egal, was da früher war."
tap/LTO-Redaktion
Mit Material von dpa
VG Minden zu Kinderbetreuung in Ex-Bordell: . In: Legal Tribune Online, 11.01.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18095 (abgerufen am: 04.12.2024 )
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