Eilanträge vor zwei Verwaltungsgerichten erfolglos: Poten­zial­tests und Pro­be­un­ter­richt an Gym­na­sien dürfen statt­finden

11.04.2025

Schulplatzklagen nehmen zu: Immer mehr Eltern klagen gegen Auswahlverfahren, wenn ihre Kinder nicht an der gewünschten Schule, meist einem Gymnasium, aufgenommen werden. Nun haben zwei Verwaltungsgerichte entschieden.

Die Gymnasialausbildung ist schwer, aber erst einmal in ein Gymnasium aufgenommen zu werden, kann noch schwieriger sein, wie zwei Schulplatzklagenfälle aus Baden-Württemberg zeigen.

Im Baden-Württemberger Fall ist die Lage so: Bis Februar 2025 konnten Erziehungsberechtigte dort über den schulischen Werdegang ihrer Zöglinge entscheiden. Insbesondere war die Grundschulempfehlung unverbindlich. Das hat der Landesgesetzgeber aber für das noch laufende Schuljahr 2024/2025 geändert. 

Wenn Grundschüler nun aufs allgemeinbildende Gymnasium wollen, brauchen sie eine entsprechende Empfehlung durch die Grundschule oder ein positives Ergebnis in einer Kompetenzmessung. Das bestimmt § 88 Abs. 3 Schulgesetz für Baden-Württemberg (SchulG). Bei der Kompetenzmessung “Kompass 4” werden die Leistungen in Mathe, Deutsch und überfachliche Kompetenzen in der 4. Klasse getestet, um den Übergang auf die weiterführende Schule einzustufen. Wer keine dieser Voraussetzungen erfüllt, kann an einem Potentialtest des Instituts für Bildungsanalysen Baden-Württemberg teilnehmen. Das Verfahren des Potentialrests wird nach § 88 Abs. 5 S. 1 SchulG durch das Kultusministerium per Rechtsverordnung festgelegt (Aufnahmeverordnung). 

Wer eine lediglich genehmigte private Grundschule besucht, hat nur die Möglichkeit per Potentialtest ins Gymnasium zu kommen.

Einstufung durch Potenzialtest gilt 

Das passte einigen Schülern aber nicht. Sie hatten als Grundschüler einer genehmigten privaten Grundschule am Potentialtest im Februar 2025 teilgenommen – dabei die Gymnasialeinstufung aber nicht erreicht. Hiergegen zogen sie vor Gericht.

Die Grundschüler kombinierten im Eilverfahren zwei Anträge: zum einen sollte für sie noch die alte Rechtslage gelten. Außerdem begehrten sie die einstweilige Gestattung am Gymnasialunterricht teilnehmen zu dürfen. 

Das Verwaltungsgericht (VG) Karlsruhe erteilte im einstweiligen Anordnungsverfahren nach § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nun aber beiden Begehren eine Absage und erließ am 03. April 2025 gleich sieben Beschlüsse. Ein Beschluss (Az. 3 K 1604/25) liegt LTO vor. 

Schüler müssen die Entscheidung des Gymnasiums abwarten

Das VG lehnte beide Anträge schon wegen Unzulässigkeit ab. Für eine Beurteilung nach alter Rechtslage hätten die Antragsteller bereits die falsche Antragsart gewählt. Die Frage danach, ob die Aufnahmeverordnung anwendbar sei, müsse vorrangig durch ein Normenkontrollverfahren im Wege des Eilrechtschutzes nach § 47 Abs. 6 VwGO VwGO geklärt werden. 

Außerdem fehle bei beiden Anträge das besondere Rechtschutzbedürfnis, da bei einer Ablehnung der Anträge keine irreversiblen Nachteile entstünden. Den Schülern sei zumutbar, auf die Entscheidung des Gymnasiums zu warten und dann ggf. dagegen vorzugehen. 

Weiter führte das Gericht aus, dass beide Anträge auch unbegründet seien. Die Aufnahmeverordnung finde auch im laufenden Schuljahr Anwendung, so die Kammer. Der Antrag auf Aufnahme zum Gymnasialunterricht könne nicht, wie gefordert, durch das Land als Antragsgegnerin gestattet werden, sondern nur durch das anerkannte Gymnasium.

Gericht zweifelt an Rechtsgrundlage 

Dabei beließ die Kammer es aber nicht, sondern führte abschließend aus, dass zumindest erhebliche Zweifel an der Rechtsgrundlage und damit der Rechtsmäßigkeit des Potentialtests bestehen. 

Das VG erklärte, es habe Bedenken, ob die Regelungen zum Potentialtest dem Vorbehalt des Gesetzes aus Art. 20 Abs. 3 GG genügen. Danach bedarf jeder Eingriff in Rechte einer gesetzlichen Rechtsgrundlage. Ein intensiver Eingriff fordert eine detaillierte Regelung. Insbesondere dürfen wesentliche Entscheidungen im Schulwesen nicht auf die Schulverwaltung abgewälzt werden, sondern müssen durch den Gesetzgeber selbst geregelt werden. 

Die Mindestanforderungen für den Potentialtest ergäben sich aber, so das Gericht, weder aus dem Schulgesetz, noch aus der aktuellen Aufnahmeverordnung. Darüber entscheide das Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg

Auch in Berlin: Probeunterricht rechtmäßig

Doch nicht nur in Baden-Württemberg, auch in Berlin gibt es Streit im Schulrecht. Für das Schuljahr 2025/2026 gilt dort eine neue Rechtslage (§§ 56, 129 Abs. 14 SchulG), wonach Grundschulkinder mit einem Notendurchschnitt über 2,2 nur dann ab der 7. Klasse ein Gymnasium besuchen dürfen, wenn ihre Eignung hierfür nachgewiesen wird. Dafür müssen sie an einem Probeunterricht teilnehmen und die hierfür festgesetzten Bewertungskriterien mit mindestens 75 Prozent bestehen.

Den Probeunterricht hielten einige Schüler für rechtswidrig und wehrten sich vor Gericht. Ihre Eilanträge blieben jedoch ebenfalls erfolglos.

Das VG Berlin entschied in mehreren Beschlüssen am 9. April 2025 (Az. VG 3 L 77/25 liegt LTO vor), dass der Probeunterricht rechtmäßig ist. Auch wenn durch die Neuregelung Schüler betroffen seien, die bereits die 5. Klasse besuchen, überwögen die Interessen des Gesetzgebers, so das Gericht. Es müsse eine schnelle und gerechte Aufnahmeregelung für Gymnasien geschaffen werden. Der Probeunterricht ermögliche eine faire und frühzeitige Beurteilung der Eignung und berücksichtige die begrenzten Kapazitäten der Gymnasien sowie die Bedürfnisse der Schüler. Die Prüfungsaufgaben und die Bewertung seien klar und einheitlich geregelt.

"Kein Assessmentcenter für 12-jährige"

Allerdings: Alle genannten Beschlüsse sind noch nicht rechtskräftig. Eine Beschwerde zum Verwaltungsgerichtshof Badem-Württemberg, bzw. dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg ist möglich. 

Gegen den Berliner Probeunterricht gibt es großen Widerstand. Die Berliner Schulrechtsanwältin Lea Comans kritisierte diesen seinerzeit im LTO-Interview. "Ein Assessmentcenter für 12-jährige geht gar nicht”.

tw/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Eilanträge vor zwei Verwaltungsgerichten erfolglos: . In: Legal Tribune Online, 11.04.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56983 (abgerufen am: 20.04.2025 )

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