Druckversion
Sonntag, 25.05.2025, 03:13 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/nachrichten/n/vg-karlsruhe-vg-berlin-potentialtest-probeunterricht-grundschulempfehlung
Fenster schließen
Artikel drucken
56983

Eilanträge vor zwei Verwaltungsgerichten erfolglos: Poten­zial­tests und Pro­be­un­ter­richt an Gym­na­sien dürfen statt­finden

11.04.2025

Schüler im Unterricht sind motiviert und erfreut, während sie sich auf anstehende Potenzialtests und Probeunterrichten vorbereiten.

Schulbildung bestimmt das Leben. Deswegen möchten viele Eltern, dass ihre Kinder ein Gymnasium besuchen. Der Weg dorthin kann aber ganz schön schwierig sein. Foto: picture alliance / imageBROKER | Unai Huizi

Schulplatzklagen nehmen zu: Immer mehr Eltern klagen gegen Auswahlverfahren, wenn ihre Kinder nicht an der gewünschten Schule, meist einem Gymnasium, aufgenommen werden. Nun haben zwei Verwaltungsgerichte entschieden.

Anzeige

Die Gymnasialausbildung ist schwer, aber erst einmal in ein Gymnasium aufgenommen zu werden, kann noch schwieriger sein, wie zwei Schulplatzklagenfälle aus Baden-Württemberg zeigen.

Im Baden-Württemberger Fall ist die Lage so: Bis Februar 2025 konnten Erziehungsberechtigte dort über den schulischen Werdegang ihrer Zöglinge entscheiden. Insbesondere war die Grundschulempfehlung unverbindlich. Das hat der Landesgesetzgeber aber für das noch laufende Schuljahr 2024/2025 geändert. 

Wenn Grundschüler nun aufs allgemeinbildende Gymnasium wollen, brauchen sie eine entsprechende Empfehlung durch die Grundschule oder ein positives Ergebnis in einer Kompetenzmessung. Das bestimmt § 88 Abs. 3 Schulgesetz für Baden-Württemberg (SchulG). Bei der Kompetenzmessung “Kompass 4” werden die Leistungen in Mathe, Deutsch und überfachliche Kompetenzen in der 4. Klasse getestet, um den Übergang auf die weiterführende Schule einzustufen. Wer keine dieser Voraussetzungen erfüllt, kann an einem Potentialtest des Instituts für Bildungsanalysen Baden-Württemberg teilnehmen. Das Verfahren des Potentialrests wird nach § 88 Abs. 5 S. 1 SchulG durch das Kultusministerium per Rechtsverordnung festgelegt (Aufnahmeverordnung). 

Wer eine lediglich genehmigte private Grundschule besucht, hat nur die Möglichkeit per Potentialtest ins Gymnasium zu kommen.

Einstufung durch Potenzialtest gilt 

Das passte einigen Schülern aber nicht. Sie hatten als Grundschüler einer genehmigten privaten Grundschule am Potentialtest im Februar 2025 teilgenommen – dabei die Gymnasialeinstufung aber nicht erreicht. Hiergegen zogen sie vor Gericht.

Die Grundschüler kombinierten im Eilverfahren zwei Anträge: zum einen sollte für sie noch die alte Rechtslage gelten. Außerdem begehrten sie die einstweilige Gestattung am Gymnasialunterricht teilnehmen zu dürfen. 

Das Verwaltungsgericht (VG) Karlsruhe erteilte im einstweiligen Anordnungsverfahren nach § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nun aber beiden Begehren eine Absage und erließ am 03. April 2025 gleich sieben Beschlüsse. Ein Beschluss (Az. 3 K 1604/25) liegt LTO vor. 

Schüler müssen die Entscheidung des Gymnasiums abwarten

Das VG lehnte beide Anträge schon wegen Unzulässigkeit ab. Für eine Beurteilung nach alter Rechtslage hätten die Antragsteller bereits die falsche Antragsart gewählt. Die Frage danach, ob die Aufnahmeverordnung anwendbar sei, müsse vorrangig durch ein Normenkontrollverfahren im Wege des Eilrechtschutzes nach § 47 Abs. 6 VwGO VwGO geklärt werden. 

Außerdem fehle bei beiden Anträge das besondere Rechtschutzbedürfnis, da bei einer Ablehnung der Anträge keine irreversiblen Nachteile entstünden. Den Schülern sei zumutbar, auf die Entscheidung des Gymnasiums zu warten und dann ggf. dagegen vorzugehen. 

Weiter führte das Gericht aus, dass beide Anträge auch unbegründet seien. Die Aufnahmeverordnung finde auch im laufenden Schuljahr Anwendung, so die Kammer. Der Antrag auf Aufnahme zum Gymnasialunterricht könne nicht, wie gefordert, durch das Land als Antragsgegnerin gestattet werden, sondern nur durch das anerkannte Gymnasium.

Gericht zweifelt an Rechtsgrundlage 

Dabei beließ die Kammer es aber nicht, sondern führte abschließend aus, dass zumindest erhebliche Zweifel an der Rechtsgrundlage und damit der Rechtsmäßigkeit des Potentialtests bestehen. 

Das VG erklärte, es habe Bedenken, ob die Regelungen zum Potentialtest dem Vorbehalt des Gesetzes aus Art. 20 Abs. 3 GG genügen. Danach bedarf jeder Eingriff in Rechte einer gesetzlichen Rechtsgrundlage. Ein intensiver Eingriff fordert eine detaillierte Regelung. Insbesondere dürfen wesentliche Entscheidungen im Schulwesen nicht auf die Schulverwaltung abgewälzt werden, sondern müssen durch den Gesetzgeber selbst geregelt werden. 

Die Mindestanforderungen für den Potentialtest ergäben sich aber, so das Gericht, weder aus dem Schulgesetz, noch aus der aktuellen Aufnahmeverordnung. Darüber entscheide das Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg

Auch in Berlin: Probeunterricht rechtmäßig

Doch nicht nur in Baden-Württemberg, auch in Berlin gibt es Streit im Schulrecht. Für das Schuljahr 2025/2026 gilt dort eine neue Rechtslage (§§ 56, 129 Abs. 14 SchulG), wonach Grundschulkinder mit einem Notendurchschnitt über 2,2 nur dann ab der 7. Klasse ein Gymnasium besuchen dürfen, wenn ihre Eignung hierfür nachgewiesen wird. Dafür müssen sie an einem Probeunterricht teilnehmen und die hierfür festgesetzten Bewertungskriterien mit mindestens 75 Prozent bestehen.

Den Probeunterricht hielten einige Schüler für rechtswidrig und wehrten sich vor Gericht. Ihre Eilanträge blieben jedoch ebenfalls erfolglos.

Das VG Berlin entschied in mehreren Beschlüssen am 9. April 2025 (Az. VG 3 L 77/25 liegt LTO vor), dass der Probeunterricht rechtmäßig ist. Auch wenn durch die Neuregelung Schüler betroffen seien, die bereits die 5. Klasse besuchen, überwögen die Interessen des Gesetzgebers, so das Gericht. Es müsse eine schnelle und gerechte Aufnahmeregelung für Gymnasien geschaffen werden. Der Probeunterricht ermögliche eine faire und frühzeitige Beurteilung der Eignung und berücksichtige die begrenzten Kapazitäten der Gymnasien sowie die Bedürfnisse der Schüler. Die Prüfungsaufgaben und die Bewertung seien klar und einheitlich geregelt.

"Kein Assessmentcenter für 12-jährige"

Allerdings: Alle genannten Beschlüsse sind noch nicht rechtskräftig. Eine Beschwerde zum Verwaltungsgerichtshof Badem-Württemberg, bzw. dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg ist möglich. 

Gegen den Berliner Probeunterricht gibt es großen Widerstand. Die Berliner Schulrechtsanwältin Lea Comans kritisierte diesen seinerzeit im LTO-Interview. "Ein Assessmentcenter für 12-jährige geht gar nicht”.

tw/LTO-Redaktion

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Eilanträge vor zwei Verwaltungsgerichten erfolglos: . In: Legal Tribune Online, 11.04.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56983 (abgerufen am: 25.05.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Öffentliches Recht
    • Prüfungsrecht
    • Schulen
  • Gerichte
    • Verwaltungsgericht Berlin
    • Verwaltungsgericht Karlsruhe
    • Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
    • Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Sonnenblume 30.04.2025
Unfallversicherung

LSG Sachsen-Anhalt zur Vorbereitung eines Referats:

Schüler beim Son­nen­blu­menpflü­cken nicht unfall­ver­si­chert

Für eine bessere Note will ein Schüler eine Blume pflücken. Dabei kommt es zu einem schweren Unfall. Wann er hierbei gesetzlich unfallversichert ist, entschied nun das LSG Sachsen-Anhalt.

Artikel lesen
Beteiligung in einer Arbeitsgemeinschaft (Symbolbild) 28.03.2025
Referendariat

Arbeitsgemeinschaften im Referendariat:

Mit­ma­chen erwünscht

In den meisten Jura-Vorlesungen an der Uni sitzen Hunderte von Studierenden und lauschen dem Vortrag des Dozierenden. Aktives Einbringen? Meistens Fehlanzeige. Ganz anders geht es in den Arbeitsgemeinschaften im Referendariat zu.

Artikel lesen
Ski 05.03.2025
Schulen

VG Berlin bestätigt Ordnungsmaßnahme:

Zün­delnder Schüler darf nicht mit zur Ski­fahrt

Skifahrten sind für viele ein Highlight der Schulzeit. Dass man als Schüler vorher besser nicht mehrfach negativ auffallen sollte, zeigt eine Entscheidung des VG Berlin. Es hat sich mit einem Brand in einer Jungenumkleide befasst.

Artikel lesen
Ein Klassenzimmer mit engagierten Schülern, die Fragen stellen, während eine Lehrerin an der Tafel spricht. 28.02.2025
Schulen

Interview mit Schulrechtsanwältin:

"Assess­ment­center für 12-jäh­rige geht gar nicht"

Wenn es um den besten Schulplatz für ihre Kind geht, kennen viele Eltern kein Pardon. Sagt die Wunschschule ab, ergreifen sie rechtliche Schritte – oft auch mit Erfolg. Die Berliner Anwältin Lea Comans berichtet aus ihrer Praxis.

Artikel lesen
Gebäude des Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht 12.02.2025
Lehrer

Niedersächsisches OVG bejaht Ausgleichsanspruch:

Grund­schul­rektor erhält Ent­schä­d­i­gung für Über­stunden

Das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg hat einem pensionierten Grundschulrektor einen finanziellen Ausgleich für Mehrarbeit zugesprochen. Der Lehrerverband fordert nun eine gesetzliche Regelung für die Erfassung der Arbeitszeit.

Artikel lesen
Gebäude Bundesverwaltungsgericht 10.02.2025
Prüfungsrecht

BVerwG zu Täuschungs-Skandal:

Plötz­li­ches Prä­d­i­kats­examen noch kein Anscheins­be­weis

Die Prüfungsbehörde war überzeugt, dass eine Juristin die Prüfungslösungen für das zweite Staatsexamen von einem Richter gekauft hatte. Beweisen konnte sie das nicht. Damit behält die Frau ihr Prädikatsexamen. Das BVerwG sieht keine Fehler.

Artikel lesen
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg
Staats­an­wäl­tin (Rich­te­rin auf Pro­be) / Staats­an­walt (Rich­ter auf Pro­be)...

Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg , Cott­bus

Logo von GvW Graf von Westphalen
As­so­cia­te (m/w/d) Öf­f­ent­li­ches Bau­recht/Um­welt- und Pla­nungs­recht

GvW Graf von Westphalen , Ham­burg

Logo von RechtDialog Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Rechts­an­wäl­te (m/w/d) als An­ge­s­tell­te oder in frei­er Mit­ar­beit

RechtDialog Rechtsanwaltsgesellschaft mbH , 100% Re­mo­te

Logo von Hengeler Mueller
Re­fe­ren­da­re (m/w/d) im Be­reich Öf­f­ent­li­ches Wirt­schafts­recht

Hengeler Mueller , Düs­sel­dorf

Logo von Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg
Staats­an­wäl­tin (Rich­te­rin auf Pro­be) / Staats­an­walt (Rich­ter auf Pro­be)...

Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg , Frank­furt (Oder)

Logo von CMS Deutschland
Rechts­an­wäl­te (m/w/d) für den Be­reich Ver­ga­be­recht und öf­f­ent­li­ches...

CMS Deutschland , Frank­furt am Main

Logo von Hengeler Mueller
Rechts­an­wäl­te (m/w/d) im Be­reich Öf­f­ent­li­ches Wirt­schafts­recht/...

Hengeler Mueller , Ber­lin

Logo von REDEKER SELLNER DAHS
Rechts­an­wäl­tin/Rechts­an­walt (m/w/d) Di­gi­ta­li­sie­rung und Öf­f­ent­li­ches...

REDEKER SELLNER DAHS , Ber­lin

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
Matchwinner Verfahrensrecht

26.05.2025

Logo von Deloitte Legal Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Das EU-Geldwäscheprävention-Maßnahmenpaket

28.05.2025

Der Umgang mit Betriebsprüfern und Steuerfahndern

28.05.2025

Logo von Leuphana Universität Lüneburg
Triff Möhrle Happ Luther auf der FOR YOUR CAREER in Lüneburg

27.05.2025, Lüneburg

Krisenland. Finanzielle Restrukturierung durch StaRUG-Verfahren.

05.06.2025, Frankfurt am Main

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH