Weil sie sich durch die "massive Zunahme von Bewohnern aus einem fremden Kulturkreis" beeinträchtigt fühlten, klagten Nachbarn eines geplanten Flüchtlingsheims gegen die Baugenehmigung. Diesem Argument erteilte das VG eine deutliche Absage.
Das Verwaltungsgericht (VG) Karlsruhe hat mit einem nun zugestellten Urteil mehrere Nachbarklagen gegen den Betrieb einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber abgewiesen (Urt. v. 02.12.2015, Az. 5 K 350/15).
Im August 2014 schloss das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis mit dem Eigentümer eines Grundstücks in Waibstadt, Baden-Württemberg, einen Mietvertrag über ein leerstehendes Wohnhaus ab. Zuvor war das Gebäude 30 Jahre lang als Seniorenheim und davor 70 Jahre lang als Krankenhaus genutzt worden. Der Eigentümer und Vermieter beantragte daraufhin mit Erfolg beim Landratsamt die Erteilung einer Baugenehmigung für die beabsichtigte Nutzungsänderung des Gebäudes als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber für maximal 80 Personen.
Die Nachbarn des Grundstücks versuchten mehrmals erfolglos, gegen die Nutzung als Flüchtlingsheim vorzugehen, und erhoben schließlich eine Anfechtungsklage gegen die erteilte Baugenehmigung. Neben einigen verfahrens-, bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Rügen argumentierten Sie vor allem mit dem "fremden Kulturkreis" der neuen Anwohner: Sie würden durch die - im Vergleich zur bisherigen Nutzung - massive Zunahme von Bewohnern aus einem fremden Kulturkreis auf dem Nachbargrundstück beeinträchtigt. Der Betrieb der Flüchtlingsunterkunft verstoße also gegen nachbarschützende Vorschriften des Baurechts.
Bewohner aus anderem Kulturkreis stellen Wohngebiet nicht in Frage
Diesen Argumenten ist das VG nicht gefolgt. Zunächst könnten sich die Nachbarn nicht auf die Verletzung baurechtlicher Verfahrensvorschriften berufen. Vor allem aber seien in der Sache nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts nicht verletzt.
Das Gebiet, in dem die beiden Grundstücke lägen, entspreche einem allgemeinen Wohngebiet i.S.d. § 4 der Baunutzungsverordnung (BauNVO). Unabhängig davon, ob Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber als "Wohnnutzung" i.S.v. § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO oder als "Anlage für soziale Zwecke" i.S.v. § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO eingestuft würden, sei diese Nutzung in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig und gebietsverträglich.
In diesem Zusammenhang komme es nicht darauf an, ob die Bewohner aus einem anderen Kulturkreis stammten, denn dadurch werde weder der typische Charakter des allgemeinen Wohngebiets in Frage gestellt noch eine Umstrukturierung dieses allgemeinen Wohngebiets eingeleitet.
Rücksichtnahme: Unterschiedliche Lebensgewohnheiten ohne Relevanz
Das Bauvorhaben widerspreche auch nicht dem planungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme.
In einem allgemeinen Wohngebiet müsse auch eine intensivere Belegungsdichte grundsätzlich hingenommen werden. Bei einer Belegung mit bis zu 80 Personen seien die von der Unterkunft ausgehenden Geräuschemissionen im konkreten Fall nicht unzumutbar, zumal das Grundstück der Kläger durch die vorherige Nutzung als Seniorenheim und Krankenhaus - mit einer Belegung bis zu 57 Personen zuzüglich Pflege- und Versorgungspersonal- erheblich vorbelastet sei.
Im Übrigen seien Unterschiede in den Lebensgewohnheiten und im Wohnverhalten unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen bei der rechtlichen Einordnung typischer Wohngeräusche baurechtlich ohne Relevanz.
Auch weitere Bedenken greifen nicht
Soweit die Kläger sich darauf beriefen, die vorhandene Feuertreppe des Gebäudes befinde sich teilweise auf ihrem Grundstück, handele es sich um ein zivilrechtliches Problem des Überbaus, welche nichts an der Erschließung des Baugrundstücks ändere.
Mit dem Einwand, es fehle an der baurechtlichen Erschließung, weil das Baugrundstück nicht über einen eigenen Abwasserkanal verfüge und über das Klägergrundstück entwässert werde, hatten die Kläger gleichfalls keinen Erfolg. Denn dieser Zustand bestehe bereits seit über 100 Jahren. Die in diesem Zusammenhang bestehenden materiell-rechtlichen Abwehransprüche seien inzwischen verwirkt und könnten vom jeweiligen Grundstückseigentümer - mithin auch von den Klägern - nicht mehr geltend gemacht werden.
Gleiches gelte für den Einwand der Kläger, das Gebäude auf dem Nachbargrundstück halte die bauordnungsrechtlichen Abstandsvorschriften nicht ein.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Verwaltungsgerichtshof die Zulassung der Berufung beantragen.
ahe/LTO-Redaktion
VG Karlsruhe weist Nachbarklagen gegen Flüchtlingsunterkunft ab: . In: Legal Tribune Online, 17.12.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17900 (abgerufen am: 07.12.2024 )
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