VG Hamburg sieht polizeilichen Notstand: Kein "Tag der deut­schen Patrioten"

10.09.2015

Der Aufmarsch von Rechtsextremen und Hooligans in Hamburg darf nicht stattfinden. Das VG bestätigte das von der Polizei erlassene Versammlungsverbot. Allerdings können die Rechtsextremen beim OVG dagegen vorgehen.

Der geplante Aufmarsch Rechtsextremer in Hamburg am kommenden Samstag bleibt vorerst untersagt. Das Verwaltungsgericht (VG) Hamburg lehnte am Mittwoch einen Eilantrag gegen das von der Polizei erlassene Versammlungsverbot für den "Tag der deutschen Patrioten" ab (Beschl. v. 09.09.2016, Az. 15 E 4931/15).

Es sei davon auszugehen, dass ein Großteil der Teilnehmer die Gelegenheit suchen werde, Gewalt gegen politische Gegner, Polizisten und andere Personen auszuüben, begründeten die Richter ihre Entscheidung. Es sei sogar zu erwarten, dass schwere Körperverletzungen begangen werden, die sich zu Krawallen ausweiten könnten. Die Anmelder der Demonstration können gegen den Beschluss allerdings Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Hamburg einlegen.

Unabhängig von der Gerichtsentscheidung mobilisieren inzwischen zahlreiche Organisationen zu Demonstrationen gegen den geplanten Aufmarsch. So hat das Bündnis "Hamburg bekennt Farbe" für Samstag (11.00 Uhr) auf dem Rathausmarkt zu einer Kundgebung für Demokratie, Toleranz und Vielfalt aufgerufen. Als Redner ist Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) angekündigt. Dem Bündnis gehören unter anderem Vertreter von Bürgerschaft und Senat, Handels- und Handwerkskammer, des Sports, von Gewerkschaften, Kirchen, Religionsgemeinschaften und Migrantenorganisationen an. SPD, CDU und die Gewerkschaft der Polizei begrüßten die Gerichtsentscheidung.

Polizei beruft sich auf Notstand

Die Rechtsextremen wollten ursprünglich vom Hauptbahnhof aus durch den nördlichen Teil der Hafencity ziehen. Nach mehreren Routenänderungen wegen angemeldeter Gegendemonstrationen untersagte die Polizei am vergangenen Donnerstag den Aufzug jedoch ganz. Es sei inzwischen mit bis zu 3.000 Teilnehmern zu rechnen - darunter bis zu 500 Rechtsextremisten und etwa 1.500 Hooligans. Dem gegenüber stünden bis zu 15.000 Gegendemonstranten, von denen bis zu 5.000 zumindest als Gewalt befürwortend einzuschätzen seien. Die Polizei berief sich bei ihrem Verbot auf einen polizeilichen Notstand, da ihr zum Schutz der Versammlungsteilnehmer mehr als 3.000 Beamte fehlten.

Mit ähnlicher Argumentation hatte kürzlich das zuständige Landratsamt in Sachsen ein Demonstrationsverbot in Heidenau begründet, was das Oberverwaltungsgericht (OVG) Bauzen auch insoweit bestätigte. Diese Entscheidung wurde wenig später allerdings vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gekippt.

Im Hamburger Fall folgte das VG nun der Argumentation der Polizei. Es gebe Anhaltspunkte dafür, dass ein Großteil der Versammlungsteilnehmer die Gelegenheit suche, Gewalt gegen politische Gegner und Polizisten auszuüben. "Es ist deshalb zu erwarten, dass aus dem Aufzug heraus insbesondere (schwere) Körperverletzungen begangen werden, die sich zu schweren Gewaltexzessen ausweiten", betonte das Gericht. Es verwies dabei auch auf die Gruppe "Hooligans gegen Salafisten". Diese hatte sich Ende Oktober 2014 in Köln mit der Polizei eine Straßenschlacht geliefert, bei der es zahlreiche Verletzte gab.

Gericht: Verlegung der Route bringt nichts

Nach Überzeugung des Gerichts diene die Teilnahme von Hooligans nicht nur der Verstärkung des rechten Lagers, sondern solle insbesondere der in Hamburg stark vertretenen linken Szene "deutliche Grenzen setzen". Darüber hinaus sei nicht ersichtlich, dass der Versammlungsleiter "in der Lage und willens wäre, eine derartige Gewalteskalation zu unterbinden". Die Argumentation, dass rechte Aufmärsche bislang friedlich geblieben seien und sich deren Teilnehmer lediglich gegen Angriffe verteidigt hätten, ließ das Gericht nicht gelten.

"Es drängt sich auf, dass sich die enttäuschte Erwartung, einen körperlichen Streit mit dem politischen Gegner austragen zu können, schon bei Nichtigkeiten in gewaltsame Konflikte mit Sicherheitskräften oder Dritten entladen wird", befürchten die Richter. Eine Verlegung der Route oder Umwandlung der Demonstration in eine stationäre Veranstaltung brächte dabei nichts. "An der Gewaltbereitschaft eines erheblichen Teils der Versammlungsteilnehmer ändert dies (...) nichts."

Unabhängig von der Entscheidung des Gerichts hat die Bundespolizei für diesen Samstag für zahlreiche Bahnstrecken nach Hamburg eine Allgemeinverfügung erlassen. Danach sind dort in Zügen und auf Bahnhöfen unter anderem Glasflaschen, Pyrotechnik und Vermummungsgegenstände verboten.

dpa/una/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

VG Hamburg sieht polizeilichen Notstand: . In: Legal Tribune Online, 10.09.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16854 (abgerufen am: 04.12.2024 )

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