Während einer Bezirksversammlung in Hamburg kritisierte ein Bezirksamtsleiter die AfD scharf. Die wiederum klagte dagegen und hatte vor dem örtlichen VG Erfolg: Der Mann habe das Neutralitätsgebot im Rahmen seines Amtes nicht gewahrt.
Ein Bezirksamtsleiter hat in seiner amtlichen Funktion gegenüber allen Parteien Neutralität zu wahren. Er darf sich deshalb nicht negativ abwertend über Parteien äußern. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Hamburg entschieden (Urt. v. 14.02.2024, Az. 17 K 3466/22).
Die Bezirksversammlung Hamburg-Nord diskutierte im März 2022 in einer Aktuellen Stunde über die russische Invasion in die Ukraine. Der Bezirksamtsleiter Michael Werner-Boelz antwortete auf einen AfD-Beitrag. Er bezeichnete die AfD in seiner Antwort unter anderem als "Bruder im Geiste von Herrn Putin" und als "Feinde der Demokratie, des Pluralismus und der Meinungsfreiheit". Daraufhin klagte der dortige AfD-Kreisverband gegen die Stadt Hamburg.
Mit Erfolg, wie nun bekannt wurde: Das VG Hamburg sieht durch Werner-Boelz' Äußerungen das Neutralitätsgebot verletzt. Denn er habe "in Ausübung seiner Amtsbefugnisse als Bezirksamtsleitung in der Bezirksversammlung das Wort ergriffen". Er habe sich deshalb nicht negativ abwertend über die AfD äußern dürfen.
VG legt Maßstab des BVerfG an
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) folgt aus der besonderen Stellung der Parteien nach Art. 21 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien.
Dieser verbietet es laut BVerfG u. a., dass Regierungsmitglieder ihre regierungsamtliche Autorität für den politischen Meinungskampf gebrauchen. Das BVerfG hat so insbesondere Äußerungsbefugnisse von Regierungsmitgliedern eingeschränkt, zuletzt etwa von Altbundeskanzlerin Angela Merkel. Das VG Hamburg hat diese nicht unumstrittenen Grundsätze in seiner Entscheidung auf die Äußerungen von Bezirksamtsleiter Werner-Boelz angewendet.
Die Grünen-Fraktion Hamburg-Nord stellte sich hinter Werner-Boelz. Das VG gewichte "eine abstrakte Neutralität" höher als den "Einsatz gegen diejenigen, die die Grundlagen unseres Staates und damit letztlich auch der Gerichtsbarkeit bedrohen".
Die AfD Hamburg-Nord hingegen forderte angesichts der "parteipolitischen Hetze" von Werner-Boelz dessen Rücktritt.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
og/LTO-Redaktion
VG Hamburg zum Neutralitätsgebot: . In: Legal Tribune Online, 15.02.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53881 (abgerufen am: 05.10.2024 )
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