VG Gelsenkirchen zum Fall Sami A.: Der Wille ist gebro­chen

von Tanja Podolski

19.09.2018

Sami A. muss sich in Tunesien selbst um einen neuen Pass kümmern. Das sei auch in diesem Fall nicht die Aufgabe der Stadt Bochum, entschied das VG Gelsenkirchen. Die erneute Androhung eines Zwangsgeldes lehnte es ebenfalls ab.

Es wäre die dritte Androhung eines Zwangsgeldes gegen die Stadt Bochum im Fall Sami A. gewesen. Doch das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen konnte nicht erkennen, dass dies zur Beugung des Willens der Stadt zu diesem Zeitpunkt notwendig wäre. Der Richter lehnte daher sowohl die Androhung eines Zwangsgeldes als auch der Ersatzzwangshaft ab (Beschl. v. 17.09.2018, Az.: 8 L 1655/18).

Außerdem hat die zuständige Kammer den Antrag des Antragstellers auf Verpflichtung der Stadt Bochum zur unverzüglichen Ausstellung eines Notreiseausweises zur einmaligen Einreise in die Bundesrepublik Deutschland abgelehnt. Der Mann müsse sich in Tunesien selbst um Ausweispapiere kümmern.

Der als Gefährder eingestufte Sami A. war am 13. Juli abgeschoben worden, obwohl das Gericht ein Abschiebeverbot festgestellt hatte (Beschl. v. 12.07.2018, Az. 7a L 1200/18.A). In der Folge war eine Debatte um den Umgang der Behörden mit Entscheidungen der Justiz entbrannt.

Bereits am 24. Juli hatte das VG Gelsenkirchen dem Antrag auf Androhung des Zwangsgeldes entsprochen, um der Verpflichtung der Behörde (Beschl. v. 13.07.2018, Az. 8 L 1315/18, OVG NRW Beschl. v. 15.08.2018, Az 17 B 1029/18), Sami A. nach Deutschland zurückzuholen, Nachdruck zu verleihen.

Dieses Zwangsgeld setze das Gericht am 3. August auch fest (Az. 8 L 1412/18) und drohte ein zweites Zwangsgeld an (8 M80/18). Einen weiteren Antrag auf Androhung eines Zwangsgeldes stand Ende August im Raum, wurde aber zurückgezogen. In der Zwischenzeit hatte bereits das Oberverwaltungsgericht (OVG) auf die Beschwerde der Stadt entschieden, dass sie das Zwangsgeld nicht bezahlen müsse (Beschl. v. 28.08.2018, Az. 17 E 729/18). Den erneuten Antrag auf ein solches lehnte das VG nun ab.

 

VG Gelsenkirchen: Sami A. soll sich selbst kümmern

In Tunesien ist Sami A. derweil auf freiem Fuß. Es gebe ein innerbehördliches Vermerk der tunesischen Stellen, nach dem seine Erlaubnis zur Ausreise individuell geprüft werden müsse, aber keine generelle Ausreisesperre enthalte. Es sei ihm nun zuzumuten, sich selbst um einen tunesischen Reisepass zu kümmern. Sein eigener war 2016 abgelaufen. Nur im absoluten Notfall stelle ein fremder Staat Dokumente für einen anderen aus, befand das Gericht. Ein solcher liege hier aber nicht vor.

Dem Mann ist nach Auffassung des VG zumutbar, einen schriftlichen Antrag auf Erteilung bzw. Verlängerung eines tunesischen Reisepasses an die zuständige tunesische Behörde und dieser gegebenenfalls übergeordnete Instanzen zu richten. Im Zweifelsfalle müsse er in Tunesien den Klageweg beschreiten: Er könne ggf. eine Beschwerde zum tunesischen Verwaltungsgerichtshof einreichen. Die Stadt Bochum jedenfalls müsse sich nicht an die deutsche Botschaft in Tunis wenden, um Reisedokumente für Sami A. zu erhalten.

Gegen den Beschluss kann Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen eingelegt werden.

Das Abschiebeverbot, das Aufgangspunkt für das ganze Debakel war, besteht indes weiter: Das VG Gelsenkirchen hatte den Antrag des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) abgelehnt, den Beschluss vom 12. Juni 2018 abzuändern (Beschl. v. 10.08.2018, Az. 7a L 1437/18

Zitiervorschlag

VG Gelsenkirchen zum Fall Sami A.: . In: Legal Tribune Online, 19.09.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31019 (abgerufen am: 02.12.2024 )

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