Seit Montag steht auf dem Campus der Uni Frankfurt ein propalästinensisches Protestcamp. Die Uni wollte vor dem VG Frankfurt im Eilverfahren eine zeitliche Begrenzung und weitere Beschränkungen erreichen, blieb jedoch erfolglos.
Eine ganze Woche lang wollen propalästinensische Aktivisten an der Frankfurter Goethe-Universität demonstrieren. Sie hatten am Montag das Protestcamp errichtet – zum Unmut der Uni. Diese ist nun mit ihrem Versuch gescheitert, die Versammlung auf ihrem Campus Westend zu verkürzen und Übernachtungen zu verbieten. Das Verwaltungsgericht (VG) Frankfurt hat am Mittwoch einen entsprechenden Eilantrag abgelehnt (Beschl. v. 22.05.2024, Az. 5 L 1624/24.F).
Am Donnerstag vergangener Woche war das Camp bei der Stadt als einwöchige Versammlung angemeldet worden. Unter dem Motto "Gegen die Diffamierung der Palästinasolidarität in Akademie und im öffentlichen Raum" sollte die Versammlung mit ca. 100 Teilnehmern im Zeitraum vom 20. Mai bis zum 26. Mai auf dem Uni-Gelände stattfinden.
Die Stadt Frankfurt am Main erließ einen Tag später verschiedene Beschränkungen, um einen möglichst reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. So müssten die Aktivisten unter anderem die Nachtruhe einhalten und Rettungswege freihalten. Außerdem hat das Ordnungsamt bestimmte Slogans verboten: "From the river to the sea" dürfe nicht im Zusammenhang mit der Verherrlichung der Terrororganisation Hamas genannt werden. Grundsätzlich durfte das Camp aber stattfinden.
Hiergegen ist die Goethe-Universität im einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vorgegangen: Sie wollte eine zeitliche Begrenzung und weitere Beschränkungen der Versammlung erreichen. Sie verstehe unter anderem nicht, "warum es für die Ausübung der Versammlungsfreiheit notwendig sein soll, eine ganze Woche lang Zelte auf den Campus zu stellen und dort zu übernachten", teilte Uni-Präsident Enrico Schleiff mit. Damit hatte die Uni jedoch vor dem VG keinen Erfolg.
Gericht sieht keine Gefahr für öffentliche Sicherheit
Das Gericht führt in seinem Beschluss aus, dass im Rahmen der allein möglichen summarischen Prüfung in dem vorliegenden Eilverfahren weitere Beschränkungen der Versammlung nicht in Betracht kommen.
Die Universität habe schon keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§ 123 VwGO, § 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung, ZPO). Ein solcher käme nur in Betracht, wenn der Stadt Frankfurt kein Ermessen hinsichtlich der geforderten weiteren Beschränkungen bzw. der Untersagung des Protestcamps zustünde oder dieses auf Null reduziert wäre. Eine Ermessensreduktion auf Null meint, dass der Behörde zwar grundsätzlich für ihre zu wählende Rechtsfolge ein Ermessen zusteht. Im konkreten Fall ist jedoch aus bestimmten Gründen lediglich eine Entscheidung rechtsfehlerfrei, sodass die Behörde in ihrer Rechtsfolgenbestimmung gebunden ist.
Für eine solche Ermessensreduktion auf Null müssten erkennbare Umstände vorliegen, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Veranstaltung unmittelbar gefährdet ist. Dies sei bei derzeitigem Kenntnisstand nicht zu erwarten, so die Richter.
Die von der Universität beantragten Beschränkungen stellten vielmehr einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit (Art. 8 Grundgesetz) des Anmelders dar und seien jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt nicht gerechtfertigt.
Auch Protestcamp vor der Uni München durfte bleiben
"Die Universitätsleitung erwartet nun, dass die Behörden die Einhaltung der existierenden Auflagen weiterhin streng kontrollieren, und hofft auf einen friedlichen Verlauf", erklärte die Hochschule. Ihr Präsident Enrico Schleiff ergänzte: "Wir werden die Entscheidung des Gerichts genau lesen und prüfen, ob wir Rechtsmittel einlegen."
Für diesen Donnerstag und Freitag waren laut Schleiff "Kundgebungen auf dem Campus angemeldet, die dezidiert andere Sichtweisen auf den Nahostkonflikt geltend machen als die Teilnehmer des Camps. Über diese Meinungsvielfalt bin ich froh." So hatte das Junge Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Frankfurt für Freitag auf dem Campus Westend zu einer Mahnwache für die Opfer des terroristischen Angriffs der Hamas auf Israel sowie zu einer Kundgebung gegen Antisemitismus und für ein vielfältiges Frankfurt aufgerufen.
Erst vergangene Woche hatte auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) keine konkrete Gefahr für die öffentlichen Sicherheit durch ein Protestcamp angenommen und entschieden: Das Pro-Palästina-Protestcamp vor der Münchner Uni darf bleiben. Auch hier wollte die Stadt im Eilverfahren verhindern, dass das Camp vor der LMU stattfindet.
Gegen den Beschluss des VG Frankfurt kann innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Beschwerde nach § 146 VwGO beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel eingelegt werden.
dpa/cho/LTO-Redaktion
Auf dem Gelände der Goethe-Universität Frankfurt: . In: Legal Tribune Online, 23.05.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54608 (abgerufen am: 01.11.2024 )
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