Unter dem Motto "Wir sind mehr" versammelten sich am vergangenen Montag zehntausende Menschen, um sich gegen rechtsextreme Gewalt zu solidarisieren. Eine Gegendemo wurde von der Stadt Chemnitz verboten. Zu Recht, so das VG Chemnitz.
Nicht alle befürworteten die friedliche Demonstration von rund 65.000 Menschen am Montag in Chemnitz. Eine Gruppe von ca. 50 Gegendemonstration meldete eine Versammlung unter dem Motto "Gegen antideutsche Kommerzhetze" an, um gegen die "Wir sind mehr"- Veranstaltung zu protestieren. Zu der Gegendemonstration kam es jedoch nicht, denn die Stadt Chemnitz sprach ein Verbot aus. Die Veranstalter gingen mit einem Eilantrag gegen dieses Verbot vor, unterlagen nun jedoch auch vor dem Verwaltungsgericht (VG) Chemnitz ( Beschl. v. 03.09.2018, Az. 2 L 517/18).
Wie das Gericht ausführte, ging die Stadt Chemnitz zu Recht davon aus, dass eine Zulassung der Gegendemonstration die öffentliche Sicherheit und Ordnung unmittelbar gefährdet hätte. In einem solchen Fall kann die zuständige Behörde eine Versammlung gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 des Sächsischen Versammlungsgesetzes (SächsVersG) verbieten. Das VG stellte fest, dass die Stadt zu Recht zu der Einschätzung gekommen sei, dass aufgrund der hohen Anzahl erwarteter Teilnehmer der "Wir sind mehr"- Veranstaltung kein Platz mehr für eine Gegendemonstration gewesen sei. Die stadtweit eingerichteten Sonderparkplätze und der damit verbundene Shuttle-Verkehr hätten eine weitere Demonstration schlicht nicht zugelassen. Zudem rechnete die Polizei damit, dass statt der angemeldeten 50 Teilnehmer tatsächlich 1.000 Gegendemonstranten erscheinen würden.
Keine Flächen für sinnvolle Gegendemonstration
Mangels Ausweichflächen war das Verbot daher zulässig. Nach Ansicht der Richter sprachen im Rahmen einer Interessenabwägung die stärkeren Argumente für ein Verbot der Gegendemonstration.
Dass die Gegendemonstranten in ihrem Eilantrag ausführten, für ihre Versammlung stehe auch eine Fläche außerhalb des unmittelbar betroffenen Stadtgebietes zur Verfügung, ändere daran nichts. Denn gleichzeitig wollten die Gegendemonstranten auch in Hör- und Sichtweite der anderen Demonstration protestieren. Das aber sei ohne eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht möglich gewesen, so die Chemnitzer Richter. Zu Lasten der Gegendemonstranten gehe zudem, dass die Demo zu einem späteren Zeitpunkt angemeldet wurde. Unter Berücksichtigung der Priorität habe die Gegendemonstration daher das Nachsehen.
Schließlich führten die Richter aus, dass es sich bei der "Wir sind mehr"- Veranstaltung um eine Versammlung im Sinne des Art. 8 Grundgesetz (GG) handele. Aufgrund des nicht-kommerziellen Auftritts der Künstler und der politischen Botschaft, die durch das Konzert übermittelt werden sollte, falle dieses unter den Schutz der Versammlungsfreiheit. Dies gelte zwar grundsätzlich auch für die Gegendemonstration, eine Gesamtabwägung aller Einzelumstände rechtfertige jedoch ein Verbot, so das VG.
Am Montag traten in Chemnitz verschiedene Künstler und Bands auf, um gemeinsam mit 65.000 Menschen friedlich gegen rechtsextreme Gewalt zu demonstrieren. Anlass der Veranstaltung war Krawalle nach dem gewaltsamen Tod eines jungen Mannes in Chemnitz in der vergangenen Woche.
tik/LTO-Redaktion
mit Materialien von dpa
Keine Gegendemo zum Wir-sind-mehr-Konzert: . In: Legal Tribune Online, 04.09.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30745 (abgerufen am: 06.12.2024 )
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