Die Notwendigkeit von Kontaktreduzierungen und mögliche Engpässe in Krankenhäusern sind für Gerichte in NRW und Berlin Grund genug, um die Gastronomie im November geschlossen zu halten.
Im Land Berlin sind mehrere Gastronomen mit Eilanträgen gegen die Schließung ihrer Lokale im November gescheitert. Das Verwaltungsgericht (VG) Berlin wies die Anträge ab (Beschl. v. 9.11.2020, Az. VG 4 L 576/20). Auch in NRW wurde ein entsprechender Antrag vom Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen abgewiesen (Beschl. v. 9.11.2020, Az. 13 B 1656/20.NE).
In Berlin waren 22 Gastwirte gegen das Verbot, ihre Lokale zwischen dem 2. und 30. November für Publikumsverkehr zu öffnen, gerichtlich vorgegangen. In Eilanträgen hatten sie unter anderem geltend gemacht, dass es für die Schließung ihrer Betriebe an einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage fehle. Auch sei das Verbot im Hinblick auf eine effektive Eindämmung der Pandemie nicht erforderlich, da Gaststätten kein "Treiber der Pandemie" seien. Strengere Hygieneregeln könnten zudem ein milderes Mittel zur Schließung darstellen. Gerügt wurde auch eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung, da u.a. Friseurgeschäfte und der Einzelhandel geöffnet bleiben dürften und auch religiöse Veranstaltungen weiterhin erlaubt seien.
Das VG Berlin hingegen teilte diese Auffassung in seinem Beschluss vom Dienstag, der LTO vorliegt, nicht. Es sei nicht "mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich das angegriffene Verbot in einem etwaigen Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen werde", teilte das Gericht mit. Auch einen Verstoß gegen den Parlamentsvorbehalt bzw. das Wesentlichkeitsprinzip bezweifelt das Gericht: Es sei "nicht überwiegend wahrscheinlich", dass in der Hauptsache ein Verstoß gegen den Gesetzesvorbehalt festgestellt werde. Ein Grund dafür sei, dass der Bundesgesetzgeber am 6.11.2020 eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes (ifSG) auf den Weg gebracht habe.
Das Verbot der Gaststättenöffnung für Publikumsverkehr würde laut VG dem legitimen Ziel dienen, die Krankheit COVID-19 zu bekämpfen, die sich insbesondere in Berlin in kurzer Zeit dramatisch verbreitet habe. Das Vorbringen der Antragsteller, Gaststätten trügen nicht zur die Verbreitung der Pandemie bei, sei nicht haltbar. Schließlich würden sich Dreiviertel der Ansteckungen nicht mehr auf eine bestimmte Quelle zurückführen lassen. Daher sei das Verbot auch geeignet, die Pandemie zu bekämpfen. Die Schließung sei im Ergebnis auch erforderlich, da Gastronomie davon geprägt sei, dass Menschen dort Geselligkeit pflegen und kommunzieren. Daran würden auch entsprechende Hygienekonzepte nichts ändern. Ob die Antragsteller gegen die Entscheidung Rechtsmittel einlegen werden, ist noch offen. Der Anwalt der Berliner Gastronomen, Prof. Niko Härting, kündigte via Twitter eine entsprechende Prüfung an.
Münster und Berlin sind sich einig
Zu demselben Schluss wie die Berliner Richter kamen am Montag bereits die Richter des OVG in Münster. Sie räumten dem Normenkontrollantrag eines Gastronoms aus Bedburg ebenfalls wenig Chancen für das Hauptsacheverfahren ein: Laut OVG-Beschluss, der LTO ebenfalls vorliegt, reiche § 32 S. 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 S. 1 Infektionsschutzgesetz als Ermächtigungsgrundlage für die Betriebsverbote aus. Ein Verstoß gegen den Parlamentsvorbehalt sei nicht ersichtlich. Allerdings räumten die Richter ein, dass mit zunehmendem Voranschreiten der Pandemie eine konkretere Rechtsgrundlage erforderlich werde. Jedoch könne es aus übergeordneten Gründen des Gemeinwohls geboten sein, für einen Übergangzeitraum auf Generalklauseln zurückzugreifen, um auf schwerwiegende Gefahrensituationen reagieren zu können.
Ebenso wie die Berliner Richter begründeten auch die Münsteraner Richter ihre Entscheidung mit dem exponentiellen Anstieg der Infektionszahlen und damit, dass in den Krankenhäusern mit einer Rekordzahl an Intensivpatienten gerechnet werde. Das Ziel des Verordnungsgebers, Kontakte zu reduzieren, sei daher legitim und eine Schließung der Gaststätten könne dazu beitragen. Mit den darüber hinaus von der Bundesregierung angekündigten Entschädigungszahlungen würden der erhebliche Eingriff in die Berufsfreiheit und in das Recht auf den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb letztlich "abgefedert". Außerdem sei die Belieferung von Speisen und der Außer-Haus-Verkauf weiterhin zulässig.
Der Prozessvertreter des Landes NRW, Dr. Michael Winkelmüller von der Kanzlei Redeker Sellner Dahs, begrüßte gegenüber LTO die Entscheidung des OVG: "Dass bei den derzeitigen Infektionszahlen reagiert und Zusammenkünfte von Menschen in geschlossenen Räumen vermindert werden mussten, erscheint mir klar. Und in Gaststätten ist das nun mal unvermeidlich. Auf der anderen Seite hat das OVG die rechtlichen Forderungen nach einer ausdrücklichen Regelung im Infektionsschutzgesetz klar angesprochen", so der Anwalt.
Im Gegensatz zum sogenannten ersten Lockdown im Frühjahr haben sich Eilanträge von Betroffenen des aktuellen "Lockdown 2.0" bislang als weitgehend erfolglos erwiesen. Lediglich das OVG Saarland hatte Eilanträgen von Tattoo- und Piercingstudiobetreibern stattgegeben, so dass diese im Saarland wieder öffnen dürfen (Beschlüsse v. 9.11.2020, Az. 2 B 323/20 und 2 B 306/20).
Erfolglose Eilanträge der Gastronomie: . In: Legal Tribune Online, 10.11.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43372 (abgerufen am: 15.10.2024 )
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