VG Berlin zum Ukraine-Krieg: Sub­si­diärer Schutz für wehr­di­enstpf­lich­tige Russen

31.01.2025

Deutschland muss russische Männer, die befürchten, zum Grundwehrdienst eingezogen und anschließend im Angriffskrieg gegen die Ukraine eingesetzt zu werden, als subsidiär schutzberechtigt anerkennen, so das VG in der Hauptstadt.

Russische Männer, die befürchten, zum Grundwehrdienst eingezogen und anschließend im völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine eingesetzt zu werden, müssen von der Bundesrepublik Deutschland als subsidiär schutzberechtigt anerkannt werden. Dies entschied die 33. Kammer des  Verwaltungsgerichts (VG) Berlin in zwei Fällen (Urt. v. 20.01.2025, Az. VG 33 K 504/24 A und VG K 519/24 A). 

In den vorliegenden Fällen stellten zwei russische Männer im grundwehrdienstpflichtigen Alter einen Antrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), um einen Schutzstatus als subsidiär Schutzberechtigte zu erreichen. Nach § 4 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG) sind diejenigen Menschen subsidiär schutzberechtigt, die stichhaltige Gründe dafür vorbringen, dass ihnen in ihrem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht und sie den Schutz ihres Herkunftslands nicht in Anspruch nehmen können oder wegen der Bedrohung nicht in Anspruch nehmen wollen. 

Die russischen Männer hatten geltend gemacht, bisher keinen Wehrdienst in der Russischen Föderation geleistet zu haben, weswegen ihnen bei einer Rückkehr drohe, in die Armee eingezogen zu werden und im Ukraine-Krieg kämpfen zu müssen. Diese Argumentation hatte die Behörde aber nicht überzeugt, sie lehnte die Anträge der Männer daraufhin ab.

Entsendung in die Ukraine wahrscheinlich 

Dagegen klagten die Männer erfolgreich. Laut VG Berlin ist es nach Auswertung aktuell zugänglicher Erkenntnisse wahrscheinlich, dass die Männer nach ihrer Rückkehr in absehbarer Zeit gegen ihren Willen zum Grundwehrdienst in der russischen Armee einberufen und in den Ukraine-Krieg entsandt werden. Dort hätten sie damit zu rechnen, zwangsweise an völkerrechts- und/oder menschenrechtswidrigen Handlungen teilnehmen zu müssen oder gar selbst schwersten Schaden an Leib und Leben zu erleiden.

Zur Überzeugung des Gerichts geht aus neuesten Erkenntnissen hervor, dass der russische Staat weiterhin und vermehrt darauf setze, Grundwehrdienstleistende zum Vertragsabschluss mit den russischen Streitkräften zu nötigen, um sie sodann als Vertragssoldaten an die Front in der (Kern-)Ukraine entsenden zu können. Auch bei einer Stationierung als Grundwehrdienstleistende im russisch-ukrainischen Grenzgebiet (Region Kursk) drohe den Männern mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung. 

Gegen die Urteile kann der Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg gestellt werden.

Abweichung zum OVG Berlin-Brandenburg 

Mit diesen Entscheidungen weicht das VG Berlin von den anderslautenden Urteilen des 12. Senats des OVG Berlin-Brandenburg ab (Urt. v. 22.08.2024, Az. 12 B 18/23). In einem Fall hatte das OVG Berlin-Brandenburg einem russischen Mann, der befürchtete, zum Grundwehrdienst einberufen und zu Kampfhandlungen in die Ukraine eingesetzt zu werden, keinen subsidiären Schutz zuerkannt, weil ihm kein ernsthafter Schaden drohen würde. 

Der OVG-Senat hatte entschieden, dass Grundwehrdienstleistenden in den russischen Streitkräften aktuell mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit kein Kampfeinsatz in der Ukraine drohe. Die wehrpflichtigen Männer würden vielmehr auf der Krim sowie zu Grenzsicherungszwecken entlang der russisch-ukrainischen Grenzen eingesetzt werden. Mögliche Kampfhandlungen fänden daher eher auf russischem Territorium statt und dienten der Abwehr ukrainischer Gegenoffensiven.

Außerdem könne nicht festgestellt werden, dass dienstpflichtige Männer systematisch als Vertragssoldaten rekrutiert würden.

eh/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

VG Berlin zum Ukraine-Krieg: . In: Legal Tribune Online, 31.01.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56488 (abgerufen am: 17.03.2025 )

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