Die Berliner Beamtenbesoldung in den Besoldungsgruppen A4 von 2016 bis 2018 und A5 von 2018 und 2019 war zu niedrig, findet das örtliche VG. Es legt dem BVerfG damit einen Fall vor, der gleich in doppelter Hinsicht wegweisend sein könnte.
Die 26. Kammer des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin hatte in einem Verfahren zu prüfen, ob die Höhe der Leistungen nach den Berliner Besoldungsgruppen A4 und A5 eine amtsangemessene Alimentation darstellen. Das hat die Kammer verneint. Da über die Verfassungswidrigkeit einer Besoldung aber nur das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entscheiden kann, hat das VG dem BVerfG diese Frage nun vorgelegt (Beschl. v. 30.11.2023, Az. VG 26 K 251.16).
Dabei meldete das VG auch Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Berliner Besoldungen generell an. In dem Verfahren ging es zwar konkret nur um die Gruppen A4 (für die Jahre 2016 bis 2018) und A5 (für die Jahre 2018 bis 2019). Das VG hält in seiner Pressemitteilung zu dem Beschluss aber auch die Besoldung bis hin zur Stufe A10 für diesen Zeitraum für zu niedrig. Das zu prüfen, war aber nicht mehr Gegenstand des Verfahrens.
Besoldungsstufen A4 und A5 nicht ausreichend hoch über Grundsicherungsniveau
Nach Auffassung des VG war die Bezahlung nach den Besoldungsstufen A4 und A5 für die streitgegenständlichen Zeiträume zu niedrig. Das BVerfG habe aus dem Grundgesetz bestimmte Vorgaben für eine amtsangemessene Alimentation abgeleitet, die in dieser Zeit nicht eingehalten worden seien. So müsse die Besoldung eines Beamten zuzüglich Kindergeld für zwei Kinder in jedem Fall einen Mindestabstand von 15 Prozent gegenüber dem Niveau haben, das die Grundsicherungsleistungen für eine vierköpfige Familie wahren.
Die Grundsicherungsleistungen umfassen dabei nach Angaben des VG den Regelbedarfssatz, die Kosten der Unterkunft und Heizung sowie den Bedarf für Bildung und Teilhabe. Die tatsächliche Nettovergütung der vierköpfigen Beamtenfamilie in der A4-Besoldung und der A5-Besoldung, die die in diesem Fall klagende Beamtin erhalten hatte, erreichte in den genannten Jahren aber nicht einmal die Höhe der Grundsicherungsleistungen für eine vierköpfige Familie, errechnete das VG. Ganz im Gegenteil: Die Nettovergütung in diesen Besoldungsstufen blieb für die streitgegenständlichen Jahre sogar rund 8.000 (A5) Euro bzw. 9.900 (A4) Euro hinter der gebotenen Mindestversorgung zurück. Mit dem Beschluss hat das VG die Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit der Besoldung nun ans BVerfG weitergereicht, weil nur dieses abschließend über eine mögliche Verfassungswidrigkeit der Besoldungshöhe entscheiden kann.
Die Kammer hatte über den konkreten Fall hinaus weitere Berechnungen angestellt. Dabei habe sich herausgestellt, dass das Mindestabstandsgebot zum Grundsicherungsniveau in den Jahren 2016 bis 2019 in den Besoldungsgruppen sogar bis einschließlich der Stufe A10 nicht eingehalten worden sei. Selbst der Verdienst in den Stufen A6 bis A10 habe in diesem Zeitraum nicht ausgereicht, um einen angemessenen Abstand zum Grundsicherungsniveau zu gewährleisten, so das VG.
Keine Prüfung der Besoldung bis 2022, weil Klage unpräzise formuliert war
Neben dem Beschluss, mit dem das VG die Frage nach der Verfassungswidrigkeit der Besoldung 2016 bis 2019 ans BVerfG weitergegeben hat, hat das VG noch ein abweisendes Urteil gefällt (Urt. v. 30.11.2023, Az. VG 26 K 649/23). Die in diesem Fall klagende Beamtin hält ihre Besoldung nämlich auch für den Zeitraum 2020 bis 2022 für zu niedrig. Jedenfalls für 2020 und 2021 seien die Voraussetzungen für den Mindestabstand der Besoldung zum Grundsicherungsniveau ebenso nicht erfüllt, errechnete das VG auch für diese Jahre. Allerdings habe die klagende Beamtin dies nicht in der erforderlichen Weise zeitnah beim Dienstherrn geltend gemacht.
Vielmehr habe die Beamtin ihre Klage darauf gestützt, dass ihre Besoldung "seit" 2016 verfassungswidrig sei. Zu 2020 trat aber eine neue Besoldungsregelung in Berlin in Kraft. Da der Dienstherr wissen müsse, welche Besoldung ein gegen ihn klagender Beamter angreift, ende die Rüge in dem Jahr, in dem eine neue Besoldungsregelung in Kraft tritt, so das VG. Deshalb hat es in diesem Fall die Besoldung der klagenden Beamtin auch nur bis einschließlich 2019 geprüft.
Die Frage, wann eine verfassungswidrige Alimentation als "zeitnah geltend gemacht" anzusehen ist, hält das VG aber für grundsätzlich bedeutsam. Daher ließ die Kammer die Berufung gegen die Abweisung zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg und die Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht zu. Damit könnte das Verfahren gleich in doppelter Hinsicht vor den Bundesgerichten wegweisend sein.
ms/LTO-Redaktion
VG Berlin legt dem BVerfG vor: . In: Legal Tribune Online, 20.12.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53466 (abgerufen am: 08.10.2024 )
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