Der Vater eines 15-Jährigen terrorisierte die Schulleitung und Lehrkräfte so sehr, dass diese teils erkrankten und sich außer Stande sahen, den Schüler weiter zu unterrichten. Sie müssen es aber, entschied das VG Berlin.
Ein Schüler kann nicht allein wegen des Verhaltens seines Vaters gegenüber Schulleitung und Lehrerschaft an eine andere Schule überwiesen werden. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in einem Eilverfahren entschieden, wie es am Freitag bekanntgab (Beschl. v. 23.11.2020, Az. 3 L 612/20).
Der 15-jährige Antragsteller besucht eine Schule in Berlin-Tempelhof. Dort kommt es seit über zwei Jahren zu erheblichen Auseinandersetzungen zwischen dessen Vater und der Schule. Der Vater stellte laut Gericht zahlreiche Dienstaufsichtsbeschwerden, Petitionen, Befangenheitsanträge und Strafanzeigen. Er erscheint vor der Schule, spricht Schüler und Lehrkräfte an und erstellt Videos, die er auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht.
Ein Großteil der Lehrkräfte der Schule fühlt sich von dem Vater bedroht, hieß es. Die beiden Klassenlehrerinnen und die Schulleiterin seien zwischenzeitlich sogar dienstunfähig erkrankt gewesen. Der Schüler selbst weist aber durchgängig gute bis sehr gute Leistungen auf. Seine Lern- und Leistungsbereitschaft, Arbeitshaltung, Zuverlässigkeit, Selbstständigkeit, Verantwortungsbereitschaft, Teamfähigkeit und Verhalten wurden zuletzt mit "sehr ausgeprägt" bewertet.
Die Berliner Senatsverwaltung sprach mit sofort vollziehbarem Bescheid die Überweisung des Sohnes an eine andere Schule desselben Bildungsgangs aus. Zur Begründung berief sie sich auf das gestörte Verhältnis zwischen Vater und Schulleitung. Die Schule könne ihrem Bildungs- und Erziehungsauftrag in Bezug auf den Schüler nicht mehr in gebotenem Maße nachkommen. Der Schulfrieden sei so nachhaltig gestört, dass die Situation auch für die Entwicklung des Schülers abträglich sei.
Verhalten des Vaters kann Schüler nicht zugerechnet werden
Der Eilantrag des Schülers dagegen hatte vor dem VG jedoch Erfolg. Nach Auffassung des Gerichts fehlt es für die Überweisung an eine andere Schule an einer geeigneten Rechtsgrundlage. Bei der Maßnahme handele es sich wegen ihrer erheblichen Grundrechtsrelevanz um eine wesentliche Entscheidung, deren Voraussetzungen vom Gesetzgeber getroffen werden müssten, und die nicht nicht einfach die Schulverwaltung allein treffen dürfe.
Das VG entschied außerdem, dass die Überweisung nicht als Ordnungsmaßnahme angesehen werden könne, wie die Schulverwaltung argumentiert hatte. Voraussetzung für seine solche sei eine Beeinträchtigung der ordnungsgemäßen Unterrichts- und Erziehungsarbeit oder eine Gefährdung anderer am Schulleben Beteiligter durch den Schüler selbst. Daran fehlt es nach Ansicht des Gerichts in diesem Fall aber. Das Verhalten seines Vaters könne dem Schüler nicht zugerechnet werden.
Das Gericht ließ ausdrücklich offen, ob die Schule ggf. Maßnahmen gegen den Vater selbst richten kann.
Gegen die Entscheidung kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden.
acr/LTO-Redaktion
VG Berlin zu pöbelndem Vater: . In: Legal Tribune Online, 27.11.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43562 (abgerufen am: 07.12.2024 )
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