Georgien ist 2023 als sogenannter sicherer Herkunftsstaat deklariert worden. So sich wie gedacht sei es dort aber nicht, so das Verwaltungsgericht Berlin. Es stellt damit die rechtliche Grundlage für Tausende Abschiebungen infrage.
Das Verwaltungsgericht (VG) Berlin hat die Einstufung Georgiens als sicherer Herkunftsstaat auf den Prüfstand gestellt und erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit mit europäischem Recht geäußert. In einer Eilentscheidung wurde einem georgischen Ehepaar vorerst der Schutz in Deutschland zugesprochen – und damit die rechtliche Grundlage für Tausende mögliche Abschiebungen erschüttert (Beschl. v. 11.03.2025, Az. VG 31 L 473/24 A und VG 31 L 475/24 A).
Ende 2023 stufte Deutschland Georgien als sicheren Herkunftsstaat ein. Das bedeutet, dass Asylverfahren von georgischen Staatsangehörigen in Deutschland unter der Annahme bearbeitet werden, dass in Georgien keine systematische Verfolgung oder unmenschliche Behandlung stattfindet. Im Jahr 2024 führte dies zu mehr als 1.600 Abschiebungen nach Georgien, das damit das Hauptzielland für Rückführungen war.
Das Berliner Gericht stellte jedoch in dem Fall eines georgischen Ehepaares fest, dass diese Einstufung fraglich sei. Das Ehepaar, dessen Asylanträge abgelehnt wurden, legte dagegen Eilanträge beim VG Berlin ein. Der Ehemann, ein Veterinär, berichtete, dass er aufgrund seiner Teilnahme an Protesten gegen die "russischen Gesetze" Georgiens aus politischen Gründen entlassen und Repressalien ausgesetzt worden sei. Auch seine Frau gab an, nach ihrer Teilnahme an ähnlichen Protesten von ihrem öffentlichen Arbeitgeber gemaßregelt worden zu sein.
VG: Land muss vollständig sicher sein
Die 31. Kammer des Verwaltungsgerichts gab den Eilanträgen statt und stellte fest, dass die Einstufung Georgiens als sicherer Herkunftsstaat mit europäischem Recht nicht vereinbar sei.
Besonders problematisch sei bereits die Tatsache, dass Abchasien und Südossetien, zwei Gebiete Georgiens, völkerrechtlich nicht unter der Kontrolle der georgischen Regierung stünden und als abtrünnig gölten. Der Europäische Gerichtshof hatte erst jüngst in einem Urteil (v. 04.10.2024, Az. C 406/22) entschieden, dass ein Drittstaat nicht als sicherer Herkunftsstaat gelten kann, wenn schon Teile seines Hoheitsgebiets unsicher sind. In Abchasien und Südossetien sei die Menschenrechtslage weiterhin prekär, so das VG, etwa im Hinblick auf das Rückkehrrecht von Geflüchteten, die eingeschränkte Freizügigkeit, die politischen und religiösen Freiheiten sowie die ethnischen Diskriminierungen. Dies stelle die Sicherheitsbewertung für Georgien infrage, so das VG.
Zudem betonte das Gericht, dass es aufgrund des individuellen Vorbringens der Antragsteller nicht in der Lage sei, die qualifizierte Ablehnung ihrer Asylanträge auf eine andere Rechtsgrundlage zu stützen.
Die Beschlüsse sind unanfechtbar.
xp/LTO-Redaktion
VG Berlin gibt Eilanträgen statt: . In: Legal Tribune Online, 21.03.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56846 (abgerufen am: 19.04.2025 )
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