VG Berlin zum Erscheinungsbild von Polizisten: Frau mit Hand-Tat­toos darf Poli­zistin werden

von Hasso Suliak

03.03.2025

Rosenblüten-Tätowierungen auf beiden Handrücken hindern die Zulassung zum Vorbereitungsdienst der Polizei nicht. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin entschieden. Mit welcher Begründung und was gilt allgemein bei Tattoos von Polizisten? 

Aufatmen bei einer Frau, die Polizistin werden will. Sie darf trotz sichtbarer Tätowierungen auf ihren Händen den Vorbereitungsdienst bei der Berliner Kriminalpolizei absolvieren. Das entschied das Verwaltungsgericht (VG) Berlin im Eilverfahren in einem am Montag veröffentlichten Beschluss (Beschl. v. 27. 02. 2025, Az. VG 26 L 288/24).

Die 33jährige, die beruflich neu starten wollte, hatte sich um die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst bei der Berliner Kriminalpolizei beworben. Von der bekam sie jedoch eine Absage. Der Grund: Die Tätowierungen auf beiden ihrer Handrücken. Bei den Motiven handelt es sich um Rosenblüten mit den Namen ihrer Kinder.

Gegen die Absage reichte die Frau daraufhin einen Eilantrag beim VG Berlin ein, mit Erfolg. Die 26. Kammer gab dem Eilantrag teilweise statt und verpflichtete das Land Berlin dazu, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die Bewerbung der Antragstellerin zu entscheiden. Zur Begründung führt die Kammer aus, das Tragen von Tätowierungen im sichtbaren Bereich einer Einstellung nur entgegenstehen könnten, wenn die Tattoos über das übliche Maß hinausgingen und wegen ihrer besonders individualisierenden Art geeignet seien, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Dies sei im Fall der 33jährigen nicht der Fall. 

VG Berlin: "Tätowierungen mit Blumen weit verbreitet"

Zweifelhaft sei es bereits, ob die Tattoos der Antragstellerin über das übliche Maß hinausgingen. Vielfältige Tätowierungen, insbesondere von Blumen bzw. Pflanzen und persönlichen Daten, seien heutzutage weit verbreitet, so das Gericht. Jedenfalls seien die Tattoos der Frau trotz ihrer Sichtbarkeit nicht geeignet, ihre amtliche Funktion in den Hintergrund zu drängen.

Die klare Erkennbarkeit der Motive und deren unkritischer Inhalt böten Bürgerinnen und Bürgern zudem keinen Anlass, über die persönlichen Überzeugungen der Antragstellerin als Privatperson zu spekulieren, heißt es in der am Montag veröffentlichten Pressemitteilung des Gerichts. 

Die Frage, ob Polizeibeamte in Deutschland tätowiert sein dürfen, beschäftigt seit Jahren immer wieder die Justiz. Zuletzt musste sogar das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) über eine Verfassungsbeschwerde eines bayerischen Polizisten entscheiden, der sich auf seinen Unterarm den Schriftzug "Aloha" stechen lassen wollte. Das Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) sah darin einen Verstoß gegen das bayerische Polizeigesetz. Karlsruhe bewertete das jedoch anders und urteilte, dass das BVerwG-Urteil den Polizisten in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verletze (Beschl. v. 18.05.2022, Az. 2 BvR 1667/20). Schlussendlich bekam der Mann für seine Tätowierung eine Genehmigung vom bayerischen Innenministerium.

Auf das Motiv kommt es an

Währen Blumen oder der haiwanische Gruß "Aloha" beim Betrachter nur Assoziationen wecken, die die Integrität von Polizisten nach Auffassung der Gerichte grundsätzlich nicht in Frage stellen, kann es bei gewaltverherrlichenden oder verfassungsfeindlichen Motiven, schon anders aussehen.

Das BVerwG hatte 2017 geurteilt, dass Tätowierungen, in denen eine Abkehr von den Prinzipien der Verfassungsordnung zum Ausdruck kommt, gegen die in Art. 33 Abs. 5 GG geforderten politische Treuepflicht des Beamten verstoßen und zu einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führen müssen (Urt. v. 17.11.2017, Az. 2 C 25.17). 

Das VG Trier entschied  im September 2022, dass ein Polizeibewerber für den gehobenen Polizeidienst charakterlich ungeeignet sei, weil sich über seinen gesamten Rücken der in der traditionellen "Old English"-Schriftart der Schrifzug "Loyalty, Honor, Respect, Family" erstreckte. Das VG schloss sich damals der Rechtsansicht des Landes Rheinland-Pfalz an. Dieses hatte die Einstellung des Mannes abgelehnt, weil das Tattoo in der entsprechenden Schriftart aus Sicht des Landes den Gesamteindruck eines "Ehrenkodex" vermittele. Ein solcher "Ehrenkodex" reiche dabei über den Bedeutungsgehalt der einzelnen Begriffe hinaus und sei mit den Werten einer "modernen Bürgerpolizei" nicht vereinbar, so das Land.

Tattoo-freundliche Verwaltungsgerichte 

Auch dem VG Berlin stellt sich die Frage, ob und in welchem Maße Polzisten tätowiert sein dürfen, nicht zum ersten Mal. Das Gericht hatte schon 2018 eine liberale Rechtsauffassung an den Tag gelegt und entschieden, dass sogar große sichtbare Tätowierungen kein Hindernis bei einer Bewerbung als Polizist in der Hauptstadt sein dürfen. In dem Fall ging es um einen damals 26jährigen, der an seinen Armen und Handgelenken u.a. seiner Fußballvorliebe Ausdruck verlieh. Tattoo-freundlich zeigte sich 2021 auch das VG Düsseldorf: Es entschied, dass ein tätowierter Totenkopf auf dem Oberarm eines angehenden Polizisten alleine noch nicht ausreiche, um auf eine gewaltverherrlichende Einstellung zu schließend und von einer Einstellung abzusehen.

Zuvor hatte bereits das Oberverwaltungsgericht in Münster entschieden, dass das Land Nordrhein-Westfalen einen Polizeianwärter nicht wegen einer Löwen-Tätowierung ablehnen darf (Beschl. v. 12.05.2020 Az. 6 B 212/20). Die Tätowierung lasse keine Rückschlüsse auf eine bedenkliche Einstellung des Bewerbers zu. Für die Beurteilung, ob der Anwärter sich an die Grundsätze der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gebunden fühle, seien weitere Anhaltspunkte nötig, so die Münsteraner Richter. Zudem habe der Betroffene eine gewaltverherrlichende Einstellung dementiert und auf seine Trainertätigkeit im privaten Leben und die dabei erworbenen soziale Kompetenzen hingewiesen. Für ihn stehe der Löwe für Stärke, Mut und Macht. 

Beschwerde zum OVG Berlin-Brandenburg erwartet

Im Fall der auf ihren Handflächen tätowierten 33jährigen kann das Land Berlin nun gegen den Beschluss Beschwerde beim OVG Berlin-Brandenburg einlegen. Wegen der über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung des Falles sei damit auch zu rechnen, vermutet die Pressesprecherin des VG auf LTO-Nachfrage.

Indes. Die tätowierte Polizeianwärterin dürfte dem Rechtsmittel des Landes wohl mit Gelassenheit entgegensehen. Schließlich hatte das OVG 2019 entschieden, dass Tätowierungen grundsätzlich kein Hinderungsgrund für die Einstellung in den Polizeidienst seien (Beschl. v. 01.02.2019, Az. 4 S 52.18). In dem Fall, über den das OVG seinerzeit zu befinden hatte, ging es nicht um hübsche Blumen, sondern um den Totenschädel einer Frau – angelehnt an eine Figur, die in Mexiko als Symbol für den Tag der Toten bekannt ist, einen der wichtigsten mexikanischen Feiertage. Das OVG hatte damit kein Problem.

Zitiervorschlag

VG Berlin zum Erscheinungsbild von Polizisten: . In: Legal Tribune Online, 03.03.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56713 (abgerufen am: 19.04.2025 )

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