Der Verfassungsschutz schätzte 2022, dass rund 10.000 Mitglieder der AfD rechtsextrem sein könnten. Dafür gebe es ausreichende Anhaltspunkte, meint das VG Berlin nun. Deshalb hat es entsprechende Passagen im Behördenbericht nicht untersagt.
Das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) muss bestimmte Passagen über die AfD im Verfassungsschutzbericht 2022 vorerst nicht ändern. Die Schätzungen über den Anteil extremistischer Mitglieder in der Partei seien rechtmäßig, hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin im Wege einstweiligen Rechtsschutzes entschieden (Beschl. v. 02.02.2024, Az. VG 1 L 340/23).
Auf über 300 Seiten hat das BMI im Verfassungsschutzbericht 2022 zusammengefasst, wie es um den Schutz der Verfassung im Jahr 2022 bestanden war. Unter dem Gliederungspunkt "Rechtsextremistisches Parteienspektrum" findet sich auch eine Passage zum "Verdachtsfall 'Alternative für Deutschland' (AfD)". Dort heißt es, die Partei habe "gegenwärtig schätzungsweise ein extremistisches Personenpotential von etwa 10.000 Personen" bzw. "von 30 bis 40 Prozent aller AfD-Mitglieder".
Die AfD ist überzeugt, die Aussage sei rechtlich und tatsächlich nicht haltbar, weil es an einer tragfähigen Grundlage für diese Schätzung fehle. Zudem monierte die Partei eine Verletzung ihrer Betätigungsfreiheit nach Art. 21 Abs. 1 Grundgesetz sowie einen Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot und die Neutralitätspflicht des Ministeriums. Gerichtlich wollte sie deshalb mit ihrem Antrag erreichen, dem BMI diese Aussagen vorläufig zu untersagen und im Verfassungsschutzbericht 2022 vorerst zu löschen.
Nach wie vor "deutliche Züge rechtsextremer Vorstellungen" erkennbar
Das VG Berlin hielt die Aussagen nach summarischer Prüfung aber für rechtmäßig und hat den Eilantrag abgewiesen. Das BMI sei dazu berechtigt, die Öffentlichkeit über Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung zu informieren. Voraussetzung dafür sei, dass hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte für entsprechende Bestrebungen vorliegen. Dass die Verfassungsfeindlichkeit sicher festgestellt werden muss, sei dagegen nicht erforderlich.
Für den Fall der AfD liegen nach Auffassung des VG solche tatsächlichen Anhaltspunkte von hinreichendem Gewicht vor, um ein Rechtsextremismuspotential bei einem gewissen Teil der Parteimitglieder anzunehmen. Diese Zuordnung im Verfassungsschutzbericht 2022 fuße zu Recht darauf, dass der ehemalige "Flügel" der AfD und das Netzwerk rund um den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke eine entsprechende Anzahl von Personen umfassen könnten. Auf die angebliche Auflösung des "Flügels", auf die die AfD in ihrem Antrag verwiesen hatte, komme es dabei nicht an, stellte das Gericht fest. Das Rechtsextremismuspotential sei damit nicht einfach verschwunden.
Bei wichtigen Repräsentanten des ehemaligen "Flügels" seien nach wie vor "deutliche Züge" der Befürwortung einer ethnisch-rassisch definierten "Volksgemeinschaft" und einer radikalen Ausgrenzung aller nicht zu dieser "Volksgemeinschaft" gehörenden Personen als "minderwertig" zu erkennen. Diese Feststellungen behielten weiterhin Gültigkeit, meint das VG. Die Schätzung von etwa 10.000 Mitgliedern mit Extremismuspotential sei deshalb nicht willkürlich, so das VG.
Letztlich sei die Berichterstattung im Verfassungsschutzbericht 2022 auch mit höherrangigem Recht vereinbar und verstoße insbesondere nicht gegen die Gebote staatlicher Neutralität und der Sachlichkeit.
Die AfD hat gegen den Beschluss bereits Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt.
lmb/LTO-Redaktion
VG Berlin lehnt AfD-Eilantrag ab: . In: Legal Tribune Online, 07.02.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53824 (abgerufen am: 12.12.2024 )
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