Nach Ortstermin beim Bordell: Das "Ar­temis" darf sich ver­grö­ßern

04.12.2024

Ein Berliner Bordellbetreiber möchte sein Etablissement ausbauen. Das Bezirksamt stört das, es versagte die Zustimmung - zu Unrecht, wie das örtliche VG nun entschieden hat. Wen könnte ein Bordell in einer abgelegenen Ecke schon stören?

Ob in Köln oder in Berlin – Bordelle beschäftigen nicht nur Staatsanwälte, Polizisten und Zollfahnder. Nunmehr rückt das bekannte Berliner Bordell "Artemis" allerdings nicht mit Razzien und angeblicher Verbindungen zur organisierten Kriminalität in den Fokus, sondern mit einem unscheinbaren, wenn auch bedeutungsvollen Verwaltungsrechtsstreit, über den das Verwaltungsgericht (VG) Berlin am 02. Dezember 2024 entschieden hat (Az. VG 19 K 329/20).

Die Geschichte begann mit einem Antrag auf Umbau einer Lagerhalle. Die Betreiber des größten Berliner Bordells hatten nach ungefähr 20 Jahren und knapp 3.000 Quadratmetern Bordellfläche die Idee, mit ihrer Vergnügungsstätte noch weiter zu expandieren. Dazu erwarben sie im Jahr 2009 ein Grundstück in Berlin-Charlottenburg, welches mit einer 4.000 Quadratmeter großen Lagerhalle bebaut ist. Das Grundstück ist von einer Autowerkstatt, von der eine große Straße verläuft, und von Bahngleisen eingerahmt.

Im November 2019 beantragten die Bordellbetreiber beim Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, die Lagerhalle nach § 59 Abs. 1 Bauordnung für Berlin (BauO Bln) umbauen und für den Betrieb eines Bordells nutzen zu dürfen. Doch das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf wollte diesem Vorhaben einen Riegel vorschieben. Es lehnte die Erteilung der Baugenehmigung im April 2020 kategorisch ab. Begründung: Das Gebiet gehöre zum baurechtlichen Außenbereich, wo solche Bauten nicht erlaubt seien, und außerdem sei die Verfestigung von Splittersiedlungen zu verhindern. Mit ihrem Widerspruch blieben die Betreiber erfolglos und zogen vor Gericht. Dort streiten sie sich seit mittlerweile über vier Jahren. Jetzt ist der Fall entschieden.

Bauen im Außenbereich: "Bordell stört doch niemanden"

Die 19. Kammer des VG Berlins sah die Sache gelassener als das Bezirksamt. Bei einer umfassenden Ortsbesichtigung der Lagerhalle, die der Entscheidung vorausging, stellte die Richterin die grundsätzliche Frage "Wen stört es denn hier?", auf die einer der klagenden Bordellbetreiber prompt eine Antwort parat hatte: "Hier störe ich niemanden".

Die Kammer stellte in ihrem Urteil fest, dass das Grundstück durch den Bahn- und Straßenverkehr abgegrenzt werde, sodass es nicht im baurechtlichen Innenbereich liege, sondern im Außenbereich. Nach § 35 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) sind in Außenbereichen grundsätzlich nur privilegierte Bauvorhaben wie etwa Land- und Forstwirtschaft zulässig. Ausnahmsweise sei jedoch auch das Bauvorhaben der Bordellbetreiber nach § 35 Abs. 2 BauGB genehmigungsfähig, da das Areal nämlich voll erschlossen sei und keine Konflikte mit öffentlichen Belangen aufweise. Die Befürchtung des Bezirksamts, es könne eine Signalwirkung für andere Bauvorhaben entstehen, überzeugte das Gericht nicht. Die Lagerhalle sei nämlich eine bestehende Struktur, die keine neue Splittersiedlung im Sinne des § 35 Abs. 3 Nr. 7 BauGB darstelle.

Baurechtlich besonders interessant: Im Flächennutzungsplan ist das Grundstück als Bahnfläche ausgewiesen. Doch auch dies hindert die Erteilung der Baugenehmigung laut VG nicht. Die Kammer stellte klar: Solange kein Planungsverfahren nach dem Eisenbahngesetz eingeleitet wurde, bleibe dieser Status "eher symbolischer Natur".

Schalldämmung und Tageslicht inklusive

Mit Bahngleisen und Verkehr vor der Tür war klar, dass baurechtlich auch Schallschutz eine zentrale Rolle spielen würde. "Daran haben Sie doch bestimmt gedacht. Sie wollen ja nicht, dass eine Dame mit einem Kunden durch den Lärm der anderen Dame mit ihrem Kunden gestört wird" so die Richterin bei der Ortsbegehung. Die Betreiber sagten zu, hochwertige Schalldämmung einzusetzen, um innen akzeptable Lärmpegel zu erreichen. Und auch die Belichtung kam nicht zu kurz: Zusätzliche Fenster - auch im Souterrain – sollen für ausreichende Belichtung sorgen. Damit war das VG endgültig überzeugt.

Gegen das Urteil kann noch Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gestellt werden.

eh/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Nach Ortstermin beim Bordell: . In: Legal Tribune Online, 04.12.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56021 (abgerufen am: 21.01.2025 )

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