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39353

VG Berlin zu öffentlichem Vorkaufsrecht bei 'Share Deal': Immo­bi­li­en­ge­sell­schaft muss Aus­kunft geben

von Dr. Markus Sehl

19.12.2019

Blick über Berlin

(c) Mistervlad - stock.adobe.com

Wenn statt Grundstücken nur Unternehmensanteile verkauft werden, greift das Vorkaufsrecht der Gemeinde zum Mieterschutz nicht. Zu diesen Share-Deals muss eine große Immobiliengesellschaft nun aber Details preisgeben. Steckt in der Praxis ein Umgehungsgeschäft?

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Was auf den ersten Blick nach Rechtsprechungsstoff für Liebhaber des Bau- und auch des Gesellschaftsrechts aussieht, könnte bundesweite Bedeutung für die Themen Mieten, Verdrängung und Immobilienmarkt bekommen. Wenn eine Gemeinde bei einem privaten Grundstücksverkauf prüft, ob ihr möglicherweise ein Vorkaufsrecht zusteht, dann darf sie Unterlagen zur Überprüfung auch dann anfordern, wenn der Verkauf nicht als Grundstücksverkauf, sondern als sogenannter Share-Deal abgewickelt wurde. Das geht aus einer Entscheidung des VG Berlin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes hervor, die LTO vorliegt (Beschl. v. 13.12.2019, Az. 19 L 566.19).

Im Kern geht es um das Vorkaufsrecht der Gemeinde beim Kauf von Grundstücken , nach § 24 Baugesetzbuch (BauGB). Der Gedanke dahinter: Die Gemeinde soll mitreden dürfen, wenn Häuser und Wohnungen verkauft werden. Vor allem dann, wenn sie städtebaulich einen größeren Plan verfolgt, z.B. in bestimmten Stadtteilen die Mieter vor steigenden Mieten und Verdrängung zu schützen. Durch das Vorkaufsrecht kann sie an die Stelle des Käufers treten. Ihr Vorkaufsrecht gilt aber eben nur beim Kauf von Grundstücken.

Wenn Häuser an Investoren verkauft werden, dann passiert das häufig nicht als Verkauf von Häusern und Grundstücken, sondern über den Verkauf von Anteilen an einem Unternehmen, dem das Haus gehört, sogenannte Share Deals. Den Eigentümer wechseln dann nur die Unternehmensanteile, ein Grundstückskauf im wortwörtlichen Sinn des § 24 BauGB findet nicht statt. Deshalb soll dann der Gemeinde auch kein Vorkaufsrecht zustehen. Vor allem aber: Sie wird in diesen Fällen meist schon gar nichts mitbekommen. Denn anders als bei einem Grundstückverkauf "pur" muss beim Notar kein abgeklärtes "Negativattest" vorgelegt werden, welches bescheinigt, dass die Gemeinde ihr Vorkaufsrecht nicht ausüben wird.

Berliner Bezirk will Verdacht eines Umgehungsgeschäfts prüfen

Ob diese Praxis nicht aber der Anschein eines Umgehungsgeschäfts umgibt, will das Bezirksamt Berlin Neukölln prüfen lassen. Nachdem die Beamten in Neukölln im Spätsommer von einer solchen Share-Deal-Transaktion aus April 2019 in ihrem Bezirk erfahren hatten, verpflichteten sie die verkaufende Grundstückgesellschaft dazu, ihr die vollständigen Notarunterlagen vorzulegen. 

Die Grundstücksgesellschaft gehörte sich zunächst selbst, wurde dann aber bei einem Notartermin aufgespalten. 89,9 Prozent der Anteile gingen an die A.-Gesellschaft und die restlichen 10,1 Prozent an ein Unternehmen auf Zypern. Hinter der A.-Gesellschaft steht ein bekannter schwedischer Konzern, ihm sollen allein in Berlin rund 14.000 Wohnungen gehören, nach eigener Darstellung rund ein Viertel des Berliner Marktwertes.

Der Erwerb der Gesellschaftsanteile sei – so die Begründung – ein Vorgang, der dem Bezirk die Ausübung seines Vorkaufsrechts eröffnen könnte. Insbesondere lägen die Grundstücke in einem sogenannten Milieuschutzgebiet, dort gälten besonders strenge Prüfungen beim Grundstücksverkauf. Die Grundstücke selbst liegen im Gebiet "Flughafenstraße/Donaustraße" – und damit besonders attraktiv quasi im Herzen des Berliner Szenebezirks. 

Die A.-Gesellschaft entgegnete, die Herausgabe der Unterlagen sei nicht erforderlich. Die Übertragung von Grundstücksanteilen löse regelmäßig kein Vorkaufsrecht der Gemeinde aus, ein Umgehungsgeschäft sei nicht zu befürchten. Sie argumentierte auch mit einem "Geheimhaltungsinteresse" und kritisierte die Anordnung als "reine Ausforschung eines zivilrechtlichen Vorganges."

Die Gesellschaft wehrte sich gegen die Auskunftsplicht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem VG und scheiterte nun. Der Bezirk hatte sich bei seinem Auskunftsbegehren auf § 208 BauGB gestützt, eine Art Ermittlungsbefugnis in Bauangelegenheiten.

VG: Auch kaufähnliche Umgehungsgeschäfte könnten Vorkaufsrecht begründen

Die Verwaltungsrichter hatten zu entscheiden: Falls das Vorkaufsrecht des Bezirks unter keinen Umständen in Betracht kommt, dann kann der Bezirk auch nicht von der Immobiliengesellschaft verlangen, dass sie ihm Unterlagen zu dem Share-Deal vorlegt. Das Verfahren wurde für den Bezirk deshalb auch zu einer Art juristischem Testballon.

In seinem Beschluss verweist das VG auf Ausführungen des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 2012 . Die Bundesrichter hatten damals entschieden, dass bei einem Grundstücksverkauf per Share-Deal das Vorkaufsrecht nicht ausgelöst wird - es sei denn, die Vertragsgestaltung beim Verkauf komme einem Kauf im Sinne des Vorkaufsrechts so nahe, dass sie ihm gleichgestellt werden kann. In dem BGH-Fall ging es um ein zivilrechtliches Vorkaufsrecht nach § 463 BGB. 

"Für das gemeindliche Vorkaufsrecht nach §§ 24 ff. BauGB kann Ähnliches angenommen werden; auch bei ihm erscheint es also möglich, dass sog. Umgehungsgeschäfte, die kaufähnlich sind, den Vorkaufsfall auslösen", heißt es nun in dem Beschluss des VG. "Das gilt insbesondere in Fällen eines 'Share Deals', wie er auch hier vorliegt".

Ob ein Umgehungsgeschäft tatsächlich vorliege, diese Frage dürfe nicht gerichtlich vorverlagert werden, betonen die VG-Richter. Aber um sie abschließend zu klären, muss sich der Bezirk erst einmal anhand der notariellen Unterlagen einen genauen Überblick über das Transaktionsgeschäft verschaffen können. Entsprechend stehe dem Bezirk ein solches Auskunftsrecht zu. An der zügigen Aufklärung dieses Vorgangs bestehe zudem ein besonderes öffentliches Interesse, so das VG.

"Share-Deals sind ein blinder Fleck in Milieuschutzgebieten", sagte der Bezirksstadtrat Jochen Biedermann (Grüne) gegenüber LTO. "Der Beschluss des Verwaltungsgerichts bestätigt unsere Einschätzung nun, in einem solchen Fall Nachforschungen anstellen zu dürfen."

Gegen den Beschluss ist die Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zulässig. Die Kanzlei der Antragstellerin wollte sich auf Nachfrage nicht zu der Entscheidung äußern. Der Immobilienkonzern selbst war auf Nachfrage nicht erreichbar.
 

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Markus Sehl, VG Berlin zu öffentlichem Vorkaufsrecht bei 'Share Deal': . In: Legal Tribune Online, 19.12.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/39353 (abgerufen am: 21.05.2025 )

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